Motorrad-Marken


 Honda CB 750 kontra Kawasaki H1


"Der Rosenkrieg"

Motorräder stinken und machen mächtig Krach. Das war in den 70er Jahren
 jedenfalls so, es gehörte sogar dazu. Die Kawasaki 500 H1 „Mach III" erkannte
 man am typischen Motorengescheppere und Auspuffgeruch, die Honda
CB 750 Four hingegen hatte einen einmaligen Vierzylinder-Sound.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Dreizylinder-Zweitakt-Legende:
Kawasaki H1 500 "Mach III" von 1969

Rosen sind wunderschön. Ihr Duft ist unvergleichlich. Wer allerdings nicht aufpasst, tut sich weh. Rosen sind nämlich stachelig. Rosen kann man immer verschenken; wer sie bekommt, freut sich darüber. Nun, und was hat das Ganze mit Motorrädern zu tun? Eigentlich nichts. Und doch. Es gab nämlich mal eine Zeit, da waren Motorräder auch ganz schön stachelig, hatten einen eigenwilligen Geruch, und es gab welche, an denen konnte man sich kaum satt sehen, so schön waren sie. Gemeint sind die Kawasaki 500 H1 "Mach III" und die Honda CB 750 Four. Im Prinzip zwei grundverschiedene Maschinen, und trotzdem hatten sie etwas gemeinsam: Sie waren Ende der Sechziger Vorreiter einer vollkommen neuen Motorradgeneration.



Vierzylinder-Viertakt-Legende:
Honda CB 750 Four von 1969

In der Zeit, als bei uns kein "gescheiter Mensch" mehr ans Motorrad glaubte, knieten sich die Japaner richtig ins Geschäft. Nach dem eigenen und asiatischen Markt knöpften sie sich als nächstes den amerikanischen Kontinent vor. Im "Land der unbegrenzten Möglichkeit" galt das Motorrad jedoch nicht als billiges Transportmittel, sondern es war reines Hobby-Fahrzeug, für Spaß und Freizeit. Besonders im "Sonnenschein-Staat" Kalifornien hatten es junge, dynamische Boys als Spielzeug entdeckt und tobten sich auf ihren Bikes kräftig aus. Mit schweren Maschinen von Harley-Davidson, BSA, Triumph, Norton aber auch BMW "erfuhren" sie sich ihre "Freiheit". Und als "Easy Rider" ins Kino kam, war prompt ein neuer Kult geboren, die beiden Chopper von Peter Fonda und Dennis Hopper wurden Vorbilder einer ganzen Bikergeneration. Dass dieser Lebensstil auch gleichzeitig Beginn einer gesellschaftlichen Umwandlung werden sollte, erahnte diese Subkultur wohl damals selber nicht. Um so verständlicher, dass die jungen Leute vorerst überall aneckten.
Dieses Klischee passte den Japanern jedoch ganz und gar nicht. Allen vorweg investierte Honda zig Millionen Dollar in eine gewaltige Propagandaschlacht. Der Werbeslogan "You meet the nicest people on a Honda" ging in die Geschichte ein. Aber auch der Ohrwurm "Little Honda" von der kalifornischen Beatgruppe The Beach Boys überzeugte. Und so dauerte es nicht lange, und Motorradfahren war plötzlich total "in". Nach Meinung der Amis waren die japanischen Maschinen den etablierten Bikes von Harley-Davidson, aber auch den Dampfhämmern aus Europa, in vielen Dingen überlegen. Sie waren in jeder Hinsicht dynamischer, sportlicher und technisch viel interessanter - auch wenn sie vorerst nur halb soviel Hubraum hatten.


Dreizylinder-Zweitakter gegen Vierzylinder-Viertakter



Im Glaubenskrieg um das Bauprinzip, Zweitakter oder Viertakter, schieden sich allerdings nicht nur bei den Bikern die Geister. Honda vertraute voll auf die Viertakt-Technologie. Yamaha, Suzuki und Kawasaki rüsteten dagegen ihre Bikes mit agilen Zweitakt-Motoren aus. Von denen die Kawas mit Abstand wohl die leistungstärksten und wildesten waren. Und was das bedeutete, präsentierte das Werk im Herbst 1968 auf der Motor Show in Tokio: die H 1 "500-SS". Bei den Exportmaschinen setzte Kawasaki noch eins oben drauf und nannte diese Dreizylinder-Zweitaktrakete sogar "Mach III". Auch kein Wunder. Das 60 PS starke Bike sollte über 200 Sachen schnell sein. Die Fachzeitschriften rund um den Globus überschlugen sich. Die Sensation war perfekt. Was jedenfalls die „Mach III" betraf. Doch zeitgleich stellte Honda die CB 750 Four vor. Sie war das erste Großserienmotorrad mit einem Vierzylinder-Viertakt-Motor, obenliegender Nockenwelle, vier Vergasern, 4-in-4-Auspuffanlage und Scheibenbremse am Vorderrad. Wau!



Asphalt-Brenner:
Kawasaki "Mach III"



Gentlemen-Bike:
Honda CB 750 Four


Aus heutiger Sicht fällt es jedoch schwer, bei diesen beiden Motorrädern in Euphorie zu geraten. Von Zweitaktern will inzwischen keiner mehr etwas wissen, und eine 750er mit läppischen 67 PS lockt längst keinen mehr hinterm Ofen hervor. Drehen wir allerdings das Rad der Zeit Jahre zurück, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Wer einst Motorradfahren wollte, hatte vor 1968 wenig Auswahl. Von BMW gab es die R 69 S, von Guzzi die V7, von Honda die CB 450, aus England 500er und 650er Schüttelböcke von BSA, Triumph und Norton, und wer damals eine Harley als Motorrad bezeichnete, wurde von den "Windgesichtern" auf der Stelle gesteinigt. Die "Mach III" und CB 750 wurden zu echten "Kulturschockern".


Die Kawasaki wurde damals von Testern
als "Rodeo-Bike" bezeichnet


Ab 1969 kam die neue Kawasaki zur Auslieferung. Mit der 500er "Mach III" hatte Kawasaki als kleinster japanischer Motorradhersteller den Sprung in die damalige "Oberliga" geschafft. Kaum ein anderes Bike war stärker oder schneller. Die Fans drückten sich an den Schaufenstern die Nasen platt, plünderten das Sparbuch, pumpten Oma und Opa an, um die 4300 Mark zusammenzubekommen. Der gleiche Aufschrei, der bereits nach der Präsentation in Japan durch die Fachwelt ging, wiederholte sich, als die ersten Testberichte veröffentlicht wurden. In den USA rasteten die Tester schier aus! Sie schrieben von "unbändiger Kraft" und bezeichneten den Zweitakt-Triple als "Rodeo-Bike", mit dem es unmöglich war, beim Beschleunigen das Vorderrad am Boden zu halten. Einstimmig waren sie der Meinung, dass diese Maschine nichts für "Weicheier" sei. Bei uns musste die Kawa auf den Autobahnen und auf der "Besten Teststrecke der Welt" - dem Nürburgring - Farbe bekennen. Hier konnte die "Rennmaschine mit Straßenzulassung", wie sie bald genannt wurde, zeigen, was in ihr steckt. Von unbeschreiblichen Fahr-, oder besser gesagt "Flugerlebnissen", berichteten Tester hierzulande. Wer allzu mutig am Gasgriff drehte, konnte sein blaues Wunder erleben.



... nach Tacho lief die "Mach III" über 200 Sachen...

Bis 6000 Umdrehungen tat sich unterhalb des 15-Liter-Tanks recht wenig, doch wehe wenn der Drehzahlmesser in die Nähe der 7000er Marke kam! Urplötzlich, ohne Vorankündigung, ließ das Triebwerk seine 60 Pferdestärken los, das Vorderrad stieg steil zum Himmel, und gleichzeitig stürmte sie wie ein Vollbluthengst vorwärts. Mit dieser Motorencharakteristik erbat sich die 500er Kawasaki erst einmal von jedem Piloten ordentlichen Respekt. Sollte sie gar mit zwei Personen bewegt werden, war es fast unmöglich, beim Beschleunigen ohne Wheelie wegzukommen. Allein nach solchen spektakulären Erlebnissen hatte der Mach III-Pilot genügend Stoff, um tagelang seinen Kumpels die Ohren voll zu plappern. Das Versprechen, "stärker, schneller und besser als alle anderen", hatte Kawa gehalten.




Doch das war längst nicht alles, was die "Mach III" in kürzester Zeit zu einem beliebten, aber auch gefürchteten Wetzhobel werden ließ. Das Chassis entpuppte sich im Fahrbetrieb als äußerst eigenwillig und unberechenbar. Wer mit ihr volle Pulle fahren wollte, musste sich "warm" anziehen. Bereits kleine Bodenwellen, Fahrbahnabsätze oder auch Mittelstreifen konnten das Fahrwerk dermaßen ins Schlingern bringen, dass nur durch Gaswegnehmen und festes "Zupacken" die Fahrsituation in den Griff zu bekommen war. Der Rahmen war der gewaltigen Motorleistung in keinster Weise gewachsen. Auch die Abstimmung der Vordergabel und der beiden Federbeine waren nicht auf die, wenn auch nur mit sehr großem Mut erreichbare, Fahrleistung ausgelegt. Böse Zungen behaupteten damals: die "Mach III" wackelt bereits im Stand...


Mit der Honda CB 750 Four begann eine
vollkommen neue Motorradgeneration


Und die CB 750 Four? Mitte 1969 begann die Serienfertigung. Hauptabsatzland waren zunächst nur die USA. Der Überflieger kam dort sofort an, wurde sogar Verkaufshit. In Deutschland musste man sich noch ein Jahr auf die 6495 Mark teure Supermaschine gedulden, und die Fans wussten zunächst auch nicht so recht, was sie von der neuen Honda halten sollten. Die Meinungen gingen entsprechend auseinander. Echte "Fahrersleute", die ihre Maschinen in- und auswendig kannten, konnten sich überhaupt nicht vorstellen, wie man sich unterwegs bei einer Panne selbst helfen sollte, wie man die vier winzigen Vergaser, die vielen kleinen Ventile oder gar die Zündanlage einstellen sollte. Wenig Vertrauen hatten sie zum "hochgezüchteten Rennmotor", dem sie allerhöchstens eine Lebensdauer von 10000 Kilometern gaben. Für sie war die Technik viel zu kompliziert und hatte in einem Motorrad nichts zu suchen. Basta!




Die andere Fraktion pfiff auf diese Bedenken und dachte nur ans "Heizen". Endlich gab es ein Motorrad, mit dem man, ohne vorher "schrauben" zu müssen, auf Tour gehen konnte. Dazu kamen die sagenhaften Fahrleistungen: von 0 auf 100 km/h in fünf Sekunden und von 0 auf 180 km/h in 20 Sekunden, Spitze gut 200 Sachen. Problemlos ließ sich mit der Four, mit Vollgas versteht sich, von Flensburg nach München düsen. Wurde dort der Leerlauf eingelegt, surrte das Vierzylinder-Triebwerk genauso gleichmäßig im Standgas wie vor der Schinderei. Trotz "verspielter Technik" war der Motor nicht kaputt zu kriegen.


Die CB 750 Four wurde Klassenprimus, fast möchte man behaupten, sie war bereits damals ein Kultobjekt. Heute ist sie es mit Sicherheit. Wer sich eine Four kaufte, gehörte zur neuen Generation der Motorradfahrer. Ölige Hände, Pannen unterwegs und stundenlanges "Werkeln", bevor es endlich losging, waren für die Vierzylinder-Heizer Fremdwörter. Für sie bedeutete Motorradfahren Spaß am Fahren und nicht Frust beim Basteln. Und so kam es, dass man bald überall so eine CB 750 herumkurven sah. Typisch für den Wetzhobel war der Sound, und damit es noch besser klang, wurden bei fast allen die vier kleinen Schalldämpfer aus den Auspuffrohren herausgedreht. Auf der Autobahn legten sich die CBisten mit allen möglichen Sportwagen an, um ihnen nach wilder Verfolgungsjagd letztendlich zu zeigen, was eine Harke ist. Aber auch angeschliffene Fußrasten und sogar durchgewetzte Lichtmaschinendeckel zeigten, dass man mit dem Motorrad verdammt sportlich fahren konnte. Und es wurde geheizt, bis der Asphalt glühte. Das Speedlimit auf Land- und Bundesstraßen kam bei uns ja erst im Herbst 1972, und auf den Autobahnen gab es sowieso nur eine Art von Vorwärtsbewegung, und die hieß "volles Rohr". Passend zur sportlichen Fahrweise trug man eine schwarze Harro-Lederkombi, Jet-Helm, Lederhandschuhe und Motorradstiefel. Die Zeit der bunten "Papageien-Kombis" und modernen Integralhelme sollte erst noch kommen.








In keinem anderen Land der Erde wurde die Honda so beansprucht wie bei uns. Und trotzdem konnte sich ihr Fahrer voll auf sie verlassen, sie war sagenhaft zuverlässig. So etwas hatte es bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gegeben. Und wer es bis dahin noch nicht gerafft hatte, welch frischer Wind plötzlich aus dem Osten wehte, nahm es nun zur Kenntnis. Eingefleischte Engländer- und Italiener-Fans gaben ihre Triumphs und Guzzis in Zahlung und stiegen auf die CB 750 um. Auf die Idee, sich für die "Mach III" zu entscheiden, kam kein Viertaktfan. Das war schließlich was ganz anderes, eine andere Welt. Auch einen Vergleichstest zwischen der H1 und CB 750 anzuzetteln, darauf wäre damals kein Motorradtester gekommen. Äpfel und Birnen lassen sich bekanntlich nicht vergleichen.






Die "Mach III" stand für das ultimative 500er Sportbike, kompromisslos mit schepperndem Zweitakt-Motor und der dazugehörigen Abgasfahne, mit atemberaubender Beschleunigung und immer mit zwei Fingern am Kupplungshebel, für den Fall, dass plötzlich die Kolben festgingen. Eben ein Straßenrenner für die ganz Harten. Dagegen war die CB 750 ein echtes Gentleman-bike. Die Motorlaufruhe ließ sich nur mit einem Autotriebwerk vergleichen. So sanft und geschmeidig lief der 750er Vierzylinder-Motor. Gemessen an den damaligen Standards war die Honda ein rundherum ausgewogenes Supersportmotorrad, zum gemütlichen Bummeln mit der Freundin auf dem Sozius über verwinkelte Landstraßen oder volles Rohr über die Autobahn zum WM-Lauf auf dem Hockenheimring.




Längst haben beide Bikes Kultstatus, gehören zu den Klassikern einer Zeit, als Motorradfahren vom Muss zur Weltanschauung wurde, ganz gleich, ob mit Zweitakt- oder Viertakt-Motor.

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