Fahrberichte


MZ 1000S

Frischer Ostwind

Früher war MZ für knorkige Zweitakt-Motorräder bekannt.
Ab Anfang der 90er Jahre brachte die ostdeutsche Traditionsschmiede agile Einzylinder-Viertakt-Bikes auf den Markt, und ab nächstem Jahr soll die 1000S das Highlight in der Modellpalette werden.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, MZ




Eigentlich ist die neue MZ 1000S schon ein alter Hut. Bereits zur Intermot im Jahr 2000 stand die Sportmaschine aus Zschopau zum ersten Mal auf der Messe. Die nächste Weltpremiere feierte der futuristische Wetzhobel zwei Jahre später, ebenfalls in München auf der Intermot. Inzwischen ist ein weiteres Jahr vergangen und jetzt dürfen sich die Biker endlich auf den 1000er Twin freuen. Laut Versprechen von MZ-Geschäftsführer Petr-Karel Korous soll die erste Lieferung nämlich noch Ende des Jahres bei den MZ-Vertragshändlern stehen.



Toshi "fast" Wakayama

Einen Vorgeschmack auf den neuen Sausewind aus Zschopau konnten sich Mitte November europäische Journalisten und der japanische Kollege Toshi Wakayama bei der Präsentation in den Bergen bei Alicante/Spanien holen.

Gäbe es inzwischen noch nicht die Ducati 999S und eine Studie von der sensationellen KTM RC8 müsste man die Optik der MZ 1000S zunächst als gewöhnungsbedürftig einstufen. Altbekannte Rundungen, außer bei Reifen, Bremsscheiben, Scheinwerfern, Rahmenrohren und Ventilkäppchen, sucht man auf den ersten Blick vergeblich. Mit dem Design der "Kanten und Spitzen" liegt die MZ 1000S nun aber ganz offensichtlich voll im Trend. Für diese Darstellung hat sich MZ mit Absicht entschieden. Mit dem "Leading Edge" Design will, oder besser gesagt, wollte man sich vor drei Jahren ganz bewusst von anderen Sportmaschinen abheben. Ob MZ nun diese Mode eingeleitet oder angeregt hat, oder diese Richtung sowieso gekommen wäre, sei dahingestellt. Beachtenswert ist jedoch die Tatsache, dass die MZ-Macher das "Corner-Finish" von der vorderen Radabdeckung über Verkleidung und Tank bis hin zum Rücklicht konsequent durchgezogen haben.



(Foto: MZ)


(Foto: MZ)


MZ: 1000er Big-Twin
(Foto: MZ)

Bekanntlich werden Motorräder ja aus dem Bauch heraus und nach dem Herzen gekauft. Wie weit sich jedoch die verwöhnten Bikeraugen beim Bewundern dieser Formen aus dem Bauch heraus daran gewöhnen werden, um die "Ecken zu gucken", wird die Zukunft zeigen. Wenn es ans Herz geht, kann die 1000S angeben. Keine andere Sportmaschine wird von so einem großvolumigen Zweizylinder-Reihenmotor befeuert. Dieser Twin mit 180-Grad-Kurbelwelle verspricht Charakter und Eigenständigkeit. Und damit die Vibrationen nicht all zu sehr nerven, hat man dem Triebwerk eine Ausgleichswelle spendiert.


(Foto: MZ)




Soweit die graue Theorie. Im wirklichen Leben stellt sich die MZ als ein großes Motorrad dar. Der Akteur merkt es sofort beim Aufsitzen. Durch den langgezogenen Tank und die Sitzhöhe von 825 mm thront der Chauffeur fast so weit oben wie auf einer ausgewachsenen Reiseenduro. Redewendungen altgedienter Tester wie "im Motorrad sitzen" oder "mit der Maschine verbunden" wollen einem nicht über die Lippen kommen. Der hohe Schwerpunkt verlangt Eingewöhnungszeit.
Im Fahrbetrieb überzeugt die 1000S mit straffer Straßenlage, die Bremsanlage ist über jeden Zweifell erhaben. Das Chassis mit Marzocchi UPD-Gabel und Sachs-Mono-Federbein lässt sich voll einstellen, ein endgültiges Urteil kann jedoch erst nach einem ausführlichem Test abgegeben werden.





Marzocchi UPD-Gabel


Cantilever-Alu-Schwinge
mit Sachs-Zentralfederbein


Bei der Motorcharakteristik scheiden sich die Geister. Wer "Dampf aus dem Keller" erwartet, wird enttäuscht. Erinnerungen an legendäre englische Twins von BSA, Triumph oder Norton werden nicht wach. Ganz im Gegenteil. Der 117-PS-Motor verlangt nach Drehzahl, unter 4000/min geht nichts. Am liebsten hat es der Twin zwischen 7000 bis 9000 Touren. Auf den kurvenreichen Straßen im Hinterland von Alicante wird es einem so nicht langweilig. Um gut vorwärts zu kommen, bleibt die linke Stiefelspitze ständig in Bewegung, das Sechsganggetriebe wird rauf und runter durchgeschaltet. Schnell langgezogene Kurven, gespickt mit kurzen Graden zum Sprinten, ist das Eldorado für den 11.999 Euro teuren Sachsen-Sportler.
Mit der 1000S hat MZ in der fast 100-jährigen Firmengeschichte ein neues Kapitel aufgeschlagen. Auf Muster aus der Vergangenheit kann man nicht zurückblicken, sie gab es noch nicht, die Zukunft wird über den Erfolg entscheiden.







MZ-Team:
Versuchsingenieure Jürgen Meusel, Vertriebsleiter Carl Schmidt,
Geschäftsführer Ramasamy Vasuthewan und Petr-Karel Korous (v.l.n.r.)



Technische Daten
MZ 1000S
Modelljahr 2004


(Foto: MZ)

Motor
Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, wassergekühlt. Vier Ventile pro Zylinder, dohc, eine Ausgleichswelle. Bohrung x Hub 96 x 69 mm, Hubraum 998 ccm, Verdichtung 1:11,5. Leistung 117 PS
(86 kW) bei 9000/min, maximales Drehmoment 95 Nm bei 7000/min (Umrüstung auf versicherungsgünstige 98 PS in Vorbereitung).
Elektronisch gesteuerte Saugrohreinspritzung, zwei G-Kats. 
E.-Starter, Sechsgang-Kassettengetriebe, Endantrieb über Dichtringkette.


(Foto: MZ)

Fahrwerk
Chrom-Molybdän-Doppelrohr-Brückenrahmen (CMDT), Rahmenheck geschraubt. Marzocchi-Upside-Down-Gabel, Zug- und Druckstufendämpfung sowie Federbasis einstellbar, Ø 43 mm, Federweg 120 mm. Hinten Zweiarm-Cantilever-Alu-Schwinge, Sachs-Zentralfederbein,
Zug- und Druckstufendämpfung sowie Federbasis einstellbar, Federweg 120 mm. Bereifung vorn 120/70ZR17, hinten 180/55ZR17. Doppelbremsscheibe vorn Ø 320 mm, Scheibenbremse hinten Ø 243 mm. Lenkkopfwinkel 65 Grad, Radstand 1445 mm, Sitzhöhe 825 mm. Tankinhalt 20 Liter. Leergewicht 210 kg, zulässiges Gesamtgewicht 407 kg.

Beschleunigung von 0 -100 km/h in 3,4 s Höchstgeschwindigkeit 250 km/h

Preis: 11.999 Euro (zuzüglich Liefernebenkosten)

Garantie und Service:
Zwei Jahre ohne Kilometerbegrenzung, Inspektion nach 1.000 km, dann alle 10.000 km.


(Foto: MZ)


(Foto: MZ)



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