Spezialisten
in Deutschland
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35 Jahre
Kult-Enduro: Yamaha XT500
1975 - 2010
XT-Guru Meinold Müller
Im Herbst 2010 hatten Singles Grund zum Feiern:
Die Yamaha XT500 wurde 35 Jahre alt. Nach der allgemeinen
Wertschätzung ist der Dampfhammer inzwischen ein Oldtimer.
Eine alte Dame ist die Kult-Enduro deswegen noch lange nicht.
Wie frisch zubereitet stehen die Offroad-Eintöpfe von
Meinold Müller auf ihren Stollenreifen.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Yamaha |

Yamaha XT500 Experte und Sammler
Meinold Müller
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Meisterwerk:
Restaurierte Yamaha XT500 von 1975
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Müller-Spezial: Yamaha TT500 Moto-Cross
Replika
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Motorradhändler werden vielfach als echte
Fachleute gesehen. Gemeint sind Handwerksmeister, die ein Motorrad noch
richtig reparieren und ältere Semester auch restaurieren können.
Voraussetzung für diese Tätigkeit ist Sachverstand, technisches Know-how
und Benzin im Blut. Meinold Müller, Jahrgang 1959, gehört zu diesem
Kreis und gibt unumwunden zu: "Mein Herzblut gehört kernigen
Einzylinder-Viertaktern. Das liegt vielleicht daran, weil
meine erste Maschine als 18jähriger Motorradnovize eine Ducati 450 Desmo
war. Zwar folgten später zahlreiche Zwei- und Vierzylinder-Bikes, doch
die Leidenschaft für die Dampfhämmer ließ mich nie los."
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Der gelernte Maschinenbauer und begeisterte
Gelände- und Moto-Crossfahrer verwirklichte 1979 seinen Offroad-Traum.
In ein Maico-Fahrwerk verpflanzte er einen Yamaha XT500 Motor. Weitere
Eigenbauten mit Yamaha XS650 Triebwerken sollten folgen. Mit der
Mechaniker-Meisterausbildung, Fachrichtung Zweirad, wurde 1986 die
zukünftige Lebensplanung ausgerichtet. Anfang 1989 machte sich Meinold
Müller in seinem Heimatort Blankenau bei Beverungen an der Weser
selbstständig. In der freien Motorradwerkstatt wurde an allem
geschraubt, was die Kundschaft so brachte und ganz nebenher entstand aus
einer ehemaligen Scheune ein schickes Wohnhaus mit pikobello
eingerichteter Motorradwerkstatt. Ab Juli 1990 übernahm der junge
Betrieb die Betreuung der Marken Vespa, Piaggio und Gilera. Dann sollte
es auch nicht mehr lange dauern und Ende 1992 war Motorrad Müller
offizieller Yamaha-Vertragshändler.
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Zunächst galt es das Tagesgeschäft am Laufen zu
halten, für individuelle Umbauten oder Eigenbauten war kaum noch Zeit
da. Dafür erinnerte ich mich an meine Einzylinder-Leidenschaft. Anfang
1994 konnte ich günstig eine XT500 von 1976 ergattern. Die Enduro habe
ich von grundauf restauriert und dabei gleich einige Teile auf Vorrat
gelegt", verrät Meinold Müller.
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Müller-Spezial
XT500 Sport Enduro
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"Werkstatt-Einrichtung" bei Motorrad Müller
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Aus dem bescheidenen Anfang ist inzwischen eine
beachtliche XT500-Sammlung geworden. Von jedem Modell sind mittlerweile
wenigstens eine, meist aber zwei Exemplare vorhanden. Es versteht sich
von selbst, dass die Stollenreiter wie ladenneu da stehen. Das ist sein Anspruch. Künstlerische Freiheiten erlaubt
sich der Meister bei
seinen XT-Umbauten als Crosser, Scrambler oder Straßenmaschine. Auch das
Ersatzteillager ist inzwischen so gut sortiert, dass in den nächsten
Jahren kaum Langeweile zu erwarten ist, und der Firmenchef ist sich für
die Zukunft sicher: "Nach gründlicher Überlegung habe ich mich 2009
entschieden die Yamaha-Vertretung bis auf das 125er und Roller-Programm
abzugeben. Das Arbeitsaufkommen mit den XT500 ist in den letzten Jahren
immens geworden. Fast alle Reparaturen und Restaurationen können bei uns
im Haus erledigt werden. Lediglich Arbeiten am Kurbeltrieb und Zylinder
lasse ich von einem Spezialisten ausführen. Zur Tradition gehört fast
schon unser XT-Meeting Mitte Mai. Viele meiner Kunden kommen mit ihren
Dampfhämmern angebollert. Es gibt viel zu sehen, es wird gefachsimpelt,
Adressen ausgetauscht. Nur ein Thema ist längst überholt, das Starten
des Motors. Ob mit Trick oder mit Routine, das Antreten mit dem
Kickstarter zählt für XT-Fahrer zum festen Bestandteil ihrer
Single-Leidenschaft. So wie früher, als Motorräder noch echte
Männermaschinen waren."
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XT-Meeting bei Motorrad Müller
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Müller-Spezial
Yamaha XT500 Scrambler
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Müller-Spezial
Yamaha TT500 Enduro

Müller-Spezial
Klaus Nennewitz kam bei der Rallye-Breslau 2010 auf den 16. Platz

Müller-Spezial
Steve McQueen

Müller-Spezial
Yamaha XT500 Enduro Klassik

Unrestaurierte Yamaha XT500 von 1981 |
Die Yamaha XT500 war 1975
Urahne einer neuen Enduro-Generation
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"Familien-Treffen" im April 2010
Yamaha XT500 von 1975 und Yamaha XTZ1200
Super Ténéré von 2010 |
Es gibt Klischees, die stimmen einfach nicht. Oder wenigstens nur
halb. Früher jedenfalls. Die Rede ist von echten Männermotorrädern.
Damit waren meist Maschinen gemeint, die groß, stark, schwer, kernig und
kaum zu bändigen waren. Wer sie meistern wollte, musste sie kräftig an
die Hörner fassen. Aber schon beim Rangieren konnte der Schweiß fließen,
vom Aufbocken ganz zu schweigen. Typisch war auch die Bedienung. Technik,
die echte Fachmänner verstanden und beherrschten. Und so gemacht, dass
Ventile, Vergaser und Zündung recht einfach einzustellen waren und sich
sogar Pannen am Straßenrand, in der Pampa fern der Heimat oder mitten in
der Wüste reparieren ließen. Vorausgesetzt der Maschinist hatte gut
sortiertes Werkzeug und die benötigten Ersatzteile dabei.
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Triumph 500 Trophy "Scrambler" von
1968
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Müller-Spezial
Yamaha XT500 "Scrambler"
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Windgesichter auf ihren Männermotorrädern kannten keine
Grenzen. Ihr Zuhause waren die Fernstraße, die Welt gehörte ihnen. Sie waren eigentlich
überall, beim Elefantentreffen, am Nordkap, in Sizilien, im Himalaya, in
der Sahara, auf der US-Route 66 und Baja California. Das Dach über dem
Kopf war der Sternenhimmel, das Bett der Schlafsack, für Romantik und
Wärme sorgte das Lagerfeuer. Gegen nichts hätten sie diese Freiheit und
das Abenteuer eingetauscht.
Solche oder ähnliche Bilder beflügelten Anno 1974 ganz offensichtlich
die Phantasie der Ingenieure in der Yamaha-Entwicklungsabteilung. Nun
ist allerdings bekannt, dass in Japan vieles besser und manches auch
anders gemacht wird. Abenteuer-Maschinen, die als Vorbild dienen
konnten, waren bekannt. Etliche Hersteller, über BSA, Triumph, Ducati,
Honda, Kawasaki bis Harley-Davidson hatten damals sogenannte Scrambler
im Angebot. Es waren Straßenmaschinen, die man kurzerhand mit einem
breiten Lenker, hochgelegter Auspuffanlage und Stollenreifen
geländetauglich gemacht hatte. Spaßmaschinen, ein bisschen fürs Gelände,
der Rest für die Straße. Genau genommen weder Fisch noch Fleisch.
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"Eintopf"
500er OHC-Einzylinder-Viertaktmotor
(Foto: Yamaha)
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Mit dem
neuen Modell wollte Yamaha dagegen Farbe bekennen. Es sollte eine
reinrassige Geländemaschine werden, robust, langlebig, technisch
überschaubar, leicht und mit einfachem Handling. Das Ergebnis konnte
sich sehen lassen. Herzstück der XT500 war ein 33 PS starker OHC-Einzylinder-Viertaktmotor mit hoch verlegtem Auspufftopf und nur mit
Kickstarter versehen. Für einen Elektrostarter wäre die zunächst verbaute
6-Volt-Bordspannung allerdings auch zu mickrig gewesen. Standesgemäß
rollte das Offroad-Bike auf Stollenreifen. Auch die weiteren
Fahrwerkskomponenten waren dem damaligen Zeitgeist entsprechend auf
den Geländeeinsatz getrimmt. Ein Tank für 8,8 Liter Benzin,
Halbnaben-Trommelbremsen, Cross-Schutzblech vorne, Geländelenker und ein
Motorschutzblech. Die XT500 hatte alles Nötige, aber auch nichts
Überflüssiges.
Mit der nur gut 150 kg schweren 500er Enduro ließ sich nach Herzenslust
im Gelände herum toben.
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Yamaha XT500 Enduro von 1977
(Foto: Yamaha)
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Im
Herbst 1975 präsentierte Yamaha die TT500 als Moto-Cross und die XT500 als Enduro in Las Vegas. Bewusst waren die USA ausgewählt worden. Für die
Japaner war Nordamerika damals nicht nur das wichtigste Export-Land, von
den offroad angefressenen US-Bikern wusste man, dass kernige
Viertakter bei ihnen hoch im Kurs standen.
Dem
europäischen und besonders dem deutschen Motorradmarkt maß man kaum eine
Bedeutung zu. Warum auch? Mitte der 1970er Jahre kamen immer mehr junge
Leute auf den Motorradgeschmack. Vorrangig um die Gunst rangelten
große, schwere, starke und schnelle Maschinen. Beliebte Brummer waren die
BMW R90S, Honda CB750 und GL1000 Gold Wing, Kawasaki Z900 "Z1" und
Suzuki GT750 "Wasserbüffel" um hier nur die Wichtigsten zu nennen. Mit
einem 500er Viertakt-Single brauchte da keiner zu kommen. Rund ein Jahr
nach Las Vegas stand die XT500 trotzdem auf dem Yamaha Messestand bei
der IFMA im September 1976 in Köln. Das Interesse und die Nachfrage
waren beachtlich. Damit hatte man bei Yamaha
nicht gerechnet. Flugs wurden rund 180 Maschinen aus den USA geordert,
bei ausgesuchten Händlern nach StVZO-Vorschriften umgerüstet und per
Einzelabnahme zugelassen.
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Yamaha XT500 von 1983
(Foto: Yamaha)
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Der
Anfang war gemacht. Was sich in den nächsten 14 Jahre bis zum Produktionsende 1989 fortsetzen sollte, wurde eine einzigartige
Erfolgsgeschichte. Rückblickend darf die Yamaha XT500 als Urahne einer
neuen Enduro-Generation bezeichnet werden. Yamaha war ein Meisterstück
gelungen. Die bei uns ab 1977 mit 27 PS angebotene XT500 wurde zum
Bestseller. Alles passte, die während der Bauzeit durchgeführten
nennenswerten Modifikationen lassen sich an einer Hand abzählen. Da war
1979 eine verbesserte Motorschmierung, ein Jahr später sorgte eine
modifizierte Gabel, erkennbar an der vorverlegten Achsaufnahme, für mehr
Federweg und 1986 kam die 12-Volt-Anlage. |

Kult-Enduro
Yamaha XT500
(Foto: Yamaha) |
Mit der
XT500 ließ sich vieles und manchmal noch etwas mehr erleben. Es gab
Abenteurer, die die Welt bereisten, durch Wüsten und Gebirge fuhren.
Legendär sind die Erfolge bei der Rallye "Paris-Dakar", aber auch im Großstadt-Dschungel war man mit der XT500 gut aufgehoben.
Von
1975 bis 1989 wurde die XT500 insgesamt 127.446 Mal gebaut, gut 25.000
Enduros kamen nach Deutschland. Längst gibt es einen eingeschworenen
Fankreis. Sammler, die alles kennen und wissen, rührige XT-IGs und
engagierte Händler. Ausgewiesener XT-Experte und bekennender Eintopf-Fan ist
Meinold Müller in Blankenau im Weserbergland.
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Kontakt:
Motorrad-Müller
Kasseler Straße 11
37688 Beverungen - Blankenau
www.motorrad-mueller.net
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