Fahrerlebnis |
Triumph 675 Street Triple R
Modelljahr 2010
Der wilde Zopf…
Motorrad fahren hält jung. Keine Frage. Man könnte aber auch
sagen Männer
werden nie erwachsen. Vielleicht ist es auch von der Natur nur so
gewollt, dass
Kerle einem Blondzopf automatisch hinterher gucken. Was dabei heraus
kommt,
erleben erfahrene Windgesichter allerdings nicht jeden Tag.
Text&Fotos: Wolfgang Fromm
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Wenn die Sonne scheint, noch Benzin im Tank ist,
und der Bikertreff mit einem Cappuccino lockt, dann ist die Welt in
Ordnung für meinen Kumpel Dietmar und mich. Bis es schlagartig mit der
Genusstour vorbei ist! Nicht, dass es ungewohnt ist, dass wir
überholt werden, aber von einem blonden Zopfträger? Das hat was, was die
Neugier weckt. Also dann wollen wir mal sehen, was unter dem Hut steckt.
Nicht leicht die Übung, aber der Gegenverkehr hilft uns. Cool die flotte
Gangart durchgesetzt und schon ist der Zopf wieder hinter uns. Bis zur
nächsten langen Geraden. Dann verbietet uns der Anstand dem fliegenden
Zopf Paroli zu bieten. Oder ist es nur die Erkenntnis, dass uns der
Führerschein wichtiger ist als eine flüchtige Begegnung mit hohem
Aufmerksamkeitspotential? Tatsächlich verhilft uns die Verkehrslage zu
einer Wiederholung des Coups. Aus der Spitzenposition biegen wir auf den
Parkplatz des gut besuchten Bikercafés "Fährhaus am Diemelsee". Zum
Erstaunen oder besser gesagt zur Enttäuschung bleibt die Begegnung
flüchtig, denn auf einen Boxenstopp scheint der Zopf nicht eingestellt
zu sein.
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Bikercafé "Fährhaus" am Diemelsee
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Mit
enttäuschter Mine rühren wir in unserem Cappuccino und rätseln über
die Begegnung. War es nur Trick mit dem Warten im "Traffic jam" um
uns wieder aufschliessen zu lassen. Hat das BKA verdeckte Ermittler
auf uns angesetzt, die mal prüfen sollen, wie charakterfest (los)
wir sind? Dann wäre der Zopf ja auch
nicht echt gewesen. Oder läuft jetzt hier
ein Kerl rum, der frech in seinen Helm
grinst und einen Zopf unter der Lederjacke versteckt hält? |
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Der "Kerl" mit dem Zopf ist Zanina
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Dietmar lässt mir die
Kaffeetasse fast aus der Hand fallen, als er am nächsten Tag via Handy
aus seinem Büro anruft und mir mitteilt, dass der Zopf wahrscheinlich in
seiner Firma arbeitet. Hey, eine Frau die richtig die Hand am Gas hat?
Wir haben doch noch die neue Triumph Street Triple R im Testpark zum
Fotografieren stehen. Mit der Telefonnummer in der Hand beginnt Teil
zwei der Geschichte mit dem Zopf. Tage später und schon rollt eine
Yamaha YZF-R6 auf den Hof. War der Zopf nicht länger, der Sausewind
nicht irgendwie kräftiger?
Egal, mir strahlt ein freundliches Lächeln entgegen und auch die Triumph
gewinnt sofort ihr Vertrauen.
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Zanina auf der Triumph Street Triple
R
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Schon nach wenigen Kilometern ist Zanina, so heißt der
wilde Zopf, kaum noch zu halten, denn an unseren Fotostellen müssen
einige Einstellungen mehrfach durchgearbeitet werden. Aber ich brauche
mir über Geschwindigkeit und Schräglage keine Gedanken zu machen. Eher
über die Triumph, die möchte ich eigentlich heil wiederhaben.
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Dietmar und Zanina im Benzingespräche
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Dann beim Kaffee erzählt Zanina, dass sie auf Streetfighter steht. Die
Begeisterung ist ihr anzumerken, denn sie schwärmt von der Street Triple.
Da hat sie nicht viele Kilometer Eingewöhnung gebraucht, das kaum 180 kg
schwere Motorrad passt auf Anhieb. Auch die Bedenken über die 805 mm
Sitzhöhe sind fortgeblasen. Wendig und leicht waren die geforderten
Manöver auf der Straße und das mehrfache Wenden an den "Fotoecken" zu
absolvieren. Die 106 PS Motorleistung reicht ihr völlig aus, da der
Motor dreht wie eine Turbine. Die Leistung steht über ein breites
Drehzahlband zur Verfügung und wenn bei Ortsdurchfahrt mal im großen
Gang gebummelt wird, dann zieht auch hier der 675er Triple ohne zu
ruckeln deutlich an. "Sechs Gänge stehen zur Verfügung", lacht sie,
"aber eigentlich reichen für den Straßenkampf zwei aus. Denn der zweite
dreht locker bis 150 Sachen an den roten Bereich heran und dann kann man
noch viermal schalten." Auf die Frage, was ihr weniger gefällt, bleibt
nur der Hinweis auf ein kleines Staufach irgendwo, unter der Sitzbank,
im Pürzel oder sonstwo, denn ihre Papiere oder eine
Plastik-Tüten-Regenkombi hätte Zanina schon gern auf den Touren dabei.
Denn bei aller Liebe zum Kaffee, sie will auch fahren und zur großen
Freiheit gehört bei ihr auch mal der Trip ohne Rucksack oder "Backpack"
dazu. Verliebt schaut sie sich die Triumph an. Die geduckte, zum Sprung
bereite Figur gefallen ihr, aber auch der Sound der Auspuffanlage machen
an. |
Bikercafé "Fährhaus" am Diemelsee
"sehen und gesehen werden"
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Wir bummeln durch die Reihen der abgestellten Motorräder. Nichts,
aber auch gar nichts kann sie beim Anblick der stählernen Rösser aus
Milwaukee oder den zum Verwechseln ähnlichen Easy-Rider-Verschnitten
gewinnen. Nicht nur, dass die Opa-Generation damit scheinbar einen Platz
an der Sonne gefunden hat, nein! Zuviel Masse mit zuviel Chrom und
lautem Getöse ohne Vorwärtsdrang, schmunzelt die schnelle 28-Jährige:
"Die Dinger protzen doch nur, wenn sie abgestellt sind. Wenn Opa erst
mal aus der Parkordnung herausgeschaukelt ist, dann wirkt das
anschließende Abreiten so anziehend wie Stromausfall in der Disco."
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Diemelsee im Sauerland:
Tolle Motorradstrecken zum cruisen und angasen
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Erwartungsvoll kehrt sie zur Triumph zurück. Nichts gegen früher, denn
die alten Farben von "John Players", das Schwarz und Gold, sind "echt
cool". "Und mal ehrlich", bekennt sie, "ich bin Genussfahrer, aber ein
schneller, sportlicher!" Auf der Rückfahrt sind Dietmar und ich wieder
allein. Nein, wir sind nicht wieder auf der Suche nach dem wilden Zopf.
Wir wissen, Zanina möchte die Kilometer zum Heimathafen gerne allein mit
der Street Triple R genießen. Zum Abschied nehmen oder ist es der
Beginn einer wundervollen Freundschaft? Mit der "R" versteht sich!
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Zanina: "Sorry Jungs!"
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Abends
dann im Biergarten gesteht Zanina uns: "Es gibt tatsächlich bei uns
in der Gegend einen Biker, der sich einen Zopf an den Helm montiert
hat." Und der letzte Schlag ins Kontor: "Ich war an diesem
Wochenende gar nicht auf Tour. Sorry Jungs!"
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