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BMW Boxer-Holz-Modell von Hermann Hünemeier

"100-Prozent CO
2-frei"

Motorräder sind aus Stahl, Aluminium und Kunststoff. Im Großen
und Ganzen jedenfalls. Holz als Baumaterial kommt so gut wie nie vor.
Bei dem Boxer-Nachbau von Hermann Hünemeier sind dagegen die
Grundwerkstoffe Eichenholz, Fichtenbretter und Weidenzweige.
Genau genommen ist das ganze BMW-Modell aus Holz.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Genuss-Tourer:
Hermann Hünemeier mit seiner BMW R1200RT im Sauerland


Fürstenberg im Ferienland Waldeck ist ein idyllischer Erholungsort. Im Sommer ist Nordic Walking und im Winter Skisport angesagt. Meistens jedenfalls. Bis in die Sauerland-Hochburg Winterberg ist es nur ein Katzensprung. Die Gegend wird auch gerne als das "Land der 1000 Berge" bezeichnet. In dem Mittelgebirge zwischen Nordrhein-Westfalen und Nordhessen gibt es unendlich viele kleine verwinkelte Sträßchen. Mal geht es rechtsherum, mal linksherum, auch bergauf und bergab kommen nicht zu kurz. Ein wahres Eldorado für Motorradfahrer. Ein Geheimtipp ist das Sauerland allerdings schon lange nicht mehr. Weder für die Biker aus dem benachbarten Ruhrgebiet, noch für die aus Holland. Die Motorrad-Touristen mit den kleinen gelben Nummernschildern von der Nordseeküste haben ein großes Faible für die bergige und waldreiche Region. Schließlich gibt es solch eine Landschaft nicht bei ihnen.



Meister des Holzes: Hermann Hünemeier


Hermann Hünemeier lacht verschmitzt und lässt wissen: "Eigentlich haben Holz und Motorräder nicht viel miteinander zu tun. Bis ich auf die Idee kam, mir meine Traummaschine aus diesem Werkstoff zu bauen." Den sympathischen Ruheständler könnte man getrost auch als "Holzwurm" bezeichnen. Eben als einen Hobby-Bastler, der das Geschick besitzt, fast alles aus diesem natürlichen Material zu schnitzen oder zusammenzuleimen, was ihm gerade in den Sinn kommt. Das können Regale, Schränke, Vogelhäuschen, Spielkästen oder eben eine Boxer-BMW sein.

Die Idee für die Schnitzerei war dem Fürstenberger Mitte 2007 bei einer Tour mit den Enser-Motorradfreunden gekommen. Einer Clique aus der Nachbarschaft, mit der der Wiedereinsteiger einige Male im Jahr auf Achse ist. Seit 2002 fährt Hermann Hünemeier, Jahrgang 1943, wieder leidenschaftlich Motorrad. Zunächst mit einer Honda Pan European, und seit 2007 ist er stolzer Besitzer einer BMW R1200RT. Die Boxer-Maschinen von BMW waren schon in seinen Sturm- und Drang-Zweiradzeiten seine Favoriten. Doch Ende der 1960er Jahre, als Beruf, Familie und Hausbau im Lebensmittelpunkt standen, war an den Kauf des damaligen BMW-Topsellers R75/5 überhaupt nicht zu denken.



Boxerfan: Hermann Hünemeier


Irgendwo bei besagtem Ausflug im Harz war während einer Kaffeepause sein Blick auf eine niedliche, hölzerne Motorradschaukel für Kinder gefallen. Und schon stand sein Vorhaben fest, sein Traummotorrad wollte er als Holzmodell im Maßstab 1:1 nachbauen. Diese Idee behielt er natürlich nicht für sich, doch seine Motorradfreunde verstanden es als Spaß und meinten nur, "Hermann, Du machst das schon".
"Lacht ihr nur", dachte sich Hermann Hünemeier, im Geiste stand sein Modell schon fertig vor ihm. Doch bevor es losging, brauchte der Freizeit-Schreiner zunächst eine BMW R75/5 zum "abkupfern". Bei Manfred Scholl, ein Motorradspezialist im Nachbarort Buchenberg, parkte genau solch eine Maschine in der Werkstatt. Es wurden von der rechten und linken Seite Fotos gemacht und während der späteren Bauzeit half BMW-Kenner Scholl immer wieder bei technischen Fragen.


Als Baumaterial dienen Fichtenholz, Eichenbretter und Weidenzweige

 


Mitte 2007 legte der Sauerländer los. Sein gut eingerichteter Bastelkeller kann sich sehen lassen. Zwei Werkbänke zur Holzbearbeitung, Hobelbank, Fräse, Standbohrmaschine, Tischsäge, Schleifband sowie alle erforderlichen Werkzeuge haben ihren Platz. "Eigentlich wollte ich Tischler oder Schreiner werden. Doch meine Eltern waren der Meinung, dass den metallverarbeitenden Berufen die Zukunft gehört, und so machte ich Ende der 1950er Jahre eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Die damals gelernten handwerklichen Kenntnisse kommen mir bei meinem Hobby sehr zu Nutze. Sei es beim Umgang mit Messwerkzeugen, die Handhabung meiner Holzbearbeitungsmaschinen oder genaues Arbeiten. Metall war für mich immer ein kalter Werkstoff, Holz dagegen ist ein warmer Stoff. Holz fühlt sich anders an, lässt sich anders bearbeiten und verarbeiten", begründet Hermann Hünemeier seine Faszination für den grünen Rohstoff.



Im wahrsten Sinn des Wortes flogen in den nächsten Wochen ordentlich die Späne. Hermann Hünemeier war in seinem Element, es wurde gesägt, gedrechselt, gehobelt, verleimt und geschliffen. Um Nachschub brauchte sich der Konstrukteur keine Sorgen zu machen. Die gut abgelagerten Holzvorräte lagen gleich nebenan griffbereit im Regal. Nacheinander entstanden Räder, Gabel, vordere Radabdeckung, Schwinge und die Federbeine. "Am meisten Zeit verbrachte ich mit dem Motorblock. Zylinder, Zündkerzen, Ansaugstutzen und Auspuffkrümmer mussten als Einzellteile angefertigt und genau angepasst werden", verrät der Bastler.



Hermann und Elsbeth Hünemeier


Große Toleranz brachte in dieser Zeit seine Frau Elsbeth, die für das Biker-freundliche Gästehaus verantwortlich ist, auf und erinnert sich: "Lange brauchte ich nach meinem Hermann nicht zu suchen. In den meisten Fällen steckte er in seinem Bastelkeller. Nur wenn ich ihn zwei, drei Mal zu den Mahlzeiten rufen musste, war für mich der Spaß vorbei."
Inzwischen hängt der Haussegen längst wieder im Lot. Nach gut einem dreiviertel Jahr emsigen Schaffens war im Frühjahr 2008 das Werk vollendet. Nicht nur in seinem Freunde- und Bekanntenkreis hatte sich mittlerweile seine Leistung herumgesprochen: "Leute, die ich überhaupt nicht kenne, rufen bei uns an und fragen, ob sie sich mal mein BMW-Holzmodell ansehen dürften. Die örtliche Presse war schon da und der Hessische Rundfunk brachte einen Beitrag im Radio."



Technorama im Frühjahr 2009


Mit soviel Anerkennung hatte der Fürstenberger nicht gerechnet. Das größte Kompliment für ihn war aber die Einladung zur Technorama im Frühjahr 2009 in Kassel. Inmitten ausgewählter Oldtimer konnte er sein Holzmodell präsentieren. Das Interesse war überwältigend, ihm wurden regelrecht Löcher in den Bauch gefragt. Auch wollten etliche wissen, ob er noch andere Modelle hätte und ob er das gute Stück auch verkaufen würde. „Aus Spaß habe ich dann einfach mit ja geantwortet und 15.000 Euro als Preis genannt. Schließlich kostet eine neue BMW R1200R fast auch so viel. Zwar hat mir keiner meinen Nachbau abgekauft, es hat sich aber auch keiner über meine Wertvorstellung beschwert“, erinnert sich Hermann Hünemeier gerne an die Oldtimer-Messe in Kassel.
Nun wäre der Bericht hier eigentlich zu Ende. Was jedenfalls das Boxer-Modell betrifft. Der Schaffensdrang von Holzwurm Hermann Hünemeier hat sich damit allerdings noch lange nicht gelegt. Sein neuestes Werk ist ein klassisches Fahrrad im Stil der 1950er Jahre. Doch das ist wiederum eine andere Geschichte.



Adresse:

Gästehaus Hünemeier
Trossweg 8
35104 Lichtenfels-Fürstenberg
www.Hünemeier.de


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