Fahrberichte


Eine BMW-Studie im Frühjahr 2002:
In Zusammenarbeit mit WÜDO, Nico Bakker und BMW-Kassel

"Co-Produktion"

Sie wirkt stark und mächtig. Ist sie auch.
1200 Kubik, 110 PS und so wie früher:
Pur mit Technik zum Durchgucken.
Keine Verkleidung, kein Plastikgeraffele.
Gestatten K-PUR: Ich war mal eine K 1200 RS.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Stellen wir uns vor, am nächsten Wochenende wäre die "Intermot" in München. Gut gelaunt und mit einem sicheren Bankkonto im Rücken ließe sich auf "Bike-Schau" gehen. Nach Erfahrungen mit heißen Supersportlern, hochbeinigen Enduros und zuletzt mit einem gemütlichen Cruiser stehen die Vorstellungen für das neue Traumbike schon fest. Es soll ein großes und starkes Bike sein. Schnell genug, damit man könnte, wenn man mal wollte, aber das Wichtigste wäre die Sitzposition: Kommod, aufrecht Platz genommen, die Nase im Wind. So wie damals, als man 1973 zum ersten Mal auf der Kawasaki Z 900, der berühmt berüchtigten "Z1", saß.

Solche Maschinen gibt es inzwischen längst wieder und noch dazu technisch up-to-date. Von Honda, Yamaha, Suzuki, Kawasaki, Ducati, Triumph oder wie sie alle heißen. Man nennt sie landläufig Naked-Bikes. Doch bei keiner der angepriesenen Fahrmaschinen springt der Funke über. Nichts fürs Auge, nichts fürs Herz. Und da steht sie plötzlich: die K-PUR. Auf den ersten Blick denkt man, es ist eine Honda X-Eleven oder eine Münch Mammut. Doch alles falsch, es ist eine, oder besser gesagt, es war eine BMW K 1200 RS. Etwas Vergleichbares hat man zuvor noch nie gesehen. Wau! Die haut einen um, das isses!

 






Ein schöner Traum. Bernd Scherer, Leiter des Motorradzentrums in der BMW-Niederlassung in Kassel, lacht: "Bis zur Intermot im Herbst hatten wir keine Lust zu warten. Und ob BMW jemals solch eine Maschine bringen wird, ist sowieso fraglich. Also haben wir unsere Vision vom Power-Naked-Bike selbst verwirklicht."

 


Warum ausgerechnet eine K 1200 RS ausgewählt wurde, ist schnell erzählt. Als Mann vom Fach erlebt Bernd Scherer immer wieder, wie die Meinungen über die BMW Modelle auseinander gehen. Was ihn allerdings mächtig wurmt, sind manchmal die Ansichten über die K-Baureihe, die auch schon mal mit dem Porsche 928 verglichen wird. Porschefahrer wollen schließlich keinen Familiensportler, sondern den 911 und BMW Fahrer eine Boxer-Maschine. Doch dabei wird schnell vergessen, dass BMW mit Sicherheit nicht die Motorradmarke geworden wäre, die sie heute ist, hätten die Münchner 1983 nicht den Mut zur neuen Vierzylinder-Maschine gehabt.
"Mit der K-Serie hat BMW damals ohne wenn und aber weiterhin den Willen zum Motorrad gezeigt, und mit dem neuen Vierzylinder-Einspritzmotor hat man eindrucksvoll Fachkompetenz demonstriert", betont Bernd Scherer und fügt gleich hinzu "ohne die K-Baureihe würde es wohl kaum die Vierventil-Boxer Modelle geben. Aus einem Flat-Twin lässt sich jedoch kaum solch ein Power-Bike auf die Räder stellen. Beeinflusst wurde die Entscheidung für das K-PUR Projekt auch durch das tägliche Verkaufsgeschäft. Die Leute wollen große Motorräder, der Trend zum leistungsstarken Big-Bike ist ungebrochen."




Bei der Studie "K-PUR" kam es dem Kasseler BMW Experten aber nicht auf maximale Spitzenleistung an. In erster Linie ging es ihm um eine ausgewogene Fahrbarkeit mit ordentlich Bums aus dem Keller und kräftigen Durchzug im mittleren Drehzahlbereich und eine guten Sitzposition. Und da bekanntlich das Auge mit fährt, galt es natürlich auch die Optik zu verändern. Verkleidung, Lenker und Sitzbank wanderten ins Gebrauchtteilelager.




Was sich im ersten Moment wie ein Rundumschlag anhört, sind ganz gezielte Modifikationen. Für die geänderte Motorcharakteristik hat Bernd Scherer ins Teilelager der K 1200 LT gegriffen. Nockenwellen, Ansaugstutzen und Drosselklappen stammen vom Langstreckentourer. Mit diesen Tricks liegt die Motorleistung nun bei 110 PS bei 7000/min und das maximale Drehmoment von 120 Nm wird schon bei 4500/min erreicht. Damit war das gewünschte Ziel erreicht, genug Schmackes für ein Motorrad in seiner Ursprünglichkeit ohne Wind- und Wetterschutz, oder neudeutsch: Power for a Naked-Bike. Der Rest von der Triebwerkstechnik, Motormanagement, Sechsganggetriebe und Hinterachsantrieb, blieb original K 1200 RS.




Bei den weiteren Komponenten kooperierte Scherer mit Benni Wilbers, er lieferte vorderes und hinteres Federbein, WÜDO steuerte neben brauchbaren Ideen die aus Alu CNC-gefrästen Instrumentenhalter und den Superbike-Lenker bei, Scheinwerfer und Blinker stammen vom BMW Cruiser.
Eine handwerkliche Meisterleistung ist der nach Bernd Scherers Vorgaben von Nico Bakker handgedengelte 35-Liter-Alutank, in dem über 120 Arbeitsstunden stecken. Ebenfalls per Hand und aus Aluminium wurden die rechts- und linksseitigen Kühlerverkleidungen gefertigt. 

"Das als Rohling von Nico Bakker gelieferte Spritfass war bereits so perfekt, dass nur noch ganz wenig Schleifarbeit vor der eigentlichen Lackierung notwendig war. Als Grundfarbe entschieden wir uns für Racing-Silber mit BMW-Rot", verrät Bernd Scherer. 



 

Mit dem Know How von Bernd Scherers Bekannten entstand in Kassel die selbsttragende Heck-Sitzbank-Kombination aus Kohlefaser. In dem nur knapp 2,5 kg schweren Einpersonen-Heckteil ist ein 12 Liter Staufach, das Platz für die Batterie sowie Halterungen für Kühl- und Bremsflüssigkeitsbehälter bietet, untergebracht, das Unterteil fungiert gleichzeitig als Radabdeckung.




Im Fahrbetrieb überrascht die K-PUR durch einfaches Handling und dank Superbike-Lenker durch eine angenehme, aufrechte Sitzposition und dem Gefühl „in der Maschine" zu sitzen. Seidenweich brobbelt das Vierzylinder-Triebwerk vibrationsfrei, kraftvoll und mit typischem K-Sound unterm Tank. Die Leistungsentfaltung kann überzeugen, schon aus niedrigen Drehzahlen schiebt die K-Pur nachhaltig vorwärts. Im großen Gang auf der Landstraße unterwegs, bestimmt man mit dem Gasgriff die Gangart, nervöses Rauf- und Runterschalten ist nicht erforderlich. Das vermittelt nicht nur, sondern überträgt geradezu eine relaxte Fahrweise auf den Piloten. Dass dabei der Fahrtwind ein unbestechlicher Parameter zur Geschwindigkeit darstellt, ist mit Absicht so gewollt und gehört zum festen Typus eines Naked-Bikes. 

 


Und wie es mit Träumen nun mal so ist, wird es die 25000 Euro kostbare K-PUR nur ein einziges Mal geben. Es ist und bleibt eine Studie, ein Einzelstück. "Mit diesem Bike wollen wir unserer Kundschaft einfach zeigen, was sich mit etwas Phantasie aus einem K-Modell machen lässt", bringt es Bernd Scherer auf den Punkt.


Technische Daten

Modell:
K-PUR (Basis BMW K 1200 RS, Baujahr 2001)

 

Preis:
25 000 Euro (Einzelstück)

Leistung:
110 PS (81,5 kW) bei 7000/min, max. Drehmoment 130 Nm bei 4500/min

Motor:
Viertakt-Vierzylindermotor. Vier Ventile, zwei obenliegende Nockenwellen
von der K1200LT, flüssigkeitsgekühlt. Bohrung x Hub 70,5 x 75 mm, Hubraum 1171 ccm. Elektronische Benzineinspritzung mit Drosselklappen und Ansaugstutzen von der K 1200 LT, geregelter Dreiwege-Katalysator, digitale Zündung, Elektrostarter. Sechsganggetriebe, Kardanantrieb

Fahrwerk:
LM-Kastenprofil, vorne Telelever-Gabel, hinten LM-Einarmschwinge
jeweils mit Wilbers- Federbeinen. Räder vorn und hinten in 17 Zoll, Bridgestone Bereifung vorne 120/70 ZR 17, hinten 170/60 ZR 17. Vorne Doppelscheibenbremse, Ø 320 mm, hinten Scheibenbremse Ø 285 mm, ABS. Sitzhöhe 780 mm, Gewicht vollgetankt 275 kg. Tankinhalt 35 Liter. 

Extras:
Scheinwerfer und modifizierte Blinker vom BMW Cruiser,
Halterung für die original RS-Instrumente aus Aluminium CNC gefräst, Wüdo-Superbikelenker, selbsttragende Einmann-Sitzbank-Rahmenheck-Kombination aus Kohlefaser mit 12 Liter Staufach, handgedängelter Nico Bakker 35-Liter-Alu-Tank, Lackierung Racing-Silber mit BMW-Rot  

Adresse:
BMW Niederlassung Kassel
Scharnhorststraße 14
34125 Kassel
Tel.: 0561 - 57000179
Fax: 0561 - 75000221


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