Bridgestone 175 Hurricane Scrambler
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"Like a Rolling-Stone"
Bridgestone gehört zu den größten Reifenherstellern
der Welt.
Fast unbekannt ist dagegen, dass die japanische Firma von 1958
bis 1970 Mopeds und Motorräder gebaut hat. Es waren pfiffige
Zweitakt-Maschinchen von 50 bis 350 ccm.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Senff
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Die Karriere des heute zweitgrößten
Reifenherstellers der Welt begann relativ spät. Shojiro Ishibashi
gründete 1928 bei Nippon Rubber Co. eine Reifenabteilung. Zwei Jahre
später wurden die ersten Pneus für Personenwagen produziert, 1931 die
Abteilung in das unabhängige Unternehmen "Bridgestone Tire Company,
Ltd." umgewandelt. Ab dieser Zeit ging es mit dem Reifen- und
Gummigeschäft in Siebenmeilenstiefeln vorwärts. 1935 erweiterte man das
Fertigungsprogramm mit der Herstellung von Golfbällen. Gut zehn Jahre
später, 1946, kamen Fahrräder dazu. Das Hauptaugenmerk lag aber
weiterhin bei der Reifen-Produktion. Das Werk wurde in Japan
Erstausstatter für Autos von Ford, General Motors und Chrysler. Mit
Goodyear/USA vereinbarte man eine technische Zusammenarbeit. 25 Jahre nach
Firmengründung hatte sich Bridgestone bereits zum zehntgrößten
Gummihersteller der Welt etabliert!
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Was in der damaligen Produktionsvielfalt
allerdings noch fehlte, waren motorisierte Fahrzeuge. Die Antwort fanden
die agilen Reifen-Manager schnell: Ab 1958 wurden bei Bridgestone 50 ccm
Mopeds und ab 1963 sogar Motorräder gebaut. Zunächst war es eine 90er
Einzylinder-Zweitakt-Maschine, die Drehschieber gesteuerte 90S EA-II. Aber
schon 1965 folgte die 180TA-I. Ein flinkes 177 ccm
Zweizylinder-Zweitakt-Motorrad mit interessanten Finessen. Die von den
Bridgestone-Ingenieuren entwickelte Antriebseinheit war gespickt mit
technischen Innovationen. Rechts und links neben der Kurbelwelle saßen
versteckt hinter Seitendeckelchen jeweils ein Mikuni VM
22-Rundschiebervergaser, die Einlasssteuerung übernahmen
Platten-Drehschieber. Für eine zuverlässige Schmierung war neben dem
linken Vergaser eine drehzahl- und lastabhängige Ölpumpe platziert, die
den Motor mit dem lebenswichtigen Zweitakt-Schmierstoff versorgte. Da bei
dieser Motor-Konstruktion kaum noch Raum für die Lichtmaschine und
Zündanlage blieb, verlagerten die Techniker den 12
Volt-Wechselstromgenerator mit dem linksseitig eingebauten
Unterbrecher-Paar oberhalb vom Getriebe direkt hinter den Zylindern. Den
Antrieb des Strom- und Zündspenders übernahm, von der Kurbelwelle direkt
angetrieben, ein Zahnradpaar mit dem Übersetzungsverhältnis 1:1. An eine
Wartungshilfe beim Einstellen des korrekten Zündzeitpunktes hatten die
japanischen Konstrukteure auch gedacht. Vorne am linken Kurbelgehäuse war
eine Blindschraube angebracht, die man durch einen passenden Stift
ersetzen konnte. Wurde die Kurbelwelle langsam gedreht, rastete dieser
Stift in einer der beiden Bohrungen in der Hubscheibe ein. Jetzt war die
Welle so fixiert, dass der Zündkontakt vom rechten oder linken Zylinder
gerade öffnen musste. Für den anderen Zündkontakt wurde die Kurbelwelle
180 Grad weitergedreht, bis der Stift in die zweite Bohrung einrastete.
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Die Kurbelwelle war rollengelagert, in
den Alu-Zylindern war die Kolbenlaufbahn mit Hartchrom versehen. Aus 50 mm
Bohrung und 54 mm Hub schöpfte der 9:1 verdichtete Twin exakt 177 ccm.
Die Motorleistung wurde vom Werk mit 20 PS bei 8000/min angegeben. Ein
weiteres Schmankerl war das Fünfganggetriebe. In klassischer Art ließen
sich die Gänge per Schaltwippe wählen. Der Erste wurde durch Tritt vorne
auf das Hebelchen eingelegt, alle weiteren vier Gangstufen durch einfachen
Kick hinten auf die Wippe "hoch geschaltet". Zurück gings wie
gewohnt: Tick vorne auf die Wippe, 4. Gang eingelegt, noch ein Kick 3.
Gang - usw. Da aber japanische Biker offensichtlich bequem waren und
Komfort wünschten, hatten sich die Bridgestone-Leute etwas Besonderes
einfallen lassen. Wurde ein kleiner Handhebel über der Schaltwippe von
der Markierungen "5 Return Change" auf "4 Rotary
Change" gestellt, ließ sich durch nochmaliges
"Hochschalten" direkt vom 4. Gang sofort in den 1. Gang
zurückschalten. Gedacht war diese Technik für den Stadtverkehr beim Halt
vor Ampeln, an Kreuzungen und vor Stopschildern. Wurde auf freier Strecke
allerdings aus Versehen das "Schnell-Schaltsystem" genutzt und
bei vollem Karacho vom 4. in den 1. Gang zurückgeschaltet, gab es in
aller Regel Getriebesalat...
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Das Fahrwerk war auf dem Stand der
damaligen japanischen Motorradbaukunst: Einrohr-Rahmen und Schwinge aus
Stahlrohren, vorne Telegabel und am Heck zwei Federbeine. An Einstell-
oder Verstellmöglichkeiten für die Federvorspannung oder das
Dämpfersystem dachten die Bridgestone-Techniker aber noch nicht. Dafür
war vorne eine Duplextrommelbremse mit 180 mm Durchmesser eingebaut,
hinten verzögerte eine Trommelbremse mit ebenfalls 180 mm Durchmesser.
Den Kontakt zur Fahrbahn gewährleisteten vorne ein 3.25 - 18 und hinten
ein 3.50 - 18 Bridgestone-Pneu. Rund 125 kg brachte die 180 TA-I auf die
Waage, leicht genug, um mit dem 20 PS starken Zweitakt-Geschoss auf dem
Highway "flachgemacht" gut 140 Sachen zu erreichen.
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Lange bevor der Enduro-Boom losging, gab
es bereits geländetaugliche Motorräder, die sogenannten Scrambler.
Auffällige Merkmale dieser "Off-Road" Bikes waren Trial-Reifen,
hochgelegte Auspuffanlage und ein hoher Lenker. Bridgestone dachte an
beide Fraktionen: an die Straßen- und Geländefahrer. Für die
Asphaltheizer gab es die "175 Dual-Twin", für die
Schotterspezis die "175 Hurricane Scrambler", so die offizielle
Verkaufsbezeichnung der TA-I. In Japan machte Bridgestone mit dem
Einzylinder-Modell 90 S EA-II die meisten Umsätze, die 175er
Zweizylinder-Maschinen waren die Exportschlager. In den USA gingen die
rund 600 Dollar teuren Bikes weg wie warme Semmeln, nur wenige Maschinen
kamen nach England, das restliche Europa ging leer aus.
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Nach drei Jahren Bauzeit wurde für 1968
der Hubraum der Zweizylinder-Maschine von 177 auf 200 ccm aufgestockt.
Doch die Sensation waren in diesem Jahr zweifellos die neue Bridgestone
350 GTR und 350 GTO. Die GTR war das Straßen-Bike, die GTO der Scrambler
mit den obligatorischen hochgelegten Auspuffrohren und Stollenreifen. Auf
der Basis des Drehschieber gesteuerten "175 Dual-Twins" war die
neue 350er eine logische Weiterentwicklung. Die Bohrung betrug 61 mm, den
Hub verlängerte man auf 59 mm, woraus sich 349 Kubik-Arbeitsvolumen
ergab. Mit der Leistungsangabe geizte Bridgestone nicht: 40 PS bei
7500/min! Für atemberaubenden Sprint und versprochene 180 km/h Spitze
sorgte ein Sechsganggetriebe. Mit diesem Potential war die Bridgestone
Klassenprimus.
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(Foto: Senff)
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Waren es üblicherweise Honda, Yamaha,
Suzuki und Kawasaki, die mit ihren schnellen Maschinen das Blut der Fans
in Wallung brachten, sorgte nun der Reifenmulti bei der Kundschaft für
Aufregung - und das gleich im doppelten Sinne. Die Motorradfahrer in Japan
und den USA rissen sich regelrecht um die 850 Dollar teuren 350er
Sportflitzer, die vier japanischen Mitbewerber, die von Bridgestone mit
Reifen beliefert wurden, waren dagegen stinkesauer. Bridgestone war zum
ernsthaften Konkurrenten geworden. Das wollten und konnten sich "die
vier Großen" nicht länger bieten lassen. Hinter vorgehaltener Hand
musste sich das Werk massive Kritik gefallen lassen. Bevor sich die Firma
auf dem Motorradmarkt einen festen Platz erobern konnte, war es mit dem
Erfolg schon vorbei. Dabei lagen bereits Pläne für die nächsten
Motorrad-Sensationen in der Schublade. Doch es sollte nicht sein. Ein Clou
gelang den Technikern allerdings doch noch. Für die GP-Saison 1967 bauten
sie eine 50 ccm wassergekühlte Zweizylinder-Zweitakt-Rennmaschine. Die
"Bridgestone EJR 50 VII" leistete 17,5 PS, im Getriebe tummelten
sich 14 Gänge!
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Laut unbestätigter Gerüchte wurde Ende
der sechziger Jahre der "Druck" von den anderen japanischen
Motorradherstellern jedoch immer größer, und so beschloss das
Bridgestone-Management 1970, die Produktion der Motorräder einzustellen.
Sang- und klanglos verschwanden die schnellen Bikes vom Markt, die
Vertragshändler erfuhren per Rundbrief von der Firmenentscheidung. Bei
Bridgestone selbst vergaß man das Motorradengagement recht schnell. In
einer Firmenhistorie, die man für Werbezwecke drucken ließ, steht 20
Jahre später kein Wort von den Motorradmodellen.
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Technische Daten
Bridgestone 175 Hurricane Scrambler
Baujahr 1965
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Motor
Fahrtwindgekühlter Zweizylinder-Zeitakt-Twin-Motor,
Drehschieber-Einlaßsteuerung; zwei Mikuni VM 22 Rundschiebervergaser;
Bohrung x Hub 50 x 54 mm; Hubraum 177 ccm; Verdichtung 9,5:1; Leistung 20
PS bei 8000/min; Frischöl-Schmierung über drehzahl- und lastabhängige
Ölpumpe; 12 Volt-Batterie-Zündanlage mit zwei Unterbrecherkontakten;
Kraftübertragung
Primärantrieb über Zahnräder; Mehrscheibenkupplung
im Ölbad, wahlweise Vier- oder Fünfganggetriebe, Endantrieb über Kette
Fahrwerk
Einrohr-Stahlrahmen, Telegabel, Rohrschwinge mit zwei
Federbeinen; Bremse vorne Duplextrommelbremse Ø
180 mm, hinten Trommelbremse Ø 180 mm; Trial-Bereifung vorne 3.25
- 18, hinten 3.50 - 18; Radstand 1230 mm, Lenkerbreite 700 mm,
Sitzbankhöhe 770 mm; Gewicht 125 kg, Tankinhalt 14 Liter
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Höchstgeschwindigkeit
140 km/h
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