Lexikon


 2003: BMW wird 80 Jahre alt

"King of the Road"


BMW hat schon immer ein ganz besonderes Image.
Die Maschinen sind groß, schwer, und teuer.
Sie sind aber auch zuverlässig, langlebig, tourentauglich
und wertbeständig. Die Traditionsmarke war schon immer
begehrt und das nun bereits seit 80 Jahren.


Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, BMW




Ist von Tourenmotorrädern die Rede, kann eigentlich nur BMW gemeint sein. Bei wohl kaum einer anderen Marke sind die Eigenschaften Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und Reisetauglichkeit so konsequent miteinander vereint. Und das bereits seit 1923. Schon die erste BMW R 32 verfügte über einen Boxermotor und Kardanantrieb. Dieses Bauprinzip verschaffte BMW Weltruf, sollte BMW-typisch werden und gehört, selbstverständlich immer weiterentwickelt, bis heute zum "BMW-Markenimage".


Aus der Gründerzeit: BMW Werk in Milbertshofen
(Foto: BMW)

Dass es allerdings einmal so weit kommen würde, daran hat vor gut 80 Jahren in München sicherlich niemand gedacht. Mit Motorrädern hatten die 1916 gegründeten Bayerischen Flugzeugwerke (BFW), aus dem aber schon 1917 die Bayrischen Motoren Werke (BMW) hervorgingen, (noch) nichts im Sinn. Man baute zunächst erfolgreich leistungsstarke Flugmotoren, daher auch das Firmenzeichen, es symbolisiert einen drehenden Flugzeug-Propeller. Im Zweiten Weltkrieg (1914 bis 1918) war das Werk mit Rüstungsaufträgen voll ausgelastet und wenn es nach der Firmenleitung gegangen wäre, hätte dies auch bis ans Ende der Welt so weiter gehen können. Doch Deutschland verlor den Ersten Weltkrieg und nach dem Versailler Friedensvertrag vom 28. Juni 1919 wurde der Bau von Flugzeugen verboten. Bei BMW dachte man rasch um und begann die Produktion von Fahrzeugmotoren, von denen sich das Motorradtriebwerk "M 2 B 15" zum erfolgreichsten mauserte. Landauf, landab entstanden in dieser Zeit eine Vielzahl kleiner und großer Motorradfirmen, die Nachfrage nach motorisierten Untersätzen war gewaltig, und der Weg zum eigenen Motorrad war bei BMW dann eigentlich nur noch ein Katzensprung.
Verantwortlich für das Projekt war BMW Chefkonstrukteur Max Friz. Der hochbegabte Flugmotoreningenieur und begeisterte Motorradfahrer schuf Anfang der 20er Jahre ein Motorrad, das sich im Grundkonzept bis in den heutigen Boxer-Maschinen wiederfinden lässt. Den Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor mit Seitensteuerung setzte Max Friz quer in den stabilen Doppelrohrrahmen, eine gleichmäßige Fahrtwindkühlung beider Zylinder war so gewährleistet. Ähnlich wie im Automobilbau übernahm eine Einscheiben-Trockenkupplung den Kraftschluss zum direkt am Motorgehäuse angeblockten handgeschalteten Dreiganggetriebe. Die Fortsetzung des Kraftflusses über eine Kardanwelle zum Hinterrad bot sich bei diesem Bauprinzip förmlich an. Etwas bescheiden klang die Leistungsangabe von 8,5 PS für den 500er Boxermotor. Dagegen überzeugten die Fahrleistungen. Die nur 122 kg schwere R 32 kam auf Tempo 95 und dank niedrigem Motorschwerpunkt war das Handling ausgesprochen gut.



BMW R 32 von 1923 
(Foto: BMW)

Als BMW im Oktober 1923 auf dem Pariser Salon die R 32 vorstellte, waren Fachleute und Motorradfans geplättet. So ein Motorrad hatte die Welt noch nicht gesehen, die Maschine war tadellos verarbeitet, bestach durch eine klare Linienführung und wurde schon bald als Motorrad "wie aus einem Guss" bezeichnet.

Nach diesem Streich ging es Schlag auf Schlag. Um die Qualität der neuen Maschine unter Beweis zu stellen, wurde der Motor mit ohv-Ventilsteuerung modifiziert und als Sportmaschine R 37 mit 16 PS für Straßenrennen und Geländewettbewerbe eingesetzt. Nach dem Gewinn der Goldmedaille bei den Prestige trächtigen "Sixdays" in Buxton 1926 schrieb die englische Presse: "BMW Motorräder sind jeder britischen Maschine weit voraus."


(Foto: BMW)

Um der gewaltigen Nachfrage gerecht zu werden, wurde das Werk erweitert, bereits 1928 waren 2800 Mitarbeiter bei BMW beschäftigt. Im gleichen Jahr präsentierten die Münchner die neuen 750er Modelle R 62 mit sv-Motor und R 63 mit modernem ohv-Triebwerk. Für die damals steuer- und führerscheinfreie Klasse bis 200 ccm Hubraum brachte man 1930 die 6 PS starke R 2 auf den Markt. Neben der ständigen Weiterentwicklung der Triebwerke kümmert man sich auch um die Verbesserung der Straßenlage. Als erste Motorradfirma führt BMW 1935 die hydraulisch gedämpfte Telegabel ein, das Hinterrad bleibt dagegen weiterhin ungefedert. Aber schon 1938 spendierte man dem Hinterrad die sogenannte Geradwegfederung. Bis Anfang des Zweiten Weltkrieges umfasste das BMW Programm Einzylinder-Maschinen mit 200, 250 und 300 ccm, die Boxer-Baureihe hatte 500, 600 und 750 ccm. Ende 1938 rollte die 100.000ste BMW aus der Münchener Fertigungshalle. Der Sieg von BMW-Werksfahrer Georg  "Schorsch" Meier 1939 bei der Senior-TT auf der Isle of Man ging ebenfalls in die Geschichtsbücher ein.


Legende: Georg "Schorsch" Meier  
(Foto: BMW)

Genau wie im Ersten Weltkrieg war BMW auch im Zweiten Weltkrieg vorrangig als Rüstungsproduzent von Flugmotoren sowie großvolumigen Militär- und Behördenkrädern tätig. In den über ganz Europa verzweigten BMW-Betrieben waren in den Jahren 1943/44 mehr als 47.000 Mitarbeiter beschäftigt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 begann man bei BMW mit der Stunde Null und bis die erste Nachkriegs-Zweifünfziger auf den Markt kommen sollte, wurde es Ende 1948. Anfang 1950 folgte dann die 500er Boxer-Maschine R 51/2 und wenig später die große Schwester R 67 mit 600 ccm. In nur vier Jahren hatte man das Werk wieder aufgebaut, die Belegschaft war auf 8720 Mitarbeiter gewachsen und man hatte inzwischen 17000 Maschinen gebaut.

Auf den Vorkriegslorbeeren sowie den Erfolgen im Wiederaufbau konnte und durfte sich BMW allerdings nicht ausruhen. Die Konkurrenz schlief nicht, besonders im wichtigem Exportland Amerika waren englische Maschinen gefragt wie noch nie zuvor. BMW blieb natürlich weiterhin dem Boxer-Motor treu, dafür bekam 1955 die 500er R 50 und 600er R 60, aber auch die 250er R 26 Einzylinder-Maschine, ein neues Doppelschleifen-Fahrwerk spendiert. Das Vorderrad wurde nun von einer Langarmschwinge mit zwei Federbeinen, das Hinterrad von einer Zwei-Armschwinge ebenfalls mit zwei Federbeinen, geführt. Die Kardanwelle hatten die BMW-Techniker in dem rechten Schwingenholm untergebracht. Das neue "Vollschwingen"-Fahrwerk eröffnete den BMW Fahrern einen bis dahin nicht gekannten Fahr- und Reisekomfort. In den USA nannte man die neuen BMWs ehrfurchtsvoll "King of the Road", in ihrer Heimat wurden sie aber schon bald von anderen Motorradfahrern wegen ihres "schwingenden" Federkomforts als "Gummikühe" veräppelt. Topmodell in der "Vollschwingen"-Baureihe wurde 1960 die 42 PS starke und gut 180 km/h schnelle 
R 69 S.


250er-Motor 
(Foto: BMW)


BMW R 69 S


1967: BMW-Motorrad-Werk in Berlin-Spandau 
(Foto: BMW)

Neben der Motorradfertigung hatten sich die Bayern mittlerweile auch als Autohersteller einen guten Namen gemacht. War in den 50er Jahren mit Motorrädern noch gutes Geld zu verdienen, änderte sich 10 Jahre später der Markt grundlegend, wer etwas auf sich hielt, stieg ins Auto. 1968 rollten 5074 und 1969 gerade noch 4701 Maschinen aus dem Werk, wovon ein Großteil in den Export ging. Insgesamt ließen sich bei uns in diesem Jahr nur lediglich 4863 Neuzulassungen registrieren. Der Motorradmarkt war tot.

Für die Münchner eigentlich kein Grund an der unrentablen Zweiradfertigung weiterhin fest zu halten. Doch der Motorradbazillus saß tief, besonders bei Helmut Werner Bönsch. Der Technische Direktor konnte die Firmenleitung zum Weiterbau des Motorradprogramms überzeugen. Für dieses Vorhaben wurde am 1. September 1968 eine eigene BMW-Vertriebs GmbH für den neuen Motorradbereich gegründet und die komplette Fertigung ins BMW-Zweigwerk nach Berlin-Spandau verlegt. Im Herbst 1969 konnte man die taufrischen Modelle R 50/5, R 60/5 und R 75/5 präsentieren. Die nach Baukastensystem neukonstruierten Kräder zeigen weiterhin die BMW-typischen Merkmale: luftgekühlter Zweizylinder-Boxermotor, Kardanantrieb, komfortables Fahrwerk mit Telegabel und Schwinge. Rückblickend hat BMW genau das Richtige gemacht.


BMW R 100 RS von 1978

Anfang der 70er Jahre schwappte nämlich der Motorradboom von den USA nach Europa über. Die damalige Jugend war schier verrückt nach starken und schnellen Maschinen. Die heißesten Kisten kamen aus Japan, von Honda, Kawasaki, Suzuki und Yamaha. Sportsfreunde, die es aber etwas ruhiger angehen lassen wollten, kauften sich eine neue BMW.

Über 25 Jahre widmete man sich bei BMW fortan um die Weiterentwicklung der zwei-Ventil-Boxer Modelle. Im Laufe der Zeit stieg der Hubraum bei der R 90 S auf 900 ccm und 1976 bei der R 100 RS sogar auf 1000 ccm. Als weltweit erstes Großserienmotorrad hatte der Sporttourer R 100 RS eine Vollverkleidung. Zwei Jahre später folgte das ebenfalls 90 PS starke Schwestermodell R 100 RT. Es war ein komfortabler "Reise-Tourer", wie sich dies eingeschworene BMW-Fans schon lange gewünscht hatten. Mit Zubehör-Packtaschen ausgestattet wurde die RT zum idealen Luxusdampfer.



Stollenreiter: BMW R 80 G/S von 1981

Ende der 70er Jahre war unter den japanischen Herstellern ein regelrechtes Leistungswettrüsten ausgebrochen. Denken wir nur an die beiden über 100 PS starken Sechszylinder Big-Bikes Z 1300 von Kawasaki und CBX 1000 von Honda. Dazu kam eine schier unüberschaubare Modellvielfalt in allen Klassen. Ganz anders bei BMW, das Angebot bestand aus der R 45, R 65, R 80/7, R 100 T, R 100 RS und R 100 RT. Alle mit Zweiventil-Zweizylinder-Boxer-Motoren und Kardanantrieb, dazu in Ausstattung und Styling grundsolide. Von Hypersportlern, Enduros oder gar Softchoppern keine Rede, wer eine BMW kaufte, bekam etwas Bodenständiges.
Um so mehr überraschte im September 1980 die Vorstellung der R 80 G/S. Mit dieser großvolumigen Boxer-Enduro überbot BMW sämtliche damals auf dem Markt angebotenen 500er Einzylinder-Enduros. Das 50 PS starke Off-Road Bike mit beachtenswerter Monolever-Einarmschwinge und mit nur einem Federbein machte mit seinen großzügig bemessenen Federwegen im Gelände einen bravourösen Eindruck. Doch ihre wirkliche Stärke zeigte die G/S auf der Straße. Dank breitem Geländerlenker, niedrigem Fahrzeuggewicht und tadellosem Handling fuhr sich die Enduro mitten ins Herzen der Tourenfahrer.


Highlight in der "K-Modellreihe": BMW K1 
(Foto: BMW)

Zwar hatte BMW nun zu den biederen Straßenmodellen eine echte Modellvariante, der 1982 sogar die Straßenversion R 80 ST folgte, doch im Vergleich zu den aktuellen japanischen Sport- und Tourenmaschinen war BMW mit dem hubraum- und leistungsstärksten Boxer-Motor der R 100 RS und R 100 RT, mit jeweils 1000 ccm und 90 PS, an die Grenze einer sinnvollen Weiterentwicklung gestoßen.
BMW brauchte schleunigst ein neues Motorrad. Hatten die japanischen Hersteller mit quereingebauten Vierzylinder-Reihenmotoren den Markt fest im Griff, fanden die Bayern mit dem "Compact Drive System" eine ganz andere Lösung. Das 1000er 90 PS dohc-Vierzylinder-Triebwerk lag flach unter dem Tank, das Fünfganggetriebe war direkt am Motor angeblockt und via Kardanwelle, die in der Monolever-Einarmschwinge lief, gelangte der Kraftfluss ans Hinterrad. Diese Bauform war zunächst für manche gewöhnungsbedürftig und hatte auch gleich den Spitznamen "fliegender Ziegelstein" weg. Dafür wurde die 1983 präsentierte K 100 in der BMW-Geschichte zum Meilenstein. Neben der Boxer und Enduro-Baureihe konnten die Münchner mit Produktionssitz in Berlin nun eine neue, eigenständige Modellreihe anbieten. Und der Erfolg gab ihnen Recht. Neben der K 100 gab es die K 100 RS, bereits 1984 folgte die K 100 RT und 1986 die K 100 LT als damaliger Luxustourer. Für die 750er Klasse brachte BMW 1985 die K 75 C und K 75 S auf den Markt, denen später auch eine K 75 RT folgen sollte. 1996 lief die K 75-Serie allerdings wieder aus.


BMW R 1100 RS  mit Kat und ABS 
(Foto: BMW)

Ganz anders in der Vierzylinder-Baureihe. Ab 1988 gab es die K 100 RS und 
K 100 LT als weltweit erstes Serienmotorrad auf Wunsch mit ABS. Die Sensation in diesem Jahr war jedoch die K 1, eine bis heute jedoch umstrittene vollverkleidete Vierzylinder-Sportmaschine, die bis 1993 angeboten wurde. Neben dem ABS-Sicherheitsaspekt machte man sich bei BMW auch hinsichtlich der Umweltverträglichkeit große Gedanken. Waren Ende der 80er Jahre im PKW-Bereich G-Kats längst zur Selbstverständlichkeit geworden, suchte man auf Grund von fehlender Gesetzgebung diese Abgasentgiftung bei Motorrädern vergeblich. Bei BMW wartete man nicht auf Entscheidungen in Bonn und reagierte. Ab 1991 konnten die Vierventil-Vierzylindermodelle mit G-Kat geordert werden und schon 1992 wurde jede zweite Vierventil-BMW mit Katalysator verkauft.

Das Ende der traditionellen Boxer-Modelle schien mittlerweile besiegelt. Doch weit gefehlt. Die Bayern ohne Boxer-Motorrad - unvorstellbar! Rund zehn Jahre Entwicklungszeit investierten die Münchner in die neue Vierventil-Boxer-Generation, die ab 1993 zunächst als R 1100 RS zu haben war. Aber nicht nur das 90 PS Einspritz-Triebwerk, auch das Gitterrohr-Fahrwerk mit der Telelever Vorderradführung und Paralever-Einarmschwinge war neu. Nach Beginn der K-Serie 1983 hatte BMW 1993 mit den neuen Boxer-Modellen einen weiteren Meilenstein in der Firmengeschichte gesetzt. Aber längst nicht genug. Für BMW-Einsteiger führte das Werk im gleichen Jahr den Single F 650 ein. Und wem auch dieses Bike immer noch zu groß und schwer war, der konnte ab 2000 in den BMW Roller C1 steigen.


(Foto: BMW)

Grund zum Feiern hat BMW 2003: das Werk wird 80 Jahre alt. Um die Zukunft der deutschen Traditionsmarke braucht man sich keine Sorgen zu machen. In der Saison 2001 wurden immerhin weltweit 84.700 Maschinen an Kunden ausgeliefert. Und wer sich auch für "Gestern" interessiert, kommt im BMW-Museum in München voll auf seine Kosten.

Boxer Prachtstück im BMW Museum


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