Fahrberichte
Fahrbericht Kawasaki 1400GTR
High Performance
Hubraum und Leistung sind
bekanntlich durch nichts zu ersetzen
Dieser Anspruch gilt im Sportbereich, aber auch im Tourensegment.
Das weiß man auch bei
Kawasaki. Der neue Luxusliner 1400GTR hat beides.
Text: Winni
Scheibe
Fotos: Scheibe, Kawasaki
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Auch wenn es den neuen Supertourer nicht in der Kawasaki-Hausfarbe grün
gibt, in Schwarz
oder Silber macht sie sich auch gut und bei den Fahrleistungen kommt so
schnell keiner mit
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Die Hausfarbe von Kawasaki ist grün.
Allerdings nicht das klassische britisch Racing-Green, sondern eher ein
aggressives Giftgrün. Und das mit Absicht. Das Kawa-Grün steht nämlich
für Power, Speed und Sportlichkeit. Die Farbe steht allerdings auch für
die Firmenphilosophie. Kawasaki Bikes sind nämlich meist einen Tick
stärker und schneller als die der Mitbewerber. Bei den Sportmaschinen
sowieso und im Tourenbereich mit der brandneuen 1400GTR jetzt auch. Mit
einer Leistung von 155 PS und über 250 km/h Spitze ist das
Touren-Flaggschiff momentan in ihrer Kategorie das Maß der Dinge. Da
kann weder die 116 PS starke BMW K1200LT, noch die Yamaha FJR1300 mit
144 PS, noch Hondas Pan European mit ihren 126 PS mithalten.
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Tourenmaschinen mit
Kardanantrieb haben bei Kawasaki
seit gut 30 Jahren Tradition
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Ex-GP-Pilot Peter Frohnmeyer treibt die
Kawasaki Z1300 gekonnt um die Ecke |
Das Power-Image zieht sich wie ein roter, oh
Pardon, wie ein grüner Faden durch die Kawasaki Firmengeschichte. Dabei
waren es längst nicht immer die pfeilschnellen Sportmaschinen, die unter
den Motorradfahrern für Aufregung sorgten. Bereits vor rund 30 Jahren
brachte der japanische Hersteller 1978 die 120 PS starke Z1300 mit
Kardanantrieb auf den Markt. Das gut 330 kg schwere Sechszylinder-Bike
wurde damals als Sporttourer bezeichnet und dass sich mit ihr
tatsächlich flott um die Ecke biegen ließ, beweist die Aufnahme mit
Ex-GP-Rennfahrer Peter Frohnmeyer. Durch die freiwillige
Selbstbeschränkung gab es das Power-Bike in Deutschland allerdings nur
mit 99 PS.
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Kawasaki Voyager XII im US-Outfit mit 1200er
Vierzylinder-Triebwerk und Kardanantrieb
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Dazwischen, ab 1979
die Z1000ST - später als Z1100ST, ab 1982 die Z750GT, ab 1983 die
Z550GT, und ab 1986 bis 1994 die 1000GTR, standen immer wieder
Tourensportmaschinen mit Kardanantrieb im Kawasaki Angebot. Soweit zur
Touren-Modellgeschichte.
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Kawasaki Z750GT Kardan-Tourer |

Kawasaki 1000GTR
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Mit der 1400GTR zu neuen Ufern
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On Tour:
Mit der neuen Kawasaki 1400GTR in den Vogesen |
Urlaub,
verreisen, das klingt nach Fernweh, vielleicht auch ein wenig nach
Abenteuer. Besonders dann, wenn es mit dem Motorrad ans Nordkap, nach
Sizilien oder auf die Isle of Man zur "TT" gehen soll. Aber auch die
Vogesen können ein erlebnisreiches Ausflugsziel sein. Das französische
Mittelgebirge liegt direkt neben dem Schwarzwald. Es hat jedoch von
seiner Ursprünglichkeit viel mehr zu bieten. Sind im Schwarzwald die
Straßen mehr oder weniger auf den Verkehrsfluss ausgerichtet, passen
sich die Wegführungen in den Vogesen eher den natürlichen Gegebenheiten
an. Sie winden und schlängeln sich, verlaufen bergauf, bergab, führen
durch dichte Wälder und vorbei an Wiesen und Feldern, ziehen sich quer
durch malerische Orte. Stilvolle Straßencafes und rustikale Restaurants
laden zur Rast ein. Die gelassene französische Mentalität überträgt sich
fast schon automatisch auf den Reisenden, Stress und Hektik sind schnell
vergessen. Daran kann selbst das Wetter nichts ändern. Im Vergleich zum
Schwarzwald herrscht in dieser Region ein etwas raueres Klima. Es regnet
öfter und selbst im Sommer kann es in den Höhenlagen frisch werden.
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Kurfensurfen über die "Route des Crétes"
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Nach einem reichlichen Frühstück im Hotel "Hostellerie
des Chateaux" in Ottrott stehe ich auf dem "Grand Ballon", mit 1424
Meter Höhe der höchste Berg in den Vogesen und genieße den Blick in eine
grandiose Landschaft. Der hier vorbeiführende Streckenabschnitt "Route
des Crétes" zählt zu einem der schönsten in der Gegend. In Reiseführern
wird die beliebte Touristenstrecke auch für Motorradfahrer empfohlen.
Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
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Schon gleich nach
dem Start mit der neuen Kawasaki 1400GTR in Ottrott hat sich ein
vertrautes Wohlgefühl eingestellt. Von den über 300 kg Maschinengewicht
ist im Fahrbetrieb kaum etwas zu spüren, das Handling ist denkbar
leicht. Ähnlich wie bei einer Sportmaschine liegen die Stummellenker gut
in den Händen. Nur mit dem Unterschied, dass sie nicht tief an der Gabel
angeschraubt sind, sondern sich gut 20 cm über der oberen Gabelbrücke
befinden. So sitzt man aufrecht, tourenmäßig und hat einen guten
Überblick auf der GTR. Was allerdings nicht daran hindert, flott um die
Ecken zu biegen. Wer beim Motorradfahren eine zügige Gangart bevorzugt,
wird sich schnell dabei erwischen, diese Fahrdynamik in vollen Zügen
auszukosten. Wenig Verkehr und ein wundervoller Streckenverlauf laden in
den Vogesen geradezu dazu ein.
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Zwar ist die
Straßenoberfläche ausgesprochen griffig, doch Bitumen-Flickerei, sowie
stellenweise regennasse Fahrbahn, verlangen nach erhöhter Aufmerksamkeit
und einer bewussten Fahrweise. Zielgenau fährt die GTR genau dahin,
wohin man sie haben will, schneidiger Richtungswechsel lässt sich mit
leichtem Lenkimpuls in sportlicher Manie erledigen. Wie souverän die GTR
auf diese Anforderungen reagiert, lässt sich eindrucksvoll auf den
verwinkelten französischen Nebenstraßen erfahren. Verantwortlich für die
satte Straßenlage ist die gut gelungene Grundabstimmung des Fahrwerks,
die sich selbstverständlich aber auch individuell auf die jeweiligen
Fahrerbedürfnisse anpassen lässt, sowie die serienmäßig montierten
Bridgestone BT 021 Reifen. Die Gummis kleben buchstäblich wie Pattex auf
dem Asphalt.
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Monocoque-Rahmen
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Ihre sportlichen Gene braucht und will die neue
GTR nicht zu verheimlichen. Als Basis für das Flaggschiff dient der
Monocoque-Rahmen und der bärenstarke Motor der ZZR1400. Würde man es
nicht wissen, kein Mensch käme darauf, dass der Endantrieb nun über eine
Kardanwelle erfolgt. Kawasaki nennt die neue Hinterradführung mit einem
ausgeklügelten Hebelsystem "Tetra-Lever-Schwinge". Das Baumuster
funktioniert so gut, dass die bekannten Kardanreaktionen - Aufstellen
des Hecks beim Beschleunigen, Einsacken beim Gaswegnehmen - fast
vollständig ausbleiben.
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Anders als vielleicht erwartet, wurde das 190 PS
starke Basis-Triebwerk der ZZR1400 nicht um noch einige weitere PS
zusätzlich aufgestockt, sondern durch gezielte Maßnahmen, wie zum
Beispiel einer variablen Ventilsteuerung, auf 155 PS „abgerundet". Sinn
dieser Übung ist der Wunsch nach einem breiteren Drehzahlband und mehr
Power aus dem Keller. Im Alltag kann sich das Touring-Tuning sehen
lassen. Ab Standgas zieht die GTR vorwärts, schaltfaules Dahinbummeln
steckt sie locker weg und im sechsten Gang lässt sich problemlos durch
Ortschaften cruisen.
Wer will, kann das Triebwerk aber weiterhin lustig drehen lassen. Die
Gänge lassen sich exakt schalten, der sechste Gang ist als Overdrive
ausgelegt.
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Bei der
Ausstattung erwartet den verwöhnten Globetrotter eine vor Wind und
Wetter schützende Vollverkleidung. Die Windschutzscheibe lässt sich via
Stellknopf am linken Lenker in die gewünschte Position regulieren. Zum
weiteren erwähnenswerten Serieninventar gehören ABS, abnehmbare Koffer,
ein neuartiges Zündschloss-Sicherheitssystem sowie Kontrollfunktionen
über den aktuellen Reifenluftdruck.
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Für die Tour bis ans Ende der Welt und für die Spritztour zum
Biker-Treff
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Der Spagat zwischen einem komfortablem Luxustourer
und einem sportlichen Big-Bike ist Kawasaki mit der neuen, 15.742 Euro
teuren, 1400GTR beeindruckend gelungen. Und noch etwas muss man Kawasaki
zugutehalten, die neue GTR vermittelt auch in anderen Bereichen helle
Fahrfreude. Zum Beispiel am Wochenende bei einem Kurztrip zu Freunden,
oder bei einer Spazierfahrt mit der besten Sozia aller Beifahrerinnen
oder am Sonntagmorgen zum Biker-Treff um die Ecke. Bei dieser Spritztour
können die Packtaschen und die Sozia auch mal zu Hause bleiben.
Pünktlich zum Mittagessen ist man ja wieder zurück.
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Kawasaki 1400GTR 100.000-Kilometer-Marathon-Tour
"In 100 Tagen 2½-mal rund um die Welt"
1989 fuhren 43 Braunschweiger Polizeibeamte in 84
Tagen mit der
Kawasaki 1000GTR 100.000 Kilometer. Mit der brandneuen
Kawasaki 1400GTR wollen seit Sonnenaufgang am 28. Juli 2007
50
Polizisten in 100 Tagen 100.000 Kilometer abspulen.
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100.000-km-Orga-Team:
Rudi Müller, Lutz Gebauer, Jürgen Große, Hartmut Marquardt, Robert
Lammers
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Als ich letzten Sommer von der neuen 1400GTR
erfuhr, dachte ich sofort an unseren Langstrecken-Test vor fast 20
Jahren. Damals hatten wir mit der Kawasaki 1000GTR 100.000 km
zurückgelegt. Gleich kam mir die Idee, die Marathonfahrt zu
wiederholen", lässt Rudi Müller, bekennender Motorradfahrer von der
Braunschweiger Polizei und Mitorganisator wissen.
Ähnlich wie bei dem ersten Langstreckentest werden die Fahrer in eine
medizinisch-wissenschaftliche Beobachtung durch die Uni-Hannover und
Sport-Uni Freiburg einbezogen. Auch das ifz nutzt die Gelegenheit für
die Studie "Risikosituationen beim Motorradfahren". Als Schirmherr
konnten die engagierten Polizisten Dr. Hans-Joachim Stelzl,
stellvertretender Vorsitzender der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag
e.V. und Direktor des Deutschen Bundestags, er ist ein bekennender
Motorradfahrer, gewinnen.
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100.000-km-Tester Hartmut Marquardt
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Unterstützt wird der
Härtetest von der deutschen Kawasaki-Niederlassung in Friedrichsdorf,
der Kawasaki-Vertretung Popko in Braunschweig sowie Bridgestone, Shell,
Rukka, Schuberth, Signum und dem Hofbräuhaus Wolters aus Braunschweig. |

Lutz Gebauer vor der Skischanze in Willingen
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Popko-Firmenchef Hans
Lier, genannt „Pauli", für die technische Betreuung zuständig, zieht bei
Kilometerstand 45.171 Zwischenbilanz: „Bisher gab es technisch keine
Probleme, und außer einem leichten Umkipper beim Absteigen gab es auch
noch keine Schleifspuren. Abgesehen von den regelmäßigen Inspektionen
spendieren wir der GTR im Schnitt alle 10.000 km einen Satz neue
Bridgestone BT 021 Reifen. Bei km-Stand 28.985 waren vorne neue
Bremsbeläge fällig und da die Bremsscheiben Riefen zeigten, haben wir
sie aus Sicherheitsgründen gleich mit erneuert."
Spätestens am 3. November 2007 sollen 100.000 km auf dem Tacho der GTR
stehen. Wenn alles so weiter läuft, wäre dieser Extremtest ein guter
Einstieg für die neue GTR. Wir wünschen den Polizisten für den Rest
ihrer Tour weniger Regen und Hals und Beinbruch. |
Kawasaki 1400GTR
TECHNISCHE DATEN
Modelljahr 2008
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MOTOR:
Flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-DOHC-Viertaktreihenmotor, 114 kW {155
PS} bei 8.800/min, max. Drehmoment 136 Nm bei 6.200/min, Hubraum 1.352
ccm, Bohrung und Hub 84,0 x 61,0 mm, Verdichtung 10,7:1, 16 Ventile mit
variabler Ventilsteuerung, Kraftstoffeinspritzung, Digital-Zündung,
E-Starter, Nasssumpf-Schmierung, G-Kat, EURO 3
GETRIEBE:
Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Sechsganggetriebe, Endantrieb über Kardan
RAHMEN:
Monocoque Aluminium-Druckguss-Chassis; vorne 43-mm-Upside-down-Gabel mit
einstellbarer Zugstufendämpfung und Federbasis; hinten
Tetra-Lever-Schwinge, Bottom-Link Uni-Trak mit Gasdruckfederbein,
Zugstufendämpfung stufenlos einstellbar, Federvorspannung voll
einstellbar; Federweg vorne 113 mm, hinten 136 mm; Bereifung vorne
120/70ZR17M/C (58W), hinten 190/50ZR17M/C (73W)
BREMSEN:
vorne 310-mm-Doppelscheibenbremse im Petal-Design, Bremssattel radial
befestigte Vierkolben-Bremssättel, hinten 270-mm-Einzelscheibenbremse
im Petal-Design, Bremssattel zwei Kolben, Zwei-Kreis-ABS
MASSE UND GEWICHTE:
Gesamtlänge 2.270 mm, Gesamtbreite 1.000 mm, Radstand 1.520 mm, Nachlauf
112 mm, Bodenfreiheit 125 mm, Sitzhöhe 815 mm, Trockengewicht 279 kg,
Tankinhalt 22 l
FARBEN:
Neutron Silver
Metallic Diablo Black
PREIS: 15.750 Euro |
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