BMW-Historie

Das Wunder von Monza

Noll/Cron werden 1954 auf BMW Weltmeister und
die BMW-Dominanz in der Gespannweltmeisterschaft
reicht bis in die 70er Jahre. 20 Markenweltmeisterschaften,
19 Fahrerweltmeisterschaften sprechen Bände



Gespannweltmeister 1954
Fritz Cron und Wilhelm Noll

Monza, 12. September 1954: Beim Großen Preis von Italien sehen Wilhelm Noll und sein Beifahrer Fritz Cron mit ihrem vollverkleideten BMW Gespann als Erste die Zielflagge. Damit ist klar: Der Weltmeistertitel in der Gespannklasse geht zum ersten Mal nach Deutschland, zum ersten Mal an BMW. Schließlich ist es für die beiden aus Kirchhain bei Marburg stammenden Fahrer schon der dritte Saisonsieg. Zuvor haben der Kfz-Mechaniker Noll und der Telefontechniker Cron mit dem Großen Preis von Deutschland und dem Großen Preis der Schweiz zwei WM-Läufe eindrucksvoll gewonnen.




Ihre erfolgreiche Saison wird durch zwei zweite Plätze - beim Ulster GP in Belfast und beim GP von Belgien in Spa-Francorchamps - und einen dritten Platz bei der TT auf der Isle of Man komplettiert. Damit ist das BMW Gespann nicht nur bei allen sechs WM-Läufen des Jahres aufs Podium gefahren. Noll / Cron haben außerdem die jahrelange Dominanz von Norton in dieser Disziplin durchbrochen. "Entscheidend", betont Noll heute, "war unter anderem die stark verbesserte Einspritzanlage unserer BMW". Der Lohn: Erstmals wird der Weltmeistertitel nach Deutschland geholt.


"Wer ausfällt, hat überzogen"

Zu Beginn der Saison sieht es danach allerdings überhaupt nicht aus: Der Engländer Eric Oliver, vierfacher Weltmeister und amtierender Titelverteidiger, kann mit seinem Beifahrer Les Nutt die ersten drei Rennen auf seiner verkleideten Werks-Norton für sich entscheiden. Beim Feldbergrennen, das nicht zur Weltmeisterschaft zählt, hat Oliver jedoch einen schweren Unfall, in dessen Folge er beim Deutschen GP auf der Solitude bei Stuttgart nicht an den Start gehen kann. Damit bekommen Noll und Cron ihre Chance: Sie erringen mit der Einspritzer-RS den ersten BMW Sieg bei einem WM-Lauf überhaupt. Einen GP-Sieg, den sie, wie Noll versichert, auch aus eigener Kraft erreicht hätten, denn "zu dem Zeitpunkt, als Oliver beim Feldbergrennen ausfiel, lagen wir ohnehin schon fünf Sekunden vorne - außerdem: wer ausfällt, hat überzogen." Beim Schweizer Grand Prix, dem fünften Lauf der Saison, gehen Noll / Cron wiederum als erste durchs Ziel. Konkurrent Oliver fährt lediglich zwei Punkte ein, und vor dem letzten Rennen in Monza liegen beide Fahrer punktgleich mit 26 Zählern an der Spitze. Doch Oliver kann auch in Monza nicht starten, sein Arm wird wieder in Gips gelegt. Damit brauchen Noll / Cron nur zu punkten.




Vollverkleidet zum WM - Titel

Doch die beiden, die in Monza erstmals mit einem ebenfalls vollverkleideten Gespann an den Start gehen, wollen sich damit nicht begnügen. Vom Start weg führen sie das Rennen souverän an und fahren in jeder Runde über vier Sekunden Vorsprung auf das Norton Gespann Smith / Dibben heraus. Zwar ist die Presse enttäuscht, dass es nicht zum großen Showdown kommt. Mit ihrer souveränen Fahrt haben Noll und Cron aber bewiesen, dass sie würdige Weltmeister sind. In Deutschland werden nach der Fußball-WM erneut Weltmeister gefeiert - diesmal im Motorradsport: "Unser Titel war bundesweit großes Thema", erinnert sich Noll. Gegen die neue Vollverkleidung, die hervorragenden Bremsen und die souveräne Teamtaktik von BMW, in der "an oberster Stelle ein Sieg des Fabrikats, dann erst einer des Fahrers steht", hätte wohl auch Oliver keine Chance gehabt.
Mit dem ersten WM Titel 1954 beginnt eine im Rennsport einmalige Serie: Bis 1974 werden auf BMW Gespannen 19 Fahrer- und 20 Markenwelt-meisterschaften errungen. Noll / Cron können ihren Titelgewinn 1956 wiederholen, nachdem sie sich 1955 mit der Vizeweltmeisterschaft begnügen mussten. An der Weltspitze steht somit zum zweiten Mal ein Gespann, dessen Fahrer seine Begeisterung für Seitenwagenrennen mit den Worten "normal ist mir zu gefährlich - ein Seitenwagen steht immer auf drei Rädern" erklärt. Nach dem letzten WM Lauf beenden beide im Herbst 1956 ihre Karriere.


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