HONDA CB450
"Black Bomber"
1946 beschloss Soichiro Honda, mit
der Herstellung von Mopeds
seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Was
daraus geworden ist,
wissen wir heute - die weltgrößte Motorradfabrik.
1965 setzte der
agile Firmenboss mit der Großserienmaschine CB450 den
ersten
Meilenstein in der Firmengeschichte. Doch bevor es soweit war,
machte Honda-san zunächst das dicke Geschäft mit
kleinen
Zweitakt-Maschinen.
Text:
Winni Scheibe
Foto: Scheibe, Honda
Hondas erster großer Meilenstein von
1965: CB450
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1996
war für Honda eigentlich ein Festjahr. Der japanische Motorradgigant
hätte den 50. Geburtstag feiern können. Schließlich begann Soichiro
Honda 1946 in einer kleinen Holzbude Mopeds zusammenzubasteln.
Nichtsdestotrotz hing an der Tür ein Schild mit der Aufschrift "Honda
Technical Research Institute". Dahinter werkelte der Chef
höchstpersönlich. Jeder Quadratzentimeter war vollgestellt, Kisten und
Kartons aufeinandergestapelt, das Werkzeug lag verstreut im Raum. Es war
das reinste Chaos. Kurz nach Kriegsende hatte der pfiffige Techniker
nämlich von der Armee 500 Kleinmotoren erstanden, die er, so gut es
eben ging, an Fahrräder bastelte. Halterungen, Bowdenzüge, Griffe,
Hebel und was sonst noch gebraucht wurde, baute der junge
Motorradhersteller selbst. Doch damit hatte er keine Probleme. Hondas
Talent zum Improvisieren war in diesem Moment sein größtes Kapital,
und das zahlte sich schnell aus. Sein Betrieb wuchs in Windeseile.
Bereits zwei Jahre später war der Ein-Mann-Betrieb zu einer kleinen
Fabrik mit 34 Mitarbeitern gewachsen, und im September 1948 konnte mit
dem Startkapital von rund einer Millionen Yen die "Honda Motor
Company Ltd." gegründet werden. Und weil bei Honda die "Zeitrechnung"
eben erst 1948 beginnt, feierte man den 50. Geburtstag auch erst 1998. |
Soichiro
Honda
(Foto: Honda) |
Honda Dream E-Typ
(Foto:
Honda) |
Genau
fünf Jahre lang produzierte das inzwischen größte japanische
Motorradwerk ausschließlich Zweitaktmaschinen. Es waren kleine 50 ccm
Mopeds, 90 ccm Lasten-Dreiräder und 98 ccm Leichtmotorräder. Im
Oktober 1951 brachte man ein für damalige Verhältnisse sensationelles
Motorrad auf den Markt. Als Triebwerk diente ein neu entwickelter 146
ccm OHV-Einzylinder-Viertakt-Motor mit zwei Ein- und einem Auslassventil!
Die Honda Dream E-Typ leistete 5,5 PS, erinnerte allerdings sehr stark
an eine Vorkriegsmaschine aus Deutschland. Maßgeblich verantwortlich
für die Konstruktion dieses Motorrades war Hondas Geschäftspartner und
Finanzmanager Takeo Fujisawa. In weiser Voraussicht hatte der clevere
Kaufmann mit den Argumenten "Viertakter sind leiser, stinken nicht,
sind umweltfreundlicher, ihnen gehört die Zukunft" auf der
Modellerweiterung bestanden. Der Stein war ins Rollen gebracht, die
nächsten Viertakter ließen nicht lange auf sich warten. 1955
präsentierte Honda die beiden OHC-Einzylinder-Modelle Dream SA250 und
Dream SB350. |
Honda Cub C100 von 1958
(Foto:
Honda)
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Doch
bevor das Werk zum festen Begriff auf dem Motorradmarkt wurde, verdiente
man sich die weiteren Millionen Yen zunächst mit 50-Kubik-Mopeds.
Genauer gesagt, mit der "Super Cub". Das seit 1958 gebaute
Viertakt-Moped sollte zum Honda-Bestseller werden. Bis Mitte 1983, also
genau 25 Jahre nach Produktionsbeginn, wurden weltweit exakt 15
Millionen Mopeds verkauft. 1988 stieg die Zahl auf 18 Millionen, und bis
Ende 1998 haben rund 30 Millionen (!) Cubs das Werk verlassen. Doch
zurück ins Jahr 1958. Mit diesem "Moped" beschloss der agile
Firmenboss den Weltmarkt zu erobern! Für diesen Schachzug gründete er
im Juni 1959 eine Werksniederlassung in Los Angeles/USA. Mit aufwändigen
Reklamefeldzügen eroberte Honda das Land der unbegrenzten
Möglichkeiten. Der Werbeslogan "You meet the nicest people on a
Honda" ging in die Geschichte ein. Aber auch die Musikszene
machte sich der fernöstliche Motorradhersteller als Imageträger
zunutze. Der Song "Little Honda" von der bekannten
kalifornischen Beatgruppe `The Beach Boys` wurde ein Welthit. Insider
behaupteten, Honda-san habe die populäre Gruppe "gesponsert".
Auf
dem amerikanischen oder europäischen Motorradmarkt hatte Honda
allerdings noch nichts zu melden. In den meisten Fällen kannten die
Leute den Namen nur vom Hörensagen. Die echten "Männer-Maschinen"
kamen von BSA, Norton, Triumph, AJS, Royal Enfield, Velocette, BMW und
natürlich Harley-Davidson. Auch mit der 125er OHC-Twin Benly CB92 von
1959 konnte Soichiro Honda den Donnerbolzen nicht das Wasser reichen.
Genausowenig mit der 250er Dream CB72 von 1961. In den Chefetagen
westlicher Motorradhersteller hielt man sich beim Anblick der
Honda-Motorräder die Bäuche vor Lachen. Man verspottete sie, und
keiner glaubte auch nur eine Sekunde daran, dass aus diesen kleinen
Hüpfern mal erwachsene Motorräder werden könnten. Ein gewaltiger
Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte.
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Von
"Abkupfern" oder "Nachbauen" war bei Honda längst keine Rede mehr. Erfahrungen
mit hochtourigen und leistungsstarken 125er, 250er und 300er
Viertaktmotoren hatten die Renningenieure mittlerweile genügend
gesammelt. Mehrzylinder-Technik mit aufwändiger, obenliegender
Nockenwellensteuerung via Königswelle oder Stirnrädern,
Vier-Ventiltechnik und Kurbelwellendrehzahlen bis 20000/min gehörten
bereits zum Standard. Ein Meisterwerk war die 250er
Sechszylinder-Werksrennmaschine RC164 von 1964.
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Erste 250er Vierzylinder-Rennmaschine
1959
(Foto: Honda)
Jim Redman auf der RC164 von 1964
(Foto: Honda) |
1965 brachte Honda die CB450 auf den Markt
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Honda CB450: "Black Bomber"
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Von diesen Erfahrungen profitierte natürlich auch die Entwicklung und
Produktion der Serienmaschinen. Längst wollte sich Soichiro Honda nicht
mehr auf die kleinen Klassen beschränken. Ein richtiges Motorrad musste
her. Galten 500 Kubik Hubraum als magische Zahl, begnügten sich die
Honda-Techniker jedoch mit 450, oder genauer gesagt mit 444,9 ccm. Doch
der luftgekühlte Zweizylinder-Motor der "Dream" CB450 oder auch
CB450 Super Sport hatte es faustdick hinter den Ohren. Abgesehen von
den ersten 46 Maschinen, bei denen die Kolben parallel liefen, flitzten
danach die Kolben versetzt, also im 180-Grad-Rhythmus, im
Alu-Zylinderblock auf und ab. Das Motorgehäuse war horizontal geteilt,
die Kurbelwelle und Pleuel liefen in Rollenlagern. Eine Sensation im
Großserienbau waren zweifellos die technischen Innereien des
Zylinderkopfes. Den Antrieb der beiden obenliegenden Nockenwellen
erledigte eine Steuerkette, und anstelle üblicher Schraubenfedern waren
Drehstäbe fürs Schließen der jeweils zwei Ventile pro Brennraum
zuständig. Gefüttert wurde der Motor von zwei neuen
Keihin-Gleichdruckvergasern mit 36 mm Durchlaß. Der konstruktive
Aufwand sollte sich lohnen. 43 PS bei 8500/min schickte der Motor über
eine Mehrscheibenkupplung im Ölbad, das Vierganggetriebe und die
Antriebskette ans Hinterrad. Das war genug Power, um die knapp 200 kg
schwere Maschine auf über 170 Sachen zu beschleunigen. Diese
Fahrleistungen brachten 1965 nur Motorräder in der Königsklasse über
500 Kubik Hubraum zustande. Europäische, vor allem die englischen
Motorradfirmen waren geschockt. Und weil das schwarze Bike so ein Hammer
war, hatte es auch sofort seinen Spitznamen "Black Bomber" weg.
Zwar versuchte sich die Konkurrenz mit fadenscheinigen Ausreden, wie
"so
ein hochtouriger Motor hält nie, wer will die komplizierte Technik
warten und Ersatzteile gibt es sowieso nicht", herauszureden. Im
Prinzip war das Ende der englischen Motorradindustrie spätestens jetzt
beschlossene Sache, auch wenn es noch ein paar Jahre dauern sollte. Die
großen Marken, von BSA bis Velocette, hatten die Weiterentwicklung voll
verschlafen. Und das sollte sich nun rächen. Bei uns hatte man,
abgesehen von BMW, das Geschäft mit Motorrädern auch schon aufgegeben.
Aber nicht nur Honda zeigte, wo es bald langgehen sollte, auch Suzuki,
Kawasaki und Yamaha brachten in den nächsten Jahren einen Knaller nach
dem anderen auf den Markt.
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CB450 Motor
(Foto:
Honda)
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Doch
zurück zum "Black Bomber". Der Motor war zweifellos ein Gedicht,
beim Fahrwerk gingen die Meinungen dagegen weit auseinander. Wer die
Qualität des Norton-Chassis gewohnt war, durfte sich zu Recht
beschweren. Die Federung war knüppelhart, die Dämpfung lasch und die
Serienbereifung mies. Junge Motorradfahrer, die dagegen zum ersten Mal
auf dem Geschoss saßen, flippten schier aus. Sie kannten nichts
anderes, hatten kaum Vergleichsmöglichkeiten, sie waren genau die
richtige Kundschaft für die CB450. Der "Black Bomber" hatte
jedoch sehr ausgewogene Fahreigenschaften. Je nach Lust und Laune ließ
sich mit der CB450 im großen Gang gemütlich über die Chaussee
bummeln oder "langliegend", mit Vollgas versteht sich, über die
Autobahn brettern. Das Handling war gut, und für tadellose Bremswirkung
sorgte im Vorderrad eine Duplex-Trommelbremse, hinten kam eine einfache
Trommelbremse ihrer Aufgabe nach. Wer das Triebwerk immer sorgfältig
warmfuhr, brauchte keinen Motorschaden fürchten. Aber was noch viel
wichtiger war, der Motor lief relativ vibrationsarm und war vollkommen
öldicht. Auch an den Komfort konnte man sich schnell gewöhnen, ein
kurzer Druck auf den Schalter des E-Starters und schon surrte der Motor.
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Kombi-Instrument:
Tacho und Drehzahlmesser |
Prospektbild:
CB450 im freien Flug
(Foto: Honda-Prospekt) |
1965 das Maß der Dinge:
DOHC-Motor |
Stopper:
Duplex-Trommelbremse im Vorderrad |
Mit
der Honda CB450 begann ein neues Motorradzeitalter. Und so wundert es
nicht, dass sich die Fans in zwei Gruppen spalteten. Die einen wollten
mit dem modernen Kram nichts zu tun haben, verteufelten den japanischen
Schnickschnack, sie schworen weiterhin auf ihre "good old British bikes" oder auf die so sagenhaft zuverlässige BMW. Die andere
Fraktion fuhr dagegen auf die japanischen Maschinen voll ab. Was
zählte, waren Power und Speed. Haltbarkeit und Zuverlässigkeit waren
kein Thema mehr, die Dinger hielten ja. Und das sprach sich schnell
herum. Motorradfahrer, die eben noch die "Reiskocher" verteufelt
hatten, kamen Mitte der sechziger Jahre plötzlich mit der Honda CB450
angebraust...
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Honda CB450 (Foto:
Honda) |
Technische Daten
Honda CB450 K0 Super Sport Baujahr 1967
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Motor:
Fahrtwind gekühlter Zweizylinder-Viertakt-DOHC-Motor, zwei
Keihin-Gleichdruckvergaser mit 36 mm Durchlass
Hubraum:
444,9 ccm, Bohrung x Hub 70 x 57,8 mm
Leistung:
43 PS bei 8500/min
Kraftübertragung:
Primärantrieb über Zahnräder, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Klauen
geschaltetes Vierganggetriebe, Sekundärantrieb über Kette
Fahrwerk:
Einrohrrahmen,
hydraulisch gedämpfte Telegabel, Schwinge mit zwei hydraulisch
gedämpften Federbeinen
Bereifung:
Vorne
3.25 x 18, hinten 3.50 x 18
Bremsen:
Vorne
Duplex-Trommelbremsen, hinten Simplex-Trommelbremse
Gewicht:
198 kg
Höchstgeschwindigkeit:
170 km/h
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