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Portrait Radexperte: HBS

"Puzzlespiel"

Speichenräder sind zweifellos das i-Tüpfelchen vom Bike.
Allerdings nur so lange, wie sie blitzen, blinken und rundlaufen.
Hat das Rad eine „Acht", ist „neu Einspeichen" angesagt.
Nichts für Hektiker, Ruhe und Geduld sind gefragt.


Text&Fotos: Winni Scheibe


Speichenrad-Experte: Heinz Bals

Bikes mit Speichenrädern haben etwas, sie wirken klassisch. Damit sie aber auch tatsächlich dieses Flair vermitteln, sollten sie immer blitzblank glänzen. Spätestens jetzt sind aber Ästheten und Putzteufel gestraft. Besonders dann, wenn das edle Gefährt durch Dreckwetter gefahren wurde. Leute, die es ernstmeinen, nehmen jede einzelne Speiche stundenlang "in die Mache", damit hinterher alles wieder schön funkelt.




Bei dieser Fleißarbeit empfiehlt es sich, gleichzeitig einen Speichencheck mit durch zu führen. Dieser Tipp gilt allerdings nicht nur für langgediente Laufräder, auch jüngere Exemplare sollten regelmäßig überprüft werden. Ein kurzer Schlag mit der Schraubendreherklinge gegen die Speiche gibt mit einem hellen Ton sofort Aufschluss darüber, ob sie noch fest sitzt. Ist der Ton dumpf, ist sie lose. Und hat sich erst einmal eine Speiche gelöst, folgt unumgänglich bald die nächste. Lockere Speichen müssen sofort mit Gefühl festgezogen werden. Haben sich gleich mehrere gelockert, kann es passieren, dass man sogar das Rad neu zentrieren muss.

 

Bedeutend aufwändiger wird der Arbeitsaufwand, wenn bereits einige Speichen abgerissen bzw. gebrochen sind. Ist das gesamte Laufrad arg vergammelt, oder hat die Felge eine "Acht", kommt man um das Neu-Einspeichen kaum herum. Zwar gibt es immer wieder Schraubertipps, die ausführlich beschreiben, mit welchen Arbeitsgängen fehlende Speichen kurzerhand ersetzt werden können, doch das ist Flickschusterei. Das Gleiche gilt fürs Aufarbeiten von kompletten Laufrädern. Wer in mühseliger Heimarbeit ein Rad ausspeicht, um die ramponierten Speichen, Nippel und Stahlfelge neu lackieren oder verchromen zu lassen, spart sicherlich am falschen Ende. Eine solche Restaurierung erfordert nicht nur eine Menge Zeit, sondern kostet auch viel Geld. Da es Felgen und Speichen für fast alle Laufräder gibt, ist im Vergleich zum "Aufmöbeln" ein Neukauf allemal kostengünstiger. Auch sind die heutigen Speichenmaterialien im Gegensatz zu früheren Mustern bedeutend hochwertiger. Ob nur die Speichen oder lediglich die Felge, oder Felge mit Speichen erneuert werden, hängt von dem Zustand der Bauteile ab. Doch bevor der emsige Bastler im Eifer des Gefechtes das Rad kurzerhand zerlegt, sind einige Punkte zu beachten.


Nicht vorstellbar wäre die Situation, wenn das Rad fein säuberlich in seine Bestandteile zerlegt auf der Werkbank läge, aber nirgendwo sich gleich die passenden Speichen auftreiben ließen. Bevor daher mit dem eigentlichen Umspeichen begonnen wird, müssen zuerst die benötigten Teile im Fachhandel besorgt werden. Für alle Radgrößen gibt es in der Regel neue Felgen, Speichen und Nippel. Falls nicht, sind die Sachen, zwar erheblich teurer, aber auch als Sonderanfertigungen zu bekommen. Auch die Radlager sollte man überprüfen. Sie sind meist Normteile, deren Beschaffung überhaupt keine Schwierigkeit darstellen dürfte. Adressen von Radspannereien lassen sich aus dem Anzeigenteil der Fachpresse entnehmen.




Nun ist aber Speiche nicht gleich Speiche, und Felgen werden auch in verschiedenen Ausführungen angeboten. Es gibt vernickelte, verchromte und Nirosta-Speichen im Durchmesser von 2; 3; 3,5; 4; 4,5; und 5 Millimetern. Die Speichenlänge reicht von 100 bis 300 Millimeter. Handelsübliche Chrom-Speichen kosten eine etwa 1,00 Euro, dagegen sind hochwertige Nirosta-Speichen (V2A-Stahl) teurer. Für sie muss im Schnitt pro Speiche rund 1,20 Euro bezahlt werden. Sind Überlängen oder Sonderanfertigungen erforderlich, kann der Speichenpreis gut und gerne bis auf 2,00 bis 3,00 Euro klettern.
Die dazugehörigen Speichen-Nippel sind aus Messing oder Stahl gefertigt. Sie können vernickelt oder verchromt geliefert werden. Der Preis für diese Nippel liegt - vom Gewindedurchmesser abhängig - zwischen 0,20  bis 0,50 Euro.
Trotz des höheren Preises sind in jedem Fall Nirosta-Speichen mit verchromten Nippeln zu empfehlen. Wer hier Nägel mit Köpfen macht, wird sich nie wieder über verrostete Speichen ärgern müssen.




Felgen werden aus Stahl oder Aluminium gefertigt. Man unterscheidet üblicherweise 36- oder 40-Loch Felgen. Für eine gebräuchliche Stahlfelge, die lackiert oder verchromt ist, muss mit 25 bis 60 Euro gerechnet werden. Aluminiumfelgen gibt es in Hoch- oder Flachschulter-Ausführung. Je nach Felgenart und Abmessung muss für eine Alufelge 80 bis 200 Euro auf die Ladentheke geblättert werden. Die hier aufgeführten Preise verstehen sich als Anhaltswerte, mit denen jeder die Materialkosten selber überschlagen kann.
Geht man davon aus, dass der gleiche Felgentyp eingespeicht wird, braucht das Fahrzeug anschließend nicht zum TÜV. Soll aber eine kleinere oder größere, breitere oder schmalere Felge eingespeicht werden, empfiehlt es sich, vorab mit einem TÜV-Ingenieur abzuklären, ob die damit verbundene veränderte Reifengröße problemlos in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden kann. Auch sollte man bedenken, dass zwischen den Gabelholmen und in der Hinterradschwinge für die Breitreifen genügend Platz vorhanden sein muss.


Hat man nun alle erforderlichen Neuteile organisiert, kann mit der Arbeit begonnen werden. Nachdem das Rad ausgebaut ist, wird die Decke abgezogen. Jetzt heißt es, Aufzeichnungen anfertigen und Maß nehmen. Fatal wäre es, ohne irgendwelche Notizen die Felge im Arbeitseifer zu zerlegen. Bei manchen Felgen ist die Speichenanordnung sehr kompliziert, es gibt aber auch außermittig gespeichte Laufräder. Hier ist die Felgenmitte gegenüber der Radnabenmitte in Laufrichtung entweder nach links oder rechts versetzt. Sehr hilfreich für das spätere Einspeichen sind Skizzen vom Speichenmuster, aber auch "Schnappschüsse" mit einer Polaroid-Kamera können nie schaden. Ist die Felge nicht mittig gespeicht, muss man unbedingt den Versatz ausmessen. Hierzu wird das Rad flach auf eine Arbeitsplatte gelegt und der Abstand vom Nabenaußenrand zum Felgenhorn ausgemessen und notiert.

Sind diese "Schulaufgaben" erledigt, wird nun die Felge ausgespeicht. Falls sich die Nippel nur sehr schwer drehen lassen, kann man auch mit einem kräftigen Drahtschneider die alten Speichen einfach durchzwicken. Im Nu ist das Rad so "zerlegt". Von dem Laufrad bleibt jetzt nur noch die Radnabe auf der Werkbank liegen, die olle Felge und Speichenreste werden als Metallschrott entsorgt.

Je nach optischem sowie technischem Zustand der Nabe wird sie aufgearbeitet und überholt. Eine Alu-Nabe mit glatter Oberfläche läßt sich an der Schwabbel-Scheibe auf Hochglanz polieren, Alu-Naben mit poriger Oberfläche werden per Glasperlen-Strahler gesäubert. Unansehnlich lackierte Stahlnaben werden abgeschliffen und neu lackiert. Nach dieser Prozedur können sie wie neu aussehen.

Aber auch das Nabeninnere verlangt Beachtung. Hier sollte man auf keinen Fall sparen. Zeigen die Radlager Verschleißerscheinungen, werden sie gegen zweiseitig-geschlossene Radlager ausgetauscht. Diese Lager verfügen über eine lebenslange Schmierfüllung und sind so abgedichtet, dass das Fett weder heraus, noch Wasser oder Dreck eindringen kann.



Problematisch, aber nicht hoffnungslos, ist die Situation, wenn der Lagersitz in der Radnabe ausgeschlagen ist. Wer handwerklich nicht in der Lage ist sich hier weiterzuhelfen, kennt sicherlich im Freundeskreis einen Werkzeugmacher oder Feinmechaniker, der fachgerecht das Lager mit einem gedrehten Zwischenring einsetzen kann.

Ist die Nabe tiptop in Ordnung, beginnt das eigentliche Einspeichen. Die Nabe und Felge werden auf eine Arbeitsplatte gelegt. Außer den neuen Speichen, Nippeln, einem Schraubendreher und etwas Fett sind fürs erste keine weiteren Hilfsmittel erforderlich. An das Speichengewinde und die Nippelunterseite - gemeint ist die Fläche, die später in der inneren Felgenpunzung verschwindet - wird etwas Fett geschmiert. Dieses Fett soll nicht nur das Aufdrehen der Nippel vereinfachen, sondern auch später als Korrosionsschutz dienen.




Nun gibt es Laufräder, bei denen das Einspeichen "wie von selber" klappt. Problemlos lassen sich hier die Speichen der Reihe nach einfädeln und schon nach kurzer Zeit ist das Rad fertig eingespeicht. Dagegen können andere Speicheräder den Bastler zur "Weißglut" bringen. Trotz genauer Aufzeichnungen will nichts klappen. Das Speichenmuster ist so verwirrend, dass immer wieder eine Speiche der nächsten im Wege steht. Hier hilft nur Überlegen und systematische Arbeitsweise. Eine Möglichkeit, Klarheit in das Chaos zu bringen, ist, sie nach ihrer Kröpfung und unterschiedlichen Länge zu sortieren und erst einmal zwischen die Nabe und Felge auf die Arbeitsplatte zu legen. An der Felgenbohrung, der so genannten "Punzung", lässt sich erkennen, in welche Richtung und zu welcher Nabenseite die Speiche zeigen muss. Glaubt man sich nun sicher, wird mit dem Einfädeln, am besten vom Ventilloch aus, begonnen. Damit die Speichen aber nicht gleich wieder aus der Felgenbohrung herausfallen, wird der Nippel mit ein paar Umdrehungen aufgedreht. Die Speichen-Nippel müssen jetzt immer im rechten Winkel aus der Punzung herausragen!




Sind alle Speichen in richtiger Reihenfolge eingefädelt und die Nippel einige Umdrehungen gleichmäßig vorgezogen, muss man nun auf den Felgenversatz achten. Es versteht sich von selber, dass die Nabe und Felge jetzt wieder auf der gleichen Seite wie beim Ausmessen liegen. War die alte Felge, wie bereits angesprochen, außermittig gespeicht, kann man sich mit einem Trick helfen. Damit sie jetzt schon in ihre spätere Position kommt, werden vier genau auf Maß abgesägte Holzklötzchen unter das Felgenhorn gelegt.

Jetzt werden die Nippel gleichmäßig, aber immer nur um etwa eine Viertelumdrehung, mit Fingerspitzengefühl vorgezogen. Hat das Rad Eigenstabilität bekommen, folgt nun die eigentliche Kunst des Einspeichens: das Zentrieren. Das Rad wird auf einen Ausrichtbock gehoben und ordentlich gedreht. Die Sichtkontrolle zeigt, ob das Rad "rund" oder "eirig" läuft. Je sorgfältiger die Arbeit bis hierher erledigt wurde, um so runder wird das Rad bereits jetzt schon laufen. Um es genau zu zentrieren, wird erst der Höhenschlag, er soll nicht mehr als 0,1 mm betragen, aus der Felge genommen. Ist er beseitigt, muss der Felgen-Seitenschlag, maximal bis 0,1 mm Toleranz, zentriert werden.

Als Faustregel gilt: hat die Felge einen  "Berg", müssen immer die gegenüberliegenden Nippel angezogen, bei einem "Tal" müssen die gegenüberliegenden Nippel gelöst werden.
Damit aber kein falscher Ehrgeiz geweckt wird, sei darauf verwiesen, dass selbst geübte Heimschrauber mit dieser Tätigkeit ihre Mühe haben. Denn theoretisch mag sich die Beschreibung ja einfach anhören, doch in der Praxis heißt es „learning by doing".




Ist das Rad perfekt eingespeicht, ist ein Blick aufs Felgenbett ratsam. Auf keinen Fall dürfen die Speichenenden aus den Nippeln herausschauen. Diese Spitzen können den Schlauch beschädigen und so einen Plattfuß verursachen. Überstehende Speichenenden müssen immer abgeschliffen werden!

Wer mit dieser Arbeit nicht zurechtkommt, kann das Rad in einen Fachbetrieb geben. Fürs Einspeichen und Zentrieren müssen etwa 80 Euro und nur für das Zentrieren 25 Euro veranschlagt werden. Befindet sich in der Radnabe die Bremstrommel, muss sie abschließend eventuell ausgedreht werden. Für diese Arbeit muss noch einmal zwischen 15 und 30 Euro gerechnet werden. Grundsätzlich wird ein neues Felgenband verwendet. Nach etwa 1000 Kilometern sollten zur Kontrolle alle Nippel gleichmäßig nachgezogen werden. Im Prinzip sind bis hier alle wichtigen Schritte zum Thema "Einspeichen" besprochen.


"Das Ding mit der Ventil-Kontermutter"

Zum Abschluss sei dem Autor noch ein wichtiger Hinweis gestattet. Immer wieder kann bei Speichenrädern mit Schlauchreifen beobachtet werden, dass die Ventil-Kontermutter zur Felgenseite gedreht ist. Diese Mutter muss grundsätzlich mit dem Ventilkäppchen gekontert werden!




Das hat zwei Gründe:

1.
Sollte sich mal der Reifen auf der Felge verdrehen und die Kontermutter ist fälschlicherweise gegen das Felgenhorn geschraubt, reißt zwangsläufig der Ventilschaft vom Schlauch ab. Schlagartig kann die Luft entweichen.

2.
Die Kontermutter sichert das Ventilkäppchen. Fehlt es, kann Staub oder Schmutz das Ventil beschädigen und somit undicht machen. Ein „schleichender Plattfuß" hat oftmals hier seine Ursache.


Adresse:
HBS
Heinz Bals
Unter den Eichen 28a
32423 Minden-Päpinghausen
www.HBS-BMW.de


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