Motorrad-Marken


Harley-Davidson FLHR Electra Glide Road King
Modelljahr 1995

"Mythos fürs Fernweh"

Die Harley-Davidson Electra Glide gab es zum ersten Mal 1965. Seither hat sich viel getan, in Amerika, im Harley-Werk und bei der Electra Glide. Die Road King ist das aktuelle Modell aus dieser Baureihe. Sie ist ein schwergewichtiger Highway-Glider fürs genüssliche Reisen.

Text & Fotos: Winni Scheibe




Der Betrachter glaubt sich hundertprozentig sicher und bekundet seine Anerkennung für die gelungene Restauration. Wie neu parkt die Harley lässig auf dem Seitenständer, der Lack glänzt, der Chrom spiegelt. Die Maschine steht auf dicken 16-Zoll-Reifen, die von breiten Stahl-Kotflügeln abgedeckt werden. Jedes Detail lässt sich angucken. Sei es die verchromte Lampe, der breite Lenker, die Windschutzscheibe, der große Tacho auf dem Benzintank, die Trittbretter für den Fahrer und Beifahrer, das Heck mit den Koffern und natürlich der gewaltige V-Motor. Störend wirken bei dem Klassiker lediglich die Guss-Felgen und Scheibenbremsen. Zweifel werden wach. Sollte es sich bei der Electra Glide Road King gar nicht um einen aufgemöbelten Oldtimer handeln? Harley-Davidson ist der Streich prächtig gelungen. Das Bike stammt nämlich aus dem aktuellen Modellprogramm von 1995, es wurde absichtlich im Stil der 60er Jahre designed. Die Harley-Manager kennen die Wünsche ihrer Kundschaft ganz genau, sie haben diese "moderne" Maschine mit klassischen Elementen ausgestattet. 



Harley-Davidson Road King Modelljahr 1995



Harley-Davidson Electra Glide von 1978


Die Electra Glide-Modellreihe gibt es seit 1965. Damals  war sie das erste Big Bike von Harley mit Elektrostarter, die sogenannte FLHE "Panhead", ein Luxus-Tourer für die anspruchsvollen Biker. Damals war das Motorrad ein Meilenstein in der Harley-Geschichte. Seit dieser Zeit hat sich viel getan. Ab 1984 werden die Harleys von den Evolution-Triebwerken angefeuert, einen Vergleich zur Konkurrenz braucht die amerikanische Edelmarke nicht zu scheuen. Die Motoren sind standfest und unverwüstlich, die Scheibenbremsanlagen funktionieren mittlerweile zufriedenstellend, den Endantrieb übernimmt bei allen Harley-Modellen ein Zahnriemen. Dennoch, Tradition wird bei Harley weiterhin groß geschrieben. Nicht nur, dass die King Road wie ein Motorrad aus den 60er Jahren wirkt, auch bei der Fertigung vertraut Harley überwiegend auf eigene Produkte, rund 80 Prozent aller Bauteile werden selbst hergestellt- viele Sachen wie eh und je in Handarbeit, versteht sich. Auch sind viele Teile üppig dimensioniert, so dass der Eindruck entsteht, das Motorrad soll die nächsten 100 Jahre funktionieren. Und so wundert es auch nicht, dass der Brocken 325 kg wiegt. Wer die Maschine rückwärts in eine Parklücke bugsiert, kommt schnell ins Schwitzen. Im Fahrbetrieb ist die Plackerei rasch vergessen. Gemütlich rollt man mit der Road King über den Asphalt. Nichts verleitet zum Schnellfahren oder Rasen. 




Ganz im Gegenteil. Wie auf der Brücke eines Ozeandampfers thront man auf dem Bike, hat den gebogenen Lenker lässig in den Händen und harrt der Dinge, die da kommen. Man schwebt regelrecht über die Fahrbahn. Die Füße stehen auf den Trittbrettern, zum Gangwechsel genügt ein leichter Tritt auf die Schaltwippe, zum Bremsen des Hinterrades wird der rechte Fuß auf das Bremspedal gestellt. Diese Arbeit erfordert Zeit, Stress kommt nicht auf. Ist der fünfte Gang eingelegt, braucht man sich keine Gedanken mehr zu machen. Ab 50 km/h zieht der dicke 60 PS Motor selbst im großen Gang die Chose vorwärts. Unter einem rumort zwar irgendwo der 1338 ccm V-Motor, doch den eigentlichen Pulsschlag, sowie nervige Vibrationen, spürt man kaum - das Triebwerk ist nämlich in Gummielementen gelagert. Die Fahrwerksabstimmung lässt keine Wünsche offen. Satt liegt die Road King auf der Straße. Ganz gleich, ob bei "Stop and Go" im Stadtverkehr, auf verwinkelten Landstraßen oder kilometerlangen Autobahnetappen: Der Weg ist das Ziel.




Fürs komfortable Fahren sorgt die bequeme Sitzposition, Schutz vor Insekten, Fahrtwind und Regentropfen gewährleistet die Windschutzscheibe. Auch der Sozius kommt auf seine Kosten, als Beifahrer lässt sich gut auf der Road King sitzen, die Füße stehen genauso wie die vom Fahrer auf Trittbrettern. Serienmäßig gehören die Gepäcktaschen zum Bike, auch die vorderen und hinteren Sturzbügel sind Standard. Voll getankt, mit zwei Personen besetzt und bis an die gesetzliche Belastungsgrenze bepackt kann man dem Brummer einiges zumuten. Weit über eine halbe Tonne - genau 571 kg - darf sie dann auf die Waage bringen.




Im Reigen moderner Plastikbomber, Hypersportler und Geländehüpfer oder was es sonst noch so auf dem Markt gibt, nimmt eine Harley-Davidson immer noch eine Sonderstellung ein. Mit ihr durch die Gegend zu fahren, ist was Besonderes. Die Road King schafft es hervorragend, einem das Gefühl der Einstellung des amerikanischen "Way of Life" zu vermitteln.


Technische Daten
Harley-Davidson FLHR Electra Glide Road King
Modelljahr 1995


Road King Modelljahr 1995


Road King Modelljahr 2004


Motor:
fahrtwindgekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, eine untenliegende Nockenwelle, wartungsfreie Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, zwei Ventile pro Zylinder, ein Keihin-Unterdruckvergaser, Ø 40 mm, E.-Starter

Hubraum: 1338 ccm, Bohrung x Hub 88,8 x 108 mm

Verdichtung: 8,5 : 1

Leistung: 44 kW (60 PS) bei 5000 U/min

max. Drehmoment: 102 Nm bei 3000 U/min

Höchstgeschwindigkeit: 154 km/h

Kraftübertragung: Primärantrieb über Kette, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über Zahnriemen

Fahrwerk: Rohrrahmen aus Stahl, Telegabel, 41 mm Standrohrdurchmesser, Federweg 117 mm; hinten Vierkant-Schwinge aus Stahl, zwei Federbeine, Federweg 76 mm, Nachlauf 157 mm, Radstand 1592 mm

Bremsen: vorne gelochte Doppelscheibenbremse, Ø 292 mm, hinten Scheibenbremse, Ø 292 mm

Räder/Bereifung: vorne und hinten Alu-Guss-Räder, Bereifung vorne MT 90 B 16, hinten MT 90 B 16

Elektrik: 12 Volt kontaktlose Transistorzündung

Sitzhöhe: 740 mm

Gewicht: 325 kg

Tankinhalt: 18,5 Liter

Preis: 31.480 Mark


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