Motorrad-Marken

Honda VT 1100 C2
Modelljahr Jahr 1999

"Kopie-Reiter"

Chopper sind weiterhin voll in. Allen vorweg die von Harley-Davidson. Andere Factories haben ebenfalls längst den Bedarf spitz bekommen. Steht jedoch eine Honda VT 1100 C2 neben dem US-Original,
kann es leicht zur Verwechslung kommen. Fachleute und Fans
streiten dann, was ist das Original und was ist die Fälschung.

Text&Fotos: Winni Scheibe




Folgende Situation ist weder frei erfunden, noch entstammt sie irgendeiner blühenden Phantasie. Es ist ein Ereignis direkt aus dem Leben - so wie es jedem Honda VT 1100 C2 Chopperfahrer heute, morgen, übermorgen, nächste Woche - eigentlich jeden Tag, jede Stunde passieren kann. Doch schön der Reihe nach. Mit einem Chopper durch die Gegend zu gondeln, ist eine der herrlichsten Sachen der Welt. Ohne Stress und Hektik, immer der Nase lang. Hat man ein Ziel, auch gut. Dieses Ziel kann ein Biker-Treff sein, die Stammkneipe oder wie in unserem Fall die Eisdiele im Nachbarort. Chopper und Eisdiele passen sowieso gut zusammen. Natürlich ist man mächtig stolz, mit der Honda vorzufahren. Das Bike macht schließlich mächtig was her. Für alle Gäste und natürlich für einen selbst gut sichtbar wird der Highway-Gleiter direkt vor dem gut besuchten Straßencafe geparkt.




Ein freies Plätzchen ist schnell gefunden, ein Cappuccino bestellt. Und dann passiert´s. Drei junge Damen fragen, ob sie sich mit an den Tisch setzen dürfen. Man kommt gleich ins Gespräch. Eine erzählt, dass ihr Bruder auch eine Harley-Davidson besitzt, dass er seine Maschine hegt und pflegt und sie ständig putzt. Man nickt, versucht zu erklären..., doch sie lässt sich nicht unterbrechen. Begeistert berichtet sie von einer Tour und vom irren Gefühl, auf einer Harley mitzufahren.
Eigentlich sei sie überhaupt kein Motorradfan, fährt sie fort, doch die Harley ihres Bruder sei etwas ganz Besonderes. Wieder nicke man und versuche erneut... möchte aber nicht unhöflich sein. Und so erzählt sie weiter vom Ausflug, von den Leuten, wie die geguckt haben und von den anderen Bikern, die man unterwegs getroffen habe. Ja eine Harley, das ist schon ein tolles Motorrad, schwärmt sie mit leuchtenden Augen. Ihre Begeisterung ist echt, die Tour muss sie tief beeindruckt haben. Wieder nicke man und stellt nun aber klar, dass die Maschine da drüben überhaupt keine Harley-Davidson sei, sondern eine Honda. Einen Moment lang herrscht am Tisch Totenstille - dann platzen alle drei Damen gleichzeitig heraus: Dürfen die das denn überhaupt!?!




Und ob sie dürfen. Harley-Davidson kann schließlich keinem verbieten Chopper zu bauen. Letztendlich liegt es aber am Biker, für welche Marke er sich entscheidet. Hier spielt sicherlich der Geschmack und auch der Geldbeutel eine erhebliche Rolle. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, soooo schlecht sind die Chopper aus "Japan" nun auch wieder nicht.
Bleiben wir gleich bei der Honda. Dass sie eine freche Harley-Kopie sei, wird von den Honda-Leuten nachdrücklich dementiert. Genau das Gegenteil sei der Fall. Um dem Besitzer das echte amerikanische "Way of Life" Gefühl zu vermitteln, habe man die Maschine nicht in Japan, sondern in den USA entwickelt, und sie wird sogar dort gefertigt.

Was die Honda Leute allerdings freiheraus zugeben ist, dass man sich bei der Konstruktion der VT 1100 V2 bewusst nach den Bedürfnissen der amerikanischen Biker orientiert habe. Und so darf es eben nicht wundern, dass sie wie eine Harley ausschaut. So echt, dass es zu Verwechslungen kommen kann...




Betrachtet man die technische Ausführung, lassen sich zur Harley außer dem 45-Grad-Zylinderwinkel allerdings keinerlei Parallelen finden. Das 1100 ccm und 50 PS starke Triebwerk verkörpert japanischen Motorenbau-Standard. Der Motor ist flüssigkeitsgekühlt, hat obenliegende Nockenwellen, drei Ventile pro Zylinder, für jeden Zylinder einen Vergaser und Kardanantrieb.




Im Fahrbetrieb kommen dann aber wieder die Erinnerungen an Harley auf. Das Triebwerk hat "Dampf aus dem Keller" und gewährleistet niedertouriges Fahren. Zum "Motor-Bums" gehören natürlich auch noch die choppertypischen „Vibrationen". Auch damit kann der japanisch V-2-Twin dienen, deutlich lässt er den Biker spüren, dass unter dem Tank ein kräftiges Triebwerk arbeitet. Damit die Vibrationen aber nicht überhand nehmen, haben die Konstrukteure die Motoraufhängung in Gummiböcke gelagert.




Das "American way of life"-Gefühl geht dadurch nicht verloren. Würde man die VT 1100 C2 mit verschlossenen Augen fahren, könnte man tatsächlich denken, es ist eine Harley. Eigentlich ist es eine tolle Sache, wie gut das die Japaner hinbekommen haben, doch wie heißt es so treffend: Es gibt nur eine echte Rolex, alle anderen sind eben nur Kopien...


Technische Daten

Honda VT 1100 V2 Shadow
Modelljahr 1999

Motor
flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, je eine über Kette angetriebene obenliegende Nockenwelle, drei Ventile pro Zylinder, zwei Keihin-Gleichdruckvergaser, E.-Starter,
Hubraum 1099 ccm, Bohrung x Hub 87,5 x 91,4 mm, Verdichtung: 8 : 1, Leistung 37 kW (50 PS) bei 4500 U/min, max. Drehmoment: 86 Nm bei 2500 U/min,12-Volt-Batterie-Zündanlage mit kontaktloser Transistorzündung

Kraftübertragung
Primärantrieb über Zahnräder, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Fünfganggetriebe, Kardan

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, 41 mm Standrohrdurchmesser, Federweg 150 mm; hinten Stahl-Schwinge, zwei Federbeine, Federvorspannung verstellbar; Federweg 100 mm, Nachlauf 155 mm, Radstand 1650 mm.
Bremsen vorne Scheibenbremse, Ø 316 mm, hinten Scheibenbremse, Ø 276 mm.
Räder/Bereifung vorne und hinten Drahtspeichen-Räder, Bereifung vorne 120/90 H 18, hinten 170/80 H 15,
Sitzhöhe: 730 mm, Gewicht: 281 kg, Tankinhalt: 15 Liter

Höchstgeschwindigkeit
165 km/h

Verbrauch
6,5 Liter Normal bleifrei/ 100 km

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