Chopper


Wie Ferrari-Händler Helmut Eberlein 1996 zu einer Panhead kam

"Echt

gehabt"


In der Wunschliste mancher Harley-Sammler steht eine 1200er
"Panhead" ganz oben. Wenn ein etablierter Ferrari-Händler,
der ausgerechnet Eberlein heißt, zu solch einem Prachtstück
kommt, darf man getrost "echt Schwein gehabt" sagen.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Leben ist nicht nur die Erfüllung von technischen Daten. Eine Suzuki Intruder ist qualitativ sicherlich auf einem viel höheren Standard als eine Harley-Davidson, aber sie vermittelt nicht das selbe Feeling", Helmut Eberlein muss es wissen. Geschäftlich hat er zwar schon seit einigen Jahren nichts mehr mit Motorrädern zu tun, aber privat steigt der erfolgreiche Ferrari-Händler aus Kassel mit Vorliebe auf seine  Harley-Davidson FLH1200 "Panhead". Von seiner Motorradliebe ist der Kasseler Autohausbesitzer trotz der hochkarätigen Sportwagen in seinen Geschäftsräumen nämlich nie ganz losgekommen. Wo jetzt die Ferraris stehen, waren bis 1989 Bikes aufgebockt.




Angefangen hat alles 1975. Damals hatte sich Helmut Eberlein als Suzuki-Händler in einem ehemaligen Lebensmittelladen, dessen zugehöriges Wohnzimmer zur Werkstatt umfunktioniert wurde, selbständig gemacht. Wie bei vielen anderen Kollegen aus der Zweiradbranche wurde damit sein Hobby zum Beruf. Zunächst mussten etliche Kompromisse eingegangen werden. Zum Beispiel ließen sich die Motorräder im damaligen Zwei-Mann-Betrieb nur über ein dickes Brett, das man über die Treppe legte, ins Ladeninnere schieben. Zu der Suzuki-Vertretung kam noch im gleichen Jahr die italienische Edelmarke Ducati hinzu. 1977 zog der Jungunternehmer in eine stillgelegte Tankstelle um und hatte nun wirklich alle Hände voll zu tun. 1980 arbeiteten bereits fünf Personen in seinem Betrieb, und er gehörte zu den besten Suzuki Händlern in Deutschland. In jenem Jahr legte er auch den Grundstein für den Bau eines neuen Geschäftsgebäudes, das heute als kleines Imperium gilt.




Beinahe wäre daraus aber nichts geworden, denn der engagierte Motorradhändler hatte Mitte der siebziger Jahre seine Leidenschaft zum Rennsport entdeckt. Die technische Vorbereitung der Moto Guzzi 750S und Ducati 750SS, mit der er sich an Rallyes beteiligte, kostete enorm viel Zeit, und die Planungen der Wochenenden bestimmten fortan die jeweiligen Renntermine. Immerhin erreichte der Vollgas-Heizer in der Saison 1975 damit einige Top-Platzierungen. Zusätzlich ging er auch noch in der 750er-Serienklasse an den Start. Doch nicht genug. Auch im Gelände ließ er bei internationalen Wettbewerben mit einer Enduro die Brocken fliegen, jedenfalls bis 1983. Während eines Rennens stürzte er schwer, kämpfte sich aber trotz abgerissener Kreuzbänder durch die letzte Runde. Der Lohn des Schmerzes war der Sieg. Die Kehrseite der Medaille war jedoch das Aus für seine Geländekarriere.




Seine Strassensportambitionen gab er deshalb aber längst nicht auf. 1984 sattelte er auf ein Suzuki-Superbike um und fuhr um den OMK-Pokal. Erst 1987 hängte er nach einem weiteren schweren Sturz den AGV-Helm und FLM-Rennkombi endgültig an den Nagel. Der Abschied aus der Szene fiel ihm nicht ganz leicht. "In dem Moment, wo man am Start steht, lebt man so intensiv. Das ist fast unglaublich. Es ist ein Wahnsinnsgefühl, wenn die Ampel auf grün springt und sich die ganze Meute mit Vollgas auf den Weg zur ersten Kurve macht," erzählt der Ex-Hobbyrenner begeistert, als käme er gerade von einer Wettfahrt. Letztlich war aber der Job wichtiger als das Rennfieber. Das Geschäft wartete. Heutzutage ist Helmut Eberlein fast froh darüber, dass er damals im richtigen Moment den Rückzieher von der Piste machte und hält fest: "Die Motorradrennen haben mich nicht nur zeitlich, sondern auch finanziell stark belastet. Sie sind der Firma damals nicht so gut bekommen. Der letzte schwere Sturz passierte gerade noch rechtzeitig." 




Die geschäftlichen Aktivitäten wurden 1981 mit dem Handel von neuen Suzuki-Jeeps erweitert. Damit war seine Firma eine der wenigen deutschen Suzuki-Werkstätten, die solch einen "Doppelvertrag" hatten. Ansonsten wurden vom Suzuki-Importeur die Zwei- und Vierrad-Fahrzeuge bei der Händlerschaft nämlich strikt voneinander getrennt. Und als die Suzuki-Autos im Verkaufsraum standen, ließen danach die Alfa Romeos nicht mehr lange auf sich warten. Diese Vertretung übernahm die Kasseler Firma 1985. Vier Jahre später war eines Tages der Verkaufsleiter von Ferrari Deutschland bei Helmut Eberlein am anderen Ende des Telefons und bot ihm an, Vertragshändler für die italienische Sportwagen-Edelschmiede zu werden. Das geschah genau zu einem Zeitpunkt, als für einen Ferrari F40 gute zwei Millionen Mark auf die Ladentheke gezählt wurden, obwohl das Top-Modell mit "nur" 500.000 Mark in der offiziellen Preisliste stand. In dieser Situation konnte man gute Geschäfte machen. Falls Helmut Eberlein jedoch Vertragshändler werden wolle, müsse er sich vom Suzuki-Handel trennen, stellte der Ferrari-Importeur in Wiesbaden zur Bedingung. Das tat ihm zuerst zwar weh, denn zum einen waren die F40 längst ausverkauft und zum anderen die fünfzehnjährige Zusammenarbeit mit Suzuki aufgeben, war auch nicht gerade einfach. Doch Helmut Eberlein nahm das Angebot an. Die Faszination Ferrari mit seinem genialen 12-Zylinder-Motor war stärker, so dass mit einer neuen Werkstatt hinter Glas ein Traum verwirklicht wurde. 




Die Motorradleidenschaft wurde mit den neuen Aufgaben zwangsläufig eingedämmt. Jetzt gibt Helmut Eberlein allerdings zu: "Ich bin vom Mythos Ferrari befallen." Längst hat er sich in der Branche etabliert, nur einmal war der "Newcomer" das Gespött der anderen alteingesessenen 24 Händler in Deutschland. Helmut Eberlein hatte bei uns den einzigen Ferrari 500 "Superfast" - weltweit wurden vor 30 Jahren nur 36 Fahrzeuge von diesem 400 PS-Boliden ausgeliefert - im Schauraum stehen. Jeder lachte darüber, in der Meinung, dass man diesen Exoten niemals über 300.000 Mark verkaufen könnte. „Diesen Ferrari habe ich zu meiner Visitenkarte gemacht, es ist allerdings keine übliche Visitenkarte, sondern eine zwölfseitige DIN A4-Farb-Broschüre. Wer so etwas in die Hand bekommt, hebt sie 100prozentig auf. Und verkaufen konnte ich den Superfast auch wieder, sogar für 400.000 Mark", lacht Eberlein selbst. 




Sein Ferrari-Geschäft brachte ihn aber auch zum Motorrad zurück. Eine Harley-Davidson Panhead war der Auslöser. Zu dem Ami-Bike kam seine Firma, als ein Ferrari-Kunde den US-Klassiker zum Wagenpreis mit in Zahlung geben wollte. Der Firmenchef sah sich die Panhead von 1949 selbst genau an und die Verlockung, sich draufzusetzen und eine Probefahrt zu machen, war groß. Der begeisterte Motorradfan konnte einfach nicht widerstehen. "Schon nach ein paar Metern war mir klar, dass diese Harley-Davidson genau das war, was ich jetzt fahren wollte. Es war wie eine Begegnung mit einem Saurier. Vorher hatte ich immer mit den Knien in der Kurve schleifen wollen, jetzt reicht es mir vollkommen, mit 80 Sachen durch die Landschaft zu rollen." 
Obwohl der neue Harley-Owner von etlichen Freaks verlockende Gebote für die Panhead bekam, dachte er nie daran, sie wieder abzugeben. "Selbst nicht, als jemand 35.000 Mark in der Hand hielt. Und als ich vor kurzem auf einem Harley-Treffen war, stiegen Biker von ihren 70.000-Mark-Maschinen ab und staunten über den tollen Oldtimer. Und wieder überboten sich die Kaufinteressenten." 




Wenn er sich die Lederjeans anzieht und den Helm aufsetzt, ist vom Ferrari-Händler mit Anzug und Krawatte nichts mehr geblieben. Dann ist Helmut Eberlein der Trapper, der er im Traum immer sein will. "Ich glaube, den Wunschtraum vom Blockhaus am See hat fast jeder Harley-Fahrer", ist er überzeugt. Das Leben am See hat sich der Panhead-Fahrer im vergangenen Jahr für einige Tage erfüllt. Mit Zelt, Kochtopf und Fahrtenmesser im Gepäck machte er sich mit seinem Sohn Steffen auf den Weg in die Trapperwelt. An einem See angelte er Fische und briet sie am offenen Feuer. Helmut Eberlein ist überzeugt: "Solche Sachen kannst du nur mit einer Harley richtig erleben und genießen. Bei anderen Bikes kommt mir das nicht so rüber. Und dieses Gefühl von Abenteuer möchte ich nicht missen."

Adresse:
Ferrari Vertragshändler
Leipziger Str. 284
34123 Kassel
Telefon 0561 51 19 7-0
Eberlein-Automobile GmbH

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