Fahrberichte


MZ RT125
Modelljahr 2000


"Black is Back"

Die neue MZ RT125 ist neben Schwarz auch in Rot und Gelb zu haben. Und weil man in Zschopau verdammt stolz auf das erste selbst entwickelte Viertakt-Motorrad ist, wurde nicht nur kräftig gefeiert, sondern auch ausgiebig getestet. Allerdings nicht irgendwann und irgendwo, sondern Mitte Januar 2000 auf der Ferieninsel Mallorca. 

Text&Fotos: Winni Scheibe



Die Wahl hätte kaum besser sein können. In einer Zeit, in der sich bei uns allerhöchstens hartgesottene "Windgesichter" auf die Fahrt zum Elefantentreffen freuen, herrscht bereits Mitte Januar auf der Baleareninsel Mallorca frühlingshaftes Wetter. Doch keine Angst, in diesem Bericht soll es nicht um diverse Abenteuer im berühmt-berüchtigten "Ballermann" gehen, der hatte geschlossen, sondern um die Freude über ein neues MZ Viertakt-Motorrad und das Erlebnis, wie sich mit diesem Hüpfer fahren lässt.

Treffpunkt für die Journalisten aus ganz Europa war das Hotel Nixe Palace, nur ein Katzensprung von Palma de Mallorca gelegen. Eine Nobelherberge, in der man auch Ottfried Fischer, vielen als "der Bulle von Bad Tölz" bekannt, treffen kann. Der stabile Bayer ließ sich spontan auf einer RT 125 fotografieren. Jedoch nur unter einer Bedingung, betonte er ausdrücklich, nur fürs Famlienalbum. Die Verträge mit BMW laufen schließlich noch und die könnten möglicherweise über seinen außerplanmäßigen Werbeauftritt dann sauer sein. Spaß hat die Aktion allen Beteiligten trotzdem gemacht, doch das nur am Rande.

 

Für all diejenigen, die sich unter einer Motorrad-Präsentation wenig vorstellen können, soll an dieser Stelle etwas ausgeholt werden. Neben der offiziellen Pressekonferenz, individueller Interviews mit den Firmenbossen, Konstrukteuren und Technikern und den obligatorischen Testfahrten und Fotoshootings ist die Kontaktpflege zu anderen Teilnehmern ebenfalls sehr wichtig. 
Ein interessantes Gespräch ergab sich mit Fritz W. Egli, seines Zeichens Schweizer MZ-Importeur.




Wird nämlich bei uns über MZ gesprochen, prallen zwei Welten aufeinander. Die eine handelt von der Zeit bis 1990, als MZ im ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaat DDR noch für die Volksmotorisierung sorgte. Es waren robuste Einzylinder-Zweitakt-Motorräder, mit denen damals die DDR-Bürger, vorausgesetzt es ging nicht ausgerechnet Richtung Westen, bis ans Ende der Welt fahren konnte. Für den Import der preisgünstigen MZ Maschinen in die Bundesrepublik Deutschland waren Neckermann und Hein Gericke, um hier nur die beiden Wichtigsten zu nennen, zuständig. Unter den Bikern genoss MZ, um es hier mal diplomatisch zu sagen, einen recht einseitigen Ruf. Einige sprachen abfällig von stinkigen "Zweitakt-Möhren", andere von den Mühlen für "Müsli-Fresser", ebenfalls ironisch gemeint war die gängige Bezeichnung "Sachsen-Harley". 
Nach der Wiedervereinigung gings in Zschopau steil bergab, nur noch wenige wollten das Ossi-Zweitaktgeschoss. Daran änderte auch der Umzug ins benachbarte Hohndorf, die Umfirmierung in MuZ sowie die Fertigung großvolumiger Einzylinder-Motorräder mit Zuliefer-Motoren von Rotax und Yamaha nur wenig. Den Ruf vom Zweitakt-scheppernden und stinkenden MZ-Image konnte der ostdeutsche Motorradhersteller so schnell nicht loswerden. Soweit die weitverbreitete Meinung jedenfalls bei uns. 

MZ-Importeur Fritz W. Egli kennt dieses Problem allerdings nicht. Die sächsischen Zweitakt-Motorräder wurden offiziell ja nie in die Schweiz importiert, die MZ-Zeitrechnung beginnt für ihn erst nach der Wiedervereinigung. Und weil Egli für schnelle Motorräder bekannt ist, braucht es auch nicht weiter zu wundern, dass er sich bald der Viertakt-Singles annahm. Im Schweizer Mono-Cup mischen seine getunten MuZ jedenfalls seit einiger Zeit ganz vorne mit, das Image ist entsprechend gut.

Wie die Geschäftsleitung die Firmenzukunft sieht, brachte Petr-Karel Korous in der Pressekonferenz auf den Punkt. "Erinnerung und Pflege der Firmengeschichte ja, das Modellangebot dagegen zeitgemäß, attraktiv und mit eigener innovativen Viertakt-Technologie ausgestattet", ließ er wissen. Der erste Schritt für dieses Vorhaben war die Umwandlung des Namens von MuZ zurück in MZ im Oktober 1999, frei nach dem Motto "MZ is back!". 

Der zweite Streich ist nun die neue RT125. Bewusst wurde dieser traditionelle Modellnamen gewählt. 




Für alle, die es nicht wissen sollten, die RT 125 war vor rund fünfzig Jahren nicht nur eine der meist gebauten 125er, das robuste gut 5 PS starke Zweitakt-Motorrad wurde sogar weltweit kopiert, von Harley-Davidson, BSA und selbst von Yamaha. 
Diese Vergangenheit verpflichtet natürlich, nur, die neue RT125 hat mit der Ur-RT125 außer dem Namen nichts gemeinsam. Erstmalig in der Firmengeschichte wurde nämlich in der MZ-Engineering in Hohndorf ein Viertaktmotor entwickelt.
Leiter dieses Projektes ist Jürgen Meusel. "Der Startschuss fiel Ende 1997. Bereits Mitte 1998 lief der Motor erstmalig auf dem Prüfstand, parallel dazu entstand das Fahrwerk und schon im Herbst 1998 konnten geheime Fahrversuche im Erzgebirge durchgeführt werden", verrät
Jürgen Meusel nicht ohne Stolz. Bevor es allerdings so weit war, lief das Triebwerk gut 3000 Stunden auf dem Motorenprüfstand und das Fahrwerk musste über gut 2000 Stunden auf einem speziellen servohydraulischen Prüfstand seine Betriebsfestigkeit unter Beweis stellen. 




Im Vergleich zu modernen japanischen Mustern braucht sich der neue wassergekühlte MZ-Motor keineswegs zu verstecken. Den Antrieb der beiden obenliegenden Nockenwellen übernimmt eine Zahnkette, die vier Ventile werden über Tassenstössel betätigt. Damit die Vibrationen des Einzylinder-Triebwerkes erträglich bleiben, spendierten die Techniker eine Ausgleichswelle, für problemloses Anspringen sorgt ein elektrischer Anlasser. Der 124 ccm Motor leistet 11 kW bei 9000/min, ein Sechsganggetriebe schafft die Power ans Hinterrad. 
Soweit Hintergrundinformation und blanke Theorie. Mit der neuen RT 125 wendet sich MZ nun ein für alle Mal von der Zweitakt-Generation ab. Das Herz vom Leichtkraftrad ist ein moderner Viertakt-Single. Kompakt und wunderschön anzusehen. Technikfreaks erkennen sofort die DOHC-Bauweise, das verspricht gute Leistungsausbeute und Drehzahlfestigkeit. Ein kurzer Druck auf den Anlasserknopf und schon surrt der Motor munter los, nimmt spontan Gas an, der Auspuffton klingt scharf. 




Die Sitzhöhe ist mit 770 mm absichtlich niedrig ausgefallen. Auch kleine Personen erreichen beim Rangieren, Anfahren und Stoppen sicher mit beiden Stiefeln den Asphalt. Dieses gute Gefühl bleibt bei der weiteren Testfahrt erhalten. Ein großes Lob erhält die Sitzposition. Der Lenker liegt cool in den Händen, man sitzt aufrecht, "die Nase sozusagen im Wind", auf dem kleinen Ballermann. Schnell hat man allerdings spitz, dass der Einzylinder doch kein „Dampfhammer" ist, sondern seine eigentliche Leistung erst über die Drehzahl abgibt.
Unterhalb von 6000 Touren tut sich nämlich nicht viel. Also wird der Motor ordentlich gedreht, schaden tuts offensichtlich nicht. Auf diese Motorencharakteristik ist das Sechsganggetriebe abgestimmt, langweilig wird es der Kupplungshand und dem Schaltfuß jedenfalls nicht. Auf der kurvigen und bergigen Küstenstraße im Süd-Westen von Mallorca zeigt sich die RT125 in ihrem Element. 




Auf dem verwinkelten Sträßchen kann man mit der RT richtig räubern. Die Maschine liegt satt auf der Straße, Gabel- und Federbein-Abstimmung zeigen sich gelungen. Auch das Fahrwerk zeigt sich auf den teilweise schlechten Streckenabschnitten nicht überfordert, zielgenau lässt sich die MZ um die Kurven dirigieren, der Geradeauslauf geht ebenfalls in Ordnung.

 

Die vordere Scheibenbremse entspricht den heutigen Forderungen einer "zwei Finger-Bremse", sie lässt sich ohne großen Kraftaufwand gefühlvoll dosieren.
Bei der Reifengröße hat MZ ebenfalls nichts anbrennen lassen, der vordere 110/70-17 und hintere 130/70-17 Pneu geben der RT nicht nur ein bulliges Aussehen, die breiten Schlappen lassen selbst in beachtlicher Schräglage keinen Zweifel am sicheren Grip aufkommen.


Bei soviel Lob für ein funkelnagelneues Bike stellt sich natürlich auch gleich die Frage nach dem Haar in der Suppe. Über den Preis lässt sich nicht meckern. Mit 6490 Mark liegt das Einsteiger-Bike sogar unter dem Niveau der Mitbewerber. 
Und trotzdem, irgendwie will "der Funke" nicht überspringen. Technisch ist das Motorrad wirklich gut gelungen, man steigt ab, sagt OK, das wars. Man denkt darüber nach was fehlt und kommt automatisch zu dem Schluss, nichts reist einen vom Hocker. Damit wir uns aber richtig verstehen, hier ist nur die Optik gemeint. Die RT ist weder ein agiles Sportbike, noch ein fetziges Funbike, mit einem Streetfighter hat es auch nichts zu tun, Ansätze für einen Chopper, Cruiser oder gar Offroad-Bike sucht man ebenfalls vergeblich. Was bleibt, ist ein braves und biederes Leichtkraftrad, so richtig vernünftig. Wenn man es hegt und pflegt, hält der Flitzer bestimmt eine Ewigkeit. 




Und hier stellt sich die Frage: will die heutige Kundschaft das überhaupt? Andere Produkte machen uns das jeden Tag vor: das Auge kauft schließlich mit. 
Auf diesen Einwand hat Petr-Karel Korous sofort eine Antwort. "Mit der RT125 wollen wir unter anderem auch diejenigen ansprechen, die nach Erfahrungen mit einem minderwertigen Fahrzeug nun etwas Höherwertiges kaufen und fahren wollen", beschreibt der MZ-Geschäftsführer die Philosophie. 


Wir wünschen ihm bei diesem Vorhaben viel Glück.


Text-Archiv: Fahrberichte


Home