Wieder mal: ich stehe vor dem
stärksten Serienmotorrad der Welt. Schmunzelnd fällt mir die alte
Story ein, zu einer Zeit, als Friedel Münch mit seiner einzigartigen
Mammut für Furore sorgte. Da soll es einen verwegenen Motorradfahrer an
der Ampel erwischt haben. Zu viel Gas, heute nennt man sie Wheelie-Künstler, und das Big-Bike begrub den Fahrer unter sich. Nie
habe ich erfahren, ob es Fabel oder Wirklichkeit war. Geblieben ist das
elektrisierende Gefühl, wenn man im Laufe der vielen Jahre immer wieder
vor der jeweils technischen Superlative auf zwei Reifen steht.
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Waren es damals, so vor 30 Jahren, deutlich weniger als 100 PS, ist
heute die Grenze an die 200 PS-Marke heran geschoben worden. Damals wie
heute die gewollte Spannung auf das Erleben von Grenzbereichen. Meine
1,80 Meter-Figur lässt sich bequem zwischen Sattel, Fußrasten und Lenker
falten. Angenehm fällt dabei auf, dass der Lenker eine sportliche
Tourenhaltung zulässt, die Beine der Formgebung des Tanks und der
Verkleidung folgend eher sportlich angewinkelt ihren Platz auf den
Fußrasten finden. Mit dem Zündschlüssel wird das Lenkschloss
entriegelt, mit der Zündung gleichzeitig das elektronische
Prüfprogramm auf dem Micky-Maus Kino dargestellt. Schon die ersten
Umdrehungen des Motors offenbaren einen seidenweichen Lauf. Die Kupplung
lässt sich mit zwei Fingern bequem bedienen und mit leicht erhöhtem
Standgas rollt die Fuhre sanft an.
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Der zweite und dritte Gang folgen der
Gashand. Obwohl der Drehzahlmesser bis 11.000 Umdrehungen eine Nutzung
zulässt, gleite ich im vierten Gang mit nicht mal 2000 Umdrehungen des
Triebwerks durch die Ortschaft. Ab Ortsschild dann zurück in den
dritten und mit sanften Gasstößen der vierte und fünfte Gang
eingelegt. Der sechste Gang folgt nur noch zum weiteren Rollen oder wie
soll ich die gefühlte Geschwindigkeit bis 120 km/h sonst nennen? Zum
Überholen des Verkehrs auf der Landstraße sind doch ein paar
Gangwechsel nötig, will man die dynamische Fahrweise auskosten.
Auffallend ist, dass beim Wiedereinscheren in den laufenden Verkehr die
Kawasaki durch das Triebwerk nicht so stark abgebremst wird, wie ich
erwartet habe. Sicherlich ein Zugeständnis der Entwicklungsingenieure,
die sowohl die Beschleunigung aus niedrigen Drehzahlen, als auch die
Verzögerung durch das Triebwerk deutlich geglättet haben.
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Damit ist
die ZZR1400 präzise durch den Verkehr zu zirkeln. Was auffällt, ist
die absolut präzise Gassteuerung vom Drehgriff bis zum Hinterrad. Dazu
kommt eine hervorragende Bremsanlage, die mit ihren zierlich
gelochten Bremsscheiben nicht nur gut aussieht, sondern entsprechend der
Motorleistung wenn nötig brachiale negative Beschleunigung auf den
Asphalt bringt. Ohne viel Kraftaufwand sprechen die Bremsen gut dosiert
an.
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ABS-Bremse |
Dass die ZZR1400 im aktuellen Kawa-Programm nach der ER6-Modellreihe
nun das zweite Modell mit ABS ist, verdient ein großes Lob.
An dieser
Stelle wollen wir auf die große
ABS-Story in Motorrad-Bild verweisen.
In
diesem Artikel wird ausführlich die ABS-Thematik behandelt.
Alle Anforderungen, die von diesem System erwartet werden, erfüllt die
Kawasaki ZZR-Anlage.
Die Bremsanlage ist einfach Spitze.
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Das Schwingen durch die Landschaft wird zum
Genuss. Ausweichmanöver,
plötzlich auftauchende Trecker, auf die Straße geschwemmter Kies und
spielende Kinder auf der Dorfstraße fordern das hervorragende Fahrwerk
der Kawasaki nicht, das ABS macht nicht leichtsinnig, es beruhigt.
Obwohl ab und an mir meine durchgeknallte
Bandscheibe manche Motorradfahrt vermiest hat, stellen sich heute selbst
auf buckeligen Nebenstraßen diese Beschwerden nicht ein. Das relativ
hohe Gewicht des Motorrades, die fein ansprechenden Federelemente und
die sportliche Tourenhaltung meiner Wirbelsäule lassen die Kawasaki so
zu einem idealen Gefährt auch für gebeutelte Motorradfahrer werden.
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Fragen über Fragen. Wie schwer, wie
teuer, wie schnell. Und - nur 280 Sachen, äh?
Bis es dem Tester zu bunt wurde und er 311 auf den Tacho pinselte...
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Aber da gibt es noch die sportliche Seite der Medaille. Aus dem Stand
kann die Beschleunigung mit einem Formel 1 Rennwagen konkurrieren und
wer es nur mit Halbgas versucht, wird auf der Straße immer noch einsam
dem drängelnden Verkehr davon ziehen. Kurvenlage und Stabilität auf
schlechten Straßen lassen den Schluss zu, dass die Grenze des Machbaren
heute vom Fahrer und nicht von der Technik bestimmt wird. So lässt die
Kawasaki ZZR1400 einen mächtig weiten Spielraum zum Genießen auf
einsamen Straßen.
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schneller als ihr Schatten: ZZR1400

(2 Fotos: Kawasaki)
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Soweit so gut, aber was wäre die ZZR1400 ohne Autobahn? Es ist ein
Wochentag um die Mittagszeit, an dem die Kawasaki mal richtig an die
Hörner gepackt werden soll. Leider ist die Autobahn Kassel - Dortmund
wie immer stark befahren. Wir fädeln uns in den Verkehr ein und schon
bald genügt der "böse Blick" von Verkleidung und Scheinwerfern
im Rückspiegel der voranfahrenden Autofahrer, um Platz zu schaffen.
Immer noch aufrecht sitzend pendelt der Tacho zwischen 180 und 200 km/h.
Hinter mir schiebt sich ein Mercedes heran, er kann es nicht lassen mir
seine Lichthupe in die Rückspiegel zu knallen. Das ersehnte freie
Stückchen Autobahn tut sich vor uns auf, trocken einen Gang zurück
geschaltet und der Mercedes löst sich förmlich im Rückspiegel auf.
Zugegeben, ab 260 km/h zwingt der Winddruck in die Verkleidung, die Bahn
wird schmal und etwaige Hindernisse werden wachsam mit scharfen Augen am Horizont
gesucht.
Eigentlich spielt es aber auch
keine Rolle wie weit die Tachonadel wirklich steigen kann oder könntet, die Elektronik beendet den
Vorschub so bei Tempo 299. Man munkelt, es sei eigentlich noch viel mehr drin. Aber genau
wie einst das freiwillige 100-PS-Limit, haben sich die Hersteller auf eine
maximale Höchstgeschwindigkeit von 299 km/h geeinigt. Genug,
meinen wir.
Die Abfahrt nach Paderborn Richtung Bielefeld bringt die ersehnte
Entlastung. Zügig, sehr zügig kommt man voran. Zugegeben, große
Betrachtungen des Drehzahlmessers und des Tachos sind nicht mehr drin,
das suchende Auge bleibt bevorzugt auf der Bahn und den Verkehr
gerichtet. Die so gefürchteten Autobahnspuren der LKW, der abgesetzte
Mittelstreifen, nichts bringt das Fahrwerk ins Pendeln oder Schwingen.
Mit der Abhebegeschwindigkeit eines Tornados pflügt man durch die
Landschaft. Natürlich quittiert das Triebwerk die forsche Gangart, auf
dem Display verschiebt sich der durchschnittliche Benzinverbrauch von
6,4 l in Richtung 7 l und etwas mehr...
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Gegen Abend dann die Heimfahrt in genüsslicher Manier. Schön die
Chance gehabt zu haben, ein fast perfektes Motorrad zu fahren. Wenig
eilig und mit leichter Wehmut im Herzen über das sicherlich notwendige
Ankommen zu Hause rolle ich entspannt im Verkehr mit. Der Gangwechsel so
präzise, der Gasdrehgriff ohne Spiel und die Kraftübertragung auf das
Hinterrad ohne lästige Schläge ins Kreuz auch bei konstanter
Langsamkeit. Das bieten auch heute noch nicht alle Motorräder. Da
schiebt sich von hinten ein eiliger Biker heran. Ich lasse ihn vorbei
und beobachte das kampflustige Überholen. Auf dem Mittelstreifen
zwischen den Autos durch, reinquetschen in die kleinste Lücke, pflügt
er langsam aber stetig durch den Verkehr. Die Autofahrer bremsen für
ihn, nicht alle machen Platz, einige geben verärgert Zeichen. In den
größeren Verkehrslücken folge ich unauffällig. Soll ich ihn wieder
überholen? Nein! Aufrecht sitzend, mit gutem Überblick, genügend
Leistung allen Situationen gerecht zu werden, fühle ich mich frei. Eine
Freiheit, die mir in den Zwängen des lästigen, immer dichter werdenden
Verkehrs mit allen Regeln und Verboten doch noch nutzbaren Spielraum
lässt, zumindest mit der Kawasaki ZZR1400.
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Ende einer Dienstreise...
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Technische Daten
Kawasaki ZZR1400
Modelljahr 2006

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bei 299 km/h ist Schluss mit lustig...
(Foto: Kawasaki)
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Motor:
Flüssigkeitsgekühlter DOHC-Reihen-Vierylindermotor, 16 Ventile,
zwei Ausgleichswellen;
Hubraum 1352 ccm, Bohrung x Hub 84,0 x 61,0 mm, Verdichtung 12,0:1;
Leistung 140 KW (190
PS) bei 9.500/min; max. Drehmoment 154 Nm bei 7.500min;
Gemischaufbereitung elektronische
Kraftstoffeinspritzung, Abgasreinigung G-Kat; digital-elektronisches Motormangement
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Kraftübertragung:
Primärantrieb über Zahnräder; Mehrscheibenkupplung im Ölbad;
Sechsganggetriebe; Sekundärantrieb über Kette |
Fahrwerk:
Monocoque-Alu-Rahmen; voll einstellbare Upside-down-Gabel, 43
mm; Federweg 117 mm; Alu-Zweiarmschwinge, voll einstellbares Bottom-Link Uni-Trak
Federbein, Federweg 122 mm; Bereifung vorn 120/70ZR17, Bereifung hinten
190/50ZR17;
Bremse vorne Doppelscheibenbremse, 310 mm, 4-Kolben-Radial-Festsattel; Bremse hinten Scheibenbremse,
250 mm,
2-Kolben-Festsattel |
Abmessungen:
Länge 2170 mm, Sitzhöhe 800 mm, Radstand 1460 mm, Nachlauf
94 mm,
Gewicht 255 kg |
Preis:
13.995.- € plus Nebenkosten |
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