Harley-Davidson
Modelle "Meilen-Zähler" Eine Harley-Davidson ist Kult
und Mythos zugleich. Text&Fotos: Winni Scheibe
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Anfang
der achtziger Jahre stand es bei Harley-Davidson mit der Qualität
längst nicht zum Besten. Von vielen wurden die Bikes aus Milwaukee
ketzerisch als "amerikanischer Kernschrott" abgetan. Ein Ruf, der
sich nachhaltig auf den Verkauf auswirkte. Und es war nicht das erste
Mal, dass man mit diesem Problem zu kämpfen hatte. 1968 wurden
lediglich 26.000 Maschinen gefertigt, damals stand das
Familienunternehmen kurz vor dem Ruin. Als "Retter in der Not"
trat 1967 der Mischkonzern AMF auf den Plan und kaufte das Unternehmen.
Zwar war nun die Weiterproduktion gesichert, auch investierte AMF
erhebliche Gelder in die marode Traditionsmarke, doch rückblickend
dürfen die nachfolgenden Jahre als schwarzer Fleck in der
Harley-Geschichte betrachtet werden. Fehler im Management, Streiks,
Lieferschwierigkeiten und schlechte Verarbeitung ließen in kürzester
Zeit den guten Namen von Harley-Davidson verblassen. Im Frühjahr 1981
ließen die ehemaligen Harley-Davidson Besitzer und einige Firmenmanager
in einer gemeinsamen Presseerklärung die Fachwelt von einem geplanten
Rückkauf wissen. Und tatsächlich. Wenige Monate später wurde der Deal
perfekt. Mit professionellem Management brachten sie die Firma
nachhaltig auf Vordermann. Mitverantwortlich war zweifellos die neue
"Evolutions-Generation",
die ab 1984 auf den Markt kam. "Getarnt" im alten Outfit war die
Technik nun up-to-date. Insider behaupten sogar, sie sei so gut wie
"japanisch".
Die neuen Harleys fuhren sich mit Vollgas in die Herzen der Fans, und
was daraus geworden ist, sehen wir ja heute... |
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Zunächst wurde der optische Zustand in Augenschein genommen. "Da braucht ihr nicht lange suchen, die Kratzer sind alle echt, schließlich habe ich mit dem Bike zehn Jahre verbracht," ließ Jürgen Felke gleich wissen. "Vom Putzen und Polieren halt ich net viel, ich bin mehr fürs Fahren. Richtig gewaschen hab ich die Harley maximal einmal im Jahr und Schönheitsreparaturen lehn` ich grundsätzlich ab". So gesehen macht sie einen guten Eindruck, und wenn man wollte, ließe sich mit etwas Politur nachhelfen... Entscheidend für das relativ gute Bild ist die Tatsache, dass Felke mit dem Dampfhammer nie über salzgestreute Straßen gefahren war. Alu- und Chromteilen sah man das Alter nicht an. Nur die hintere Scheibenbremse fiel beim genaueren Hinsehen auf: Rost. "Is´ alles noch original, Bremsscheibe und sogar die Bremsklötze, denn wer bremst schon hinten," betont Felke. Dass er weiß, wie man richtig bremst, wollte der Hobby-Endurofahrer allerdings erwähnt haben, nur sei die "Liberty" allerdings kein Wetzhobel, mit der man ständig auf der letzten Rille in die Eisen steigt. Eine exakte Aufstellung, wieviel Paar Bremsbeläge, wieviele Reifen und wieviel Benzin er innerhalb der 200.000 Kilometer verschlissen und vertankt hat, gibt es leider nicht. Schließlich konnte vor zehn Jahren keiner ahnen, dass ausgerechnet sein Bike als "HD-Dauertestmaschine" mal interessant werden würde. "Aber auch ohne diese Aufzeichnungen kann ich ziemlich genau sagen, was in der Zeit abgegangen ist", erzählt Jürgen Felke. "Knapp 3000 Kilometer habe ich die Maschine eingefahren, alle Wartungen und Inspektionen wurden bei X-Cycles in Stuttgart gemacht. Der Hinterradreifen hielt im Schnitt 10.000 und der vordere Pneu 15.000 Kilometer. Es waren immer Dunlop Elite-II Reifen. Die vorderen Bremsbeläge wurden alle 20.000 Kilometer erneuert. Je nach Fahrweise verbrauchte die Harley zwischen 5,5 und 8 Liter bleifreien Kraftstoff." |
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Alle Reparaturen und Defekte lassen sich an einer Hand abzählen. Das erste Problem war ein eingerissenes Ansauggummi. Dieses Malheur passierte während einer Schweden-Tour, Tacho-Stand 21.000 km. Es war aber weiter nicht tragisch, denn eine Harley-Werkstatt konnte helfen. Die nächste Panne erlebte er in Südfrankreich, als ein vorderes Radlager nach 110.000 Kilometern seinen Geist aufgab. Aber auch hier war eine Motorradwerkstatt hilfsbereit. 10.000 km weiter kam es zum ersten und einzigen richtigen Defekt, die Getriebehauptwelle war ausgeschlagen. Die letzte größere Reparatur war bei 150.000 km fällig, als das rechte Standrohr erneuert werden musste. Und dann sei noch zu erwähnen, dass ab 100.000 km der Ölverbrauch langsam aber sicher ständig anstieg. Zum Schluss, also bei 200.000 km auf der Uhr, lag er bei Landstraßenfahrerei bei etwa einem Liter und auf der Autobahn bei gut zwei Liter pro 1000 km. Während der gesamten Fahrzeit wurde ausschließlich handelsübliches Mehrbereichsöl verwendet. Dass während der gesamten Betriebszeit nicht mehr kaputt gegangen ist, schreibt Jürgen Felke seinem defensiven und materialschonenden Fahrstil zu. "Die ersten 20 Kilometer fahre ich das Triebwerk grundsätzlich behutsam warm und dann drehe ich den Motor nie über 4000 Touren", verrät er sein Geheimnis. "Den größten Spaß macht es zwischen 1500 und 3500 Touren zu fahren. Das sind auf der Bahn maximal 130-140 Sachen und damit kommt man auch ganz gut vorwärts." |
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Dass
es so ist, beweisen die Ausflugsziele. Ob Nordkap, England, Schottland,
Isle of Man, Frankreich, Spanien, Portugal, Gibraltar, Italien und
Griechenland sowie den halben Ostblock hat er mit seiner "Liberty"
erkundet. Dazu hat er noch alle Alpenpässe abgefahren, ganz gleich ob
asphaltiert oder als Schotterpiste. Von den 200.000 Kilometern saß zur
Hälfte seine Lebensgefährtin mit auf der Sitzbank, den Rest hat er solo abgespult. Meist mit Campingausrüstung, ins Hotel ging's nur im
"Notfall".
Während er das erzählte, war die Harley bereits halb zerlegt. Die erste
positive Überraschung war der Primärantrieb. "Wie neu",
beurteilte Rolf Fuchs den Kettentrieb. Um den Motorblock leichter aus
dem Fahrgestell zu hieven, demontierte der HD-Schrauber zunächst alle
Bauteile "drumherum". Wenig später lag der Motor in seinen
Bestandteilen auf der Werkbank. Bereits vom Ansehen machten die Sachen
einen guten Eindruck. Lediglich die Brennräume und Ventilteller waren mit
Ölkohle verkrustet, was eindeutig vom hohen Ölverbrauch stammte. Ans
Eingemachte ging beim Vermessen (siehe Kasten: Zahlen und Fakten).
Kaputt war im Prinzip nichts. Nur die Nockenwelle wies am Lagerzapfen Verschleißspuren
auf und die Kolben sowie Kolbenringe waren ebenfalls verschliessen. Richtig gut zeigten sich dagegen die Zylinderlaufbahn und
die Kurbelwellen- und Pleuellagerung. Auch der Kupplung und dem Getriebe
konnte man die Strapazen nicht ansehen. Die Fahrwerkslagerung,
Steuerkopf-, Schwingen- und Radlager waren tadellos in Schuss. |
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