Fahrberichte


Doppelfahrbericht Honda CBR 900 RR von 1999 und 2000

"Millennium-Bike"

Anfang der Neunziger war die Welt noch in Ordnung. Es gab 600er
Super-Sportler und 750er Super-Bikes. Alles darüber waren dicke
Big-Bikes. Doch dann kam plötzlich die Honda CBR900RR Fireblade.
Stark wie eine 1200er, aber leicht wie eine 600er und auf einmal sprach
die Szene nur noch vom "Power-Sportler". Eine Geschichte, die auch
im Jahr 2000 weiterhin ungemein spannend ist.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Honda



In der schnelllebigen Zeit der Bits und Bytes sind acht Jahre eine verdammte Ewigkeit. Und genau so lange schon gibt es die Honda CBR 900 RR Fireblade. Sie hat Geschichte geschrieben, Lifestyle-mäßig ist sie allerdings steinalt. Wie obsolete die RR nun aber tatsächlich ist, zeigte sich bereits 1998 als Yamaha die sensationelle YZF-R1 herausbrachte: 1000 ccm Hubraum, 150 PS stark, fahrfertig knapp 200 kg schwer und gut 270 Sachen schnell.



Leicht, Stark und Schnell: Yamaha R1


Der High-Tech Typus "Power-Sportler" wurde von der R1 mit "Stark wie ein Big-Bike und handlich wie eine 600er" noch einmal vollkommen neu definiert. Dumm an der Sache war nur, dass Honda mit der Fireblade diesen neuen Motorradtyp 1992 schon geschaffen hatte. Als nämlich Honda vor acht Jahren mit der CBR900RR auf den Markt kam, waren Fachwelt und Heizerfraktion geplättet. Mit gut 200 kg lag die 900er in der Gewichtsklasse handelsüblicher 600er Super-Sportler. Das hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Motorräder in der großen Klasse waren in der Regel rund fünf Zentner schwere Maschinen.
Zwar gab es die RR bei uns anfangs nur "offiziell" in der 100-PS-Version, doch kaum ein Fireblade-Treiber ließ es dabei. Der 893-ccm-Motor wurde entdrosselt und schickte dann satte 125 PS ans Hinterrad. Im Fahrbetrieb hielt die Fireblade das abgegebene Versprechen, sie fuhr sich tatsächlich so handlich wie eine 600er, und wer es nicht ständig auf "volle Power" anlegte, konnte mit dem Geschoss sogar problemlos gemütlich touren. Der Motor hatte in jeder Lebenslage genügend Schmackes. Trotz zukunftsweisender Leichtbauweise und modischem Outfit, setzte Honda beim Vorderbau weiterhin auf traditionelle Telegabel und Honda-typisches 16-Zoll-Vorderrad.

 


Vorderrad CBR900RR von 1999

Vorderrad CBR900RR von 2000


D
er Straßenlage machte das natürlich nichts, ganz im Gegenteil, sensibel und feinfühlig ließ sich die RR lenken.

Der zweiten Fireblade-Generation ab 1994 spendierte Honda eine Reihe von Modifikationen, die sich jedoch alle nur auf Detailänderungen bezogen. Im Großen und Ganzen blieb sie die "alte". Erst 1996 gab es entscheidende Veränderungen. Der Hubraum vergrößerte sich von 883 auf 918 ccm, die "offene" Leistung stieg auf 128 PS. Aber auch sonst hatte man an etlichen Stellen Hand angelegt und bei der Lichtmaschine und am Rahmen Gewicht eingespart.


Sauber: Alu-Schweissnähte

2000er Modell: 
Schwingenlagerung am Motorblock


Zwei Jahre später brachte Honda 1998 die vierte RR-Generation auf den Markt.Wieder waren es aber nur gezielte, detailmässige Modifikationen, der Motor leistete jetzt 130 PS das Trockengewicht betrug 180 kg. Dazu zig-Verbesserungen, die man allerdings nur erkannte, wenn man sich top in der Materie auskannte. Längst hatte sich die Fireblade zu einen ausgereiften Straßensportler entwickelt. Sie verfügte über hohe Alltagstauglichkeit und war bestimmt nicht nur für Heizer geeignet.
Das spielerische Handling und das Gefühl "wenn ich wollte, dann könnte ich ja", gab dem RR-Piloten oder Pilotin ein souveränes sowie überlegenes Fahrfeeling.

Schwarz und schnell: Honda CBR900RR Modelljahr 1999

So weit, so gut. Mit der Yamaha R1, aber auch Kawasaki ZX-9R bekam die Fireblade trotz ständiger Modellpflege aber nicht nur eine saustarke Konkurrenz, die beiden Mitbewerber übertrafen den Trendsetter sogar in Fahrleistungen und Kundengunst. Auch kein Wunder. In der Knieschleiferfraktion gibt es schließlich nur eins, was zählt und das ist Power und Speed. Der weltgrößte Motorradhersteller musste sich schleunigst etwas einfallen lassen. Hinter den Kulissen brodelte es und Honda zauberte für das Jahr 2000 einen vollkommen überarbeiteten Power-Sportler aus dem Hut.

 


Vier CBR900RR Generationen

Wie es sich für ein renommiertes Werk gehört, präsentierte Honda das funkelnagelneue Supergerät Mitte Januar auf der Rennstrecke Estoril in Portugal.

 


A
lle waren da, europäische Journalisten, Unmengen japanischer Honda-Techniker und Ingenieure und sogar Tadao Baba, Konstrukteur und Projektleiter der Fireblade. Brennend interessierte Baba-san eine Frage: Was halten die Tester von seiner neuen Fireblade und ist sie besser als die R1?

Wenn es nach den nüchternen technischen Daten geht, ist die Frage mit einen JA eigentlich schnell beantwortet. Mit exakt 929 ccm Hubraum, 151 PS bei 11000/min und nur 170 kg Trockengewicht gibt es im Moment im Power-Sport Bereich einfach nichts Vergleichbares.

 


(Foto: Honda)


Aber längst nicht genug. Erstmalig wurde ein Super-Sportler mit einer Computer gesteuerten Einspritzanlage und gleichzeitig auch noch mit einem geregeltem Dreiwege-Katalysator ausgestattet. Diese Konstellation, Rennsporttechnik und Umweltbewusstsein, ist neu. Da soll noch mal einer sagen, die Japaner hätten den Zeitgeist nicht verstanden. Honda und Baba-san sind jedenfalls stolz auf ihr Werk.

 


Baba-san

Hinsichtlich des Fahrwerkes hat sich auch einiges getan. Der Brückenrahmen aus Alu-Profilen ist um 30 Prozent steifer geworden und erstmalig in der Fireblade-Generation ist die Schwingenaufnahme direkt am Motorblock gelagert. Neu ist auch die Upside-down-Gabel und das 17-Zoll-Vorderrad.  Wollte man alle weiteren Änderungen und Verbesserungen aufzählen, wäre der Bericht selbst nach 10 Seiten noch nicht beendet.


Viel wichtiger für die sehr verehrten Asphaltheizer ist jedoch: wie fährt sich die neue RR überhaupt? Bevor der Zündschlüssel allerdings auf ON gedreht wird, schnell noch ein "Vorwort" des Autors. Rasenmäher, Waschmaschinen und Toaster lassen sich "objektiv" testen und bewerten. Bei Motorrädern ist das aber so eine Sache, geht es dazu auch noch um einen Power-Sportler vom Schlag CBR 900 RR wird die Luft dünn, sehr dünn sogar. Will man das Potential auch nur annähernd ausschöpfen, bleibt im Endeffekt nur die Rennstrecke für den Test übrig. 

Hier stößt man in eine Galaxie vor, die bisher nur den Herrn Superbike-Rennfahrern Carl Fogarty, Aaron Slight oder Colin Edwards vorbehalten war. Für den Tester bedeutet der Ausflug Racing pur, allerdings auch mit ein bisschen Herzklopfen. So jedenfalls die "innere Einstellung" beim Platznehmen, Anlassen und Losfahren.

 


(Foto: Honda)

 

Schnell kommt man allerdings zu der Überzeugung, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Die Sitzposition ist überraschend angenehm, man sitzt nicht Racing-mässig, tiefgebückt und zusammengefaltet, sondern, so möchte man fast meinen sportlich bequem. Der Gedanke, dass man, wenn man nur wollte, mit der Fireblade alles in Grund und Boden fahren könnte, ist plötzlich ganz weit weg. Alles passt, die Füße stehen im richtigen Winkel auf den Fußrasten, bequem lassen sich die Stummellenker erreichen, die Bedienung von Kupplung, Schaltung und Bremsen funktioniert spielerisch leicht.
Sofort erinnert man sich wieder an das Versprechen „handlich wie eine 600er, aber stark wie ein Big Bike". Ohne Kraftanstrengung lässt sich die Fireblade um den Rennkurs dirigieren, die Knie liegen gut am 18-Liter-Tank an, zielgenau fährt sie genau dahin, wohin man will, und das Schöne an der Sache ist, sie macht nicht aggressiv.

 

Und das ist auch gut so. Im Warm-up sollte man es sowieso nicht gleich mit der Brechstange versuchen. Schließlich kennt man das neue Motorrad ja noch nicht und die Rennstrecke ist einem auch fremd. Doch die Eingewöhnung geht recht schnell, schon bald fühlt man sich auf der Fireblade zu Hause. Die Bremspunkte werden später gewählt, man traut sich größere Schräglage zu und auf den kurzen Graden wird der Motor in den Gängen höher gedreht, von Runde zu Runde wird man immer frecher. Was eben noch als gemütlich galt, verwandelt sich zusehend in ein Inferno. Auf einmal befindet man sich am Rande der Galaxie, die Superbike-Rennen heißt. Unbarmherzig schiebt die Fireblade vorwärts, ohne Mucken und Zicken, der Motor schnurrt dabei wie ein Kätzchen, aber mit einer gehörigen Portion Pfeffer im Arsch. Gleichmässig, aber in Bruchteilen einer Sekunde schickt das Triebwerk wie eine Jumbo-Düse seine Kraft ans Hinterrad, bei 11000 Umdrehungen sind es 151 PS, das ist ein Wort.

 

Wer in den unteren Gängen den Motor ausdreht, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Vorderrad ständig irgendwo zwischen Asphalt und Himmel schwebt. Die Cracks nennen so etwas Wheelie. Nun ist Beschleunigung und Speed natürlich nicht alles. Optimal Bremsen will auch geübt sein und hier ist die RR ein guter Partner. Der Vorderrad-Stopper verdient das Prädikat „zwei-Finger-Bremse", feinfühlig und ohne Kraftanstrengung lässt er sich selbst aus hoher Geschwindigkeit tadellos dosieren. Unbeirrt zeigt sich das Fahrwerk, es liegt satt auf der Fahrbahn, Bodenwellen werden einfach glattgebügelt. Mit spazierenfahren hat das Ganze allerdings schon längst nichts mehr zu tun, aber wer will das schon mit einem Power-Sportler? 
Zum Abschluss noch eine Anmerkung. Noch nie waren Motorräder so gut wie heute. Motorleistung, Fahrwerksabstimmung, Bremsverzögerungen und Reifen-Grip lassen kaum noch Wünsche offen. Und wer nicht gerade dummerweise sein Bike in den Acker wirft, dann geht so schnell auch nichts kaputt. Und dennoch gibt es etwas, was mal gesagt, beziehungsweise sogar mal gelobt werden muss. Und das ist die einfache Fahrbarkeit von diesem Wetzhobel. Niemand braucht vor der Fireblade Angst zu haben, man könnte sie sogar Anfängern anvertrauen.


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