Custom-Bikes


"113 bebt!"

Zum Rasen sind sie nicht auf die Welt gekommen.
Für Kurvenräuberei und Wheelies schon ganz und gar nicht.
Harleys sind was fürs urgemütliche Dahingleiten oder fürs Cruising.
Eigentlich. Der "113er" von W&F in Garbsen, die man 1999
auf die Räder stellte, ist jedoch vollkommen etwas anderes.
Schauen wir doch einmal...

Text&Fotos: Winni Scheibe

 



Der Typ spinnt! Behauptet er doch glattweg, mit einer Harley-Davidson könne man meilenweit auf dem Hinterrad fahren. Sozusagen Wheelies ohne Ende. Power wäre schließlich genug da. So um die 115 PS, am Hinterrad versteht sich. Aber auch auf der Autobahn käme man ganz gut vorwärts. Abgesehen vom Fahrtwind, der einem dabei kräftig um die Nase wehen würde, ließen sich locker über 230 Sachen erreichen. An der Fahrbarkeit der Heizerkiste lässt der Spezi keine Zweifel aufkommen, der Motor würde wie eine Turbine drehen und das Chassis wäre erste Sahne. Ganz gleich, ob bei Topspeed oder auf verwinkelten Landstraßen, die Chose läge wie ein Brett. Vor Kurven bräuchte man sich auch nicht zu fürchten, Schräglagefreiheit wäre genügend vorhanden, und wer gerne auf der letzten Rille in die Eisen steigt, könne sich auf die Stopper beruhigt verlassen.




Wäre da nicht irgendwann der Name Harley-Davidson gefallen, dächte man gleich an eine Honda Fireblade oder Kawa ZZ-R 1100. Doch eine Harley und dazu noch als Speedbolzen? Wie dem auch sei, der Mann hat recht! Bei diesem Bike handelt es sich tatsächlich um eine Harley-Davidson FXD Dyna Glide, allerdings keine normale.
Verantwortlich für das Werk ist W&F in Garbsen. Hinter W&F stecken Thomas Warneke und Siegbert Faust. Beide sind ausgemachte Harleyfans, die Mitte der 80er Jahre ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Und weil sie die Stangen-Harley nicht so gut ab können, haben sie sich auf die Herstellung von hochwertigem Sonderzubehör, Spezialumbauten sowie den Import von S&S-Produkten aus den USA spezialisiert, um hier nur das Wichtigste zu nennen.




Die Kunst aus einer Standard-HD etwas zu machen, ist eigentlich gar nicht so groß. Denn wenn wir ehrlich sind, gibt es keine, oder sagen wir mal ganz wenige, Harley-Davidson die stink-serienmäßig gefahren werden. An keinem anderen Motorrad wird mehr geschraubt, verändert, auf- oder abgerüstet als eben bei diesen Stahlrössern aus Milwaukee. Für diesen Spaß steht ein unendliches Zubehörprogramm zur Verfügung, und letztendlich liegt es nur an der Kohle, was man haben will. Und dass bei diesem Tun irgendwann auch mal die Speedfraktion Hand anlegen wird, war nur eine Frage der Zeit.

Mit dem 113 cubic inch-Motor von S&S haben wir ein glühendheißes Eisen im Feuer," verrät Thomas Warneke. "Das Aggregat mit knapp zwei Liter Hubraum bringt echte 115 PS ans Hinterrad. Der Kraftmeier sieht zwar wie ein Harley-Motor aus, ist in Wirklichkeit jedoch eine eigenständige Entwicklung von S&S in Viola/Wisconsin. Weil wir die Montage im Haus vornehmen und von diesem Produkt so überzeugt sind, gewährleisten wir drei Jahre Garantie auf den Kurbeltrieb des " S&S Super Sidewinder Long Block ".


113 cubic inch-Motor von S&S

Damit die werte Kundschaft auch erfährt, was in dem S&S-Hammer steckt, entschloss man sich bei W&F einen super Wetzhobel auf die Gummiwalzen zu stellen. Denn bekanntlich wird man vom "Essenzugucken" nicht satt, und wer für rund 7000 Euro solch eine Druckmaschine ins Fahrwerk hieven möchte, will schließlich vorher wissen, wie damit die Post abgeht. Und deswegen hier gleich vorweg, die gezeigte Maschine steht für alle ernsthaften Kaufinteressenten zur Probefahrt bereit. Ein Anruf bei W&F genügt. Doch bis es so weit war, mussten die Spezis in Garbsen zunächst mächtig die Schraubenschlüssel schwingen. Als Basis diente eine Harley-Davidson FXD Dyna Glide von 1997. Von der, Willie G. Davidson möge den Boys verzeihen, lediglich Rahmen, Schwinge, Tank, Fünfganggetriebe, Fußrasten sowie einige Kleinigkeiten übrig blieben. Anstelle der originalen Kraftquelle steckte Thomas Warneke besagten S&S Knaller ins Chassis. Für pünktlichen Zündfunken in jedem Zylinder sorgt eine elektronische Crane-High-4 Anlage, bei der sich die Zündkurve individuell verstellen lässt. Gleich drei Aufgaben erfüllt die Zodiac "Supertrapp" 2-in-1-Auspuffanlage: tolle Optik, klasse Sound und optimale Leistungsausbeute.



"Supertrapp" 2-in-1-Auspuffanlage

Die Vorderpartie setzt sich aus Ceriani Upside-down Gabel, Speichenrad mit 3.00 x 17 Akront-Alu-Felge, 110/70 ZR 17 Metzeler Pneu, gelochten 290er Bremsscheiben mit Vierkolben-PM-Sätteln und W&F Radabdeckung zusammen. Der Rechteckscheinwerfer und die lenkerfeste Verkleidung stammen von BMW, die Blende untendrunter hat Warneke selbst gemacht. Das Tempo kann der Pilot vom HD-Tacho ablesen, und mit welchen Touren die Kurbelwellen gerade rotiert, signalisiert ein Kröber-Drehzahlmesser. Die Fäuste umklammern eine W&F SuperBar-Lenkstange, der Allerwerteste ruht auf einem W&F-Sattel.


Ceriani Upside-down Gabel


Breitreifen sind in. Keine Frage. Und das muss natürlich auch bei einer Harley, ganz gleich ob sportiv oder Chopper, so sein. Nun erledigt inzwischen bei allen Harleys ein Zahnriemen den Sekundärantrieb. Soll ein superdicker Schlappen aufgezogen werden, wird in den meisten Fällen auf Kettenantrieb, er ist bedeutend schmaler, zurückgerüstet. Bei W&F kommt so etwas jedoch nicht in Frage. Damit auch weiterhin der Belt-drive die Kraft ans Hinterrad schleppen kann, wurde ein spezieller Umbau-Kit entwickelt. Das hintere Speichenrad hat eine 5.50 x 17 Akront-Alu-Felge, auf die ein 190/50 ZR 17 Metzeler Reifen montiert ist. Schwinge und Stopper sind bewährte Harley-Bauteile. Für mehr Schräglage sorgen lange Koni-Federbeine, die Radabdeckung ist wiederum Made by W&F.




Zweifellos handelt es sich bei dem "113er" um einen Wolf im Schafspelz. Mit dem tiefverwurzelten Klischee "Harleys taugen nur was für die Highways" hat dieser Powerhobel nichts mehr zu tun. Der "113er" ist genau das Richtige, um fernöstlichen Superbike-Piloten einen mächtigen Schrecken einzujagen. Denn wer rechnet aus dieser Fraktion schon damit, von einer Harley überholt zu werden. Ganz billig ist der Spaß jedoch nicht, gut 25.000 Euro nehmen W&F einem für den "113er" ab. Als Gegenwert bekommt man ein 2-Liter-Bike, echte 115 PS und Durchzug ohne Ende. Halleluja!




Technische Daten
"W&F "113" 
Modelljahr 1998

Hubraum: 1853 Kubikzentimeter
Bohrung x Hub: 101,6 x 114,3 mm
Leistung: 115 PS bei 6000/min
(am Hinterrad gemessen)
Verdichtung: 10,1:1
Drehmoment: 149 Nm bei 4800/min
Topspeed: 235 km/h
Gewicht: 245 Kilogramm
Preis: 25.000 Euro

Info: 
www.warneke-faust.com

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