Motorrad-Marken
|
König-BMW 500 Touring
"Spree-Fighter"
Berlin ist eigentlich die Motorradstadt Deutschlands. Ende der
60er Jahre verlagerte nämlich BMW die Zweiradproduktion von der
Isar an die Spree. Klammheimlich entstanden damals zwei Prototypen
mit Zweitakt-Boxermotor, aus einer Serienfertigung wurde allerdings
nichts. Fast wäre diese Geschichte vergessen worden.
Ex-Rennbootweltmeister Peer Krage hat die König-BMW 500 Touring 2007 perfekt
restauriert.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Krage, Biedermann, Collatz |

Herbst-Reigen 2007:
Peer Krage auf Testfahrt mit seiner frisch restaurierten König-BMW 500
Touring

|
Es gibt Motorradgeschichten, die lassen sich kaum
erfinden, auch zum 1. April nicht. Schon deswegen nicht, weil der Spaß
dabei aufhört. Und mal ganz ehrlich: wer um Himmels Willen würde auf den
Scherz "Neue BMWs mit Zweitakt-Boxermotor" rein fallen? Keiner! Auch bei
Günter Jauch könnte die Frage ruhig gestellt werden, die Million bliebe
im Sack.
|
Peer Krage
lacht: "Fast wäre unsere 500er König-BMW tatsächlich vergessen
worden. Mein Vater hatte die Maschine an ein Museum verborgt, und
nach seinem Tod dachte in unserer Familie zunächst keiner mehr an
das Motorrad. Als ich aber Ende 2006 an die Ostsee fuhr, um mal nach
dem Rechten zu sehen, war das Museum so gut wie aufgelöst, die
König-BMW stand in einem Schuppen. Ihr Zustand war erbärmlich. Beim
Rücktransport nach Berlin nahm ich mir gleich vor, sie wieder in
Schuss zu bringen."
|

Peer Krage |
|
Die König-BMW stand in einem Schuppen an der Ostsee,
fast wäre der Prototyp vergessen worden
|
In Sachen
Fahrzeugrestauration ist Kfz-Meister Peer Krage ein Perfektionist. Seit
1961 hat sich der Familienbetrieb als freie Porsche-Werkstatt auf
Service, Tuning und Restauration spezialisiert. Sein Handwerk hat der
40-jährige Porsche-Experte, begeisterte Motorrad-Fan und
Rennboot-Champion mit DM-, EM- und WM-Titel von der Pike auf gelernt:
"Beruf und Hobby lassen sich bei mir kaum trennen. Die Porsche-Technik
hat mich von Kind auf fasziniert. Bei Motorrädern waren es immer
spritzige Zweitaktmaschinen, und im Rennsport habe ich meine Erfolge
König Zweitaktmotoren zu verdanken. Mein Vater war mit Dieter König gut
befreundet, mit dem gleichaltrigen Peter König bin ich aufgewachsen. Wir
waren wie Brüder."
|

Dieter König in den 70er Jahren in seinem
Motorenwerk
(Foto: Archiv-Biedermann)

BMW-König 350 Sport im König-Werk in Berlin,
Peter König und Peer Krage |
Mit diesem Know-how sollte die König-BMW schon
bald wieder pico bello da stehen. Was zunächst nur als eine optische
Auffrischung angedacht war, verlangte zusehends eine Vollrestauration.
Naben, Radlager, Speichen, Felgen, Rahmen, Bremsanlage, Tank, Sitzbank,
Armaturen sowie alle Lackteile waren durch die ungeschützte Standzeit
direkt an der Ostsee mit dem salzhaltigen Klima fürchterlich verrottet.
Das Alu blühte, im Stahl saß der Rost, Chromflächen hatten Risse, der
Lack war abgeplatzt. Die bis auf die letzte Schraube zerlegte Maschine
wurde Bauteil für Bauteil aufgemöbelt, die Flächen poliert oder frisch
lackiert oder verchromt, die Laufräder mit neuen V2A-Speichen bestückt,
die Fahrwerkslagerung ersetzt. Probleme bei der Beschaffung von
Verschleißteilen gab es nicht. Das Chassis stammt aus der BMW R90/6
Baureihe.
|
|
Die König-BMW 500 Touring
wurde vorn Peer Krage fachmännisch restauriert
(Fotos: Archiv Peer Krage) |
Was Außenstehende allerdings kaum erahnen können,
war die Akribie, die Peer Krage mit Unterstützung des König-Experten Uli
Rochel in die Details steckte. Bei der König-BMW handelt es sich um
einen Prototyp, der in einem Mix aus Großserienbauteilen und
handgefertigen Bauelementen aufgebaut wurde. Das Erscheinungsbild dieses
Unikates sollte unbedingt erhalten bleiben. Modifikationen, die aus
heutiger Sicht selbstverständlich wären, kamen nicht in Frage. Und so
blieb die elektrische Wasserpumpe weiterhin an ihrem Platz links unten
am Rahmenrohr, Wasserschäuche und Kabelleitungen erfüllen ihre Funktion.
Käme es auf eine tolle Optik an, ließen sie sich bestimmt geschickter
verlegen.
|

Eine BMW mit
Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor!
|
Als eine echte Herausforderung erwies sich die
motorradtypische Betriebszuverlässigkeit des wassergekühlten
Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotors. Peer Krage verrät: "Das für Rennboote
konstruierte Aggregat verfügt über keinen geschlossenen Kühlkreislauf.
Im Renneinsatz sorgt das Fahrwasser beim Durchströmen des Motors für die
lebenswichtige Kühlung. Nachdem das Triebwerk sorgfältig überholt war,
und ich das Motorrad fahrfertig zusammen gebaut hatte, stellte sich nach
ersten Probefahrten heraus, dass der Motor Wasser verliert."
|

König-Rennboot-Triebwerk.
Der wassergekühlte Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor war die Basis für
den Antrieb
in der König-BMW Touring
500
(Foto: Werk)
|

Rohzylinder vor der Restaurierung und
Abdichtung
|
Für eine bessere
Abdichtung von den Zylindern zum Kurbelgehäuse habe ich freihändig eine
feine Nut für zusätzliche Dichtmasse um die Zylinderbuchsen gefräst. Die
Mühe sollte sich lohnen. Der Motor ist nun 100-prozentig dicht und läuft
wie ein Uhrwerk. Für mich war die Restauration neben dem technischen
Aspekt auch eine Herzensangelegenheit. Einmal aus Respekt gegenüber den
drei BMW-Mitarbeitern Biedermann, Milarch und Wall, die das Motorrad
gebaut haben, sowie gegenüber dem genialen Motorenkonstrukteur Dieter
König und als Andenken an meinen Vater", betont der sympathische
Berliner.
|
|
|

|

|

|
 |
Kontakt:
www.krage-tuning.de |
Historie
Nach Feierabend bauten engagierte Werksangehörige
zwei
BMW-Prototypen mit Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor
|
Anfang der Siebziger war Markentreue Pflicht, besonders für die
BMW-Fraktion. Mit Zweitaktern brauchte ihnen keiner kommen. Dabei war
mächtig was los im Gebälk. Ein gewaltiger Motorradboom war im Gange,
ausgelöst durch eine wahre Invasion japanischer Maschinen. Wir erinnern
uns an Hondas Meilensteine CB450 und CB750. Und dann gab es noch die
Zweitaktraketen Yamaha RD250 und RD350, Suzuki GT380, GT550 und GT750
"Wasserbüffel",
und natürlich noch die Kawasaki 500 H1 "Mach III" und 750 H2 "Mach IV". |

Suzuiki GT 750 Wasserbüffel von 1973
Wassergekühlter Dreizylinder-Zweitaktmotor
|

Kawasaki 750 H2 "Mach IV" von 1973
Luftgekühlter Dreizylinder-Zweitaktmotor
|
Auch bei BMW glaubte man ans Motorrad. Bereits 1969 präsentierten die
Bayern die neue /-5 Boxer-Modellreihe. Zeitgleich wanderte die
Motorradherstellung von München nach Berlin-Spandau. Pioniergeist und
Aufbruchstimmung prägten das Betriebsklima an der Spree und, wie es
damals in der Motorradbranche noch üblich war, wurde viel darüber
diskutiert, was man anders und besser machen könnte. Mitspracherecht
hatten die Berliner jedoch nicht. Konstruktion, Entwicklung und Test der
BMW-Motorräder waren weiterhin in München beheimatet.
Neben BMW gab es in Berlin einen weiteren Motorradproduzenten, den
Bootsmotorenhersteller König. Für damalige Verhältnisse baute die kleine
Firma sensationelle Rennmaschinen. Königs Rennaktivitäten wurden von
Ernst Milarch, im BMW-Werk für die Montage verantwortlich, mit größter
Aufmerksamkeit verfolgt. Der bekennende Zweitakt-Fan hatte Firmenchef
Dieter König schon einige Male getroffen, und 1972 kamen sie auf die
"verrückte Idee", den wassergekühlten Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor
in die neue BMW R90/6 zu bauen. Die beiden Zweitakt-Experten waren
überzeugt: was die Japaner können, könne man in Berlin schon lange. Bei
der nächsten Gelegenheit trug Montageleiter Ernst Milarch seine Idee dem
Berliner BMW-Geschäftsführer Prof. Kramm vor. Der Vorschlag stieß auf
Interesse, und nachdem das OK aus München gekommen war, gab Werksleiter
Kramm grünes Licht.
|

Erste BMW mit Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor!
(Foto: Archiv-Biedermann)
|
Mit Martin Biedermann, damals für die Lackierung verantwortlich, und
Horst Wall, er war für die Instandhaltung zuständig, fand Ernst Milarch
zwei engagierte und fachkundige Mitstreiter.
Diskutiert, konstruiert und geschraubt wurde allerdings nur nach
Feierabend. Wie ihr "Privatvergnügen" auszusehen hatte, darüber waren
sie sich auch schnell einig. Die Sportmaschine sollte den 350er, die
Tourenmaschine den 500er Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor bekommen.
Der R90-Rahmen wurde kurzerhand zersägt und mit Zwischenrohren um 60 mm
verlängert. Mit einem Zwischenadapter ließ sich der König-Boxermotor so
an das BMW-Getriebe anflanschen. Das war schon deswegen wichtig, weil
außer Motor und Nebenaggregaten möglichst viele Komponenten von der BMW
R90/6 beibehalten werden sollten.
Die eigentliche Herausforderung war allerdings, die hoch gezüchteten
Renntriebwerke mittels neuer Auspuffanlage, Vergaser und Luftfilterkasten auf den
öffentlichen Straßenverkehr abzustimmen. Die mit Methanol betriebenen
Bootsmotoren waren ausschließlich auf Spitzenleistung ausgelegt. Das
350er Aggregat brachte 95 PS und der 500er Motor sogar 150 PS. Anstelle
des über einen Zahnriemen angetriebenen Drehschieber-Einlasses kamen
Yamaha-Membraneinlässe zum Einsatz, für die Gemischaufbereitung
entschied sich das Team für einen Solex-Fallstrom-Doppelvergaser. Für
die beiden Straßenmaschinen konnte sich das Ergebnis sehen lassen: die
350er Sport leistete 50 PS, die Tourenversion kam auf 67 PS. So viel
Leistung hatte noch nicht mal die gefürchtete 500er Kawasaki "Mach III".
|

Das Werk ist vollbracht:
Martin Biedermann, Ernst Milarch, Horst Wall
(Foto: Archiv-Biedermann) |

Prototyp 350er BMW-König Sport:
Ernst Milarch auf Testfahrt
(Foto: Archiv-Biedermann) |
|
Nach rund einem Jahr waren beide Prototypen 1973 fertig. Biedermann,
Milarch und Wall, kurz "BMW" genannt, durften ihre
Traummaschinen einer offiziellen Delegation aus München präsentieren.
Die Leute aus der Entwicklungsabteilung und dem Vorstand staunten nicht
schlecht, überzeugen ließen sie sich allerdings nicht: "Zu BMW gehört
ein Viertakt-Boxermotor, so wie zur Weißwurst die Brezel", so ihre
einstimmige Meinung. In Serie wurde die BMW-König also nie gebaut. Dafür
bekam jeder vom "BMW-Team" als Anerkennung für seine Leistungen
eine silberne Armbanduhr überreicht.
|

König-BMW 350 Sport.
Die 350er Sport kam anschließend zu
Bootsmotorenfabrikant Dieter König,
wo sie bis heute in der Werkstatt steht |

König-BMW 500 Touring.
Die 500er Touring sicherte sich
Porsche-Experte Hans-Georg Krage
(Foto: Archiv Krage)
|
König im Rennsport
100% Made in Germany:
König Rennmaschine mit Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor |
Dieter König war ein Allround-Genie. Er war Konstrukteur und
Rennbootfahrer mit WM-Titeln in Personalunion. Von einer echten
König-Rennmaschine konnte erstmals 1970 gesprochen werden, als der
unvergessene Neuseeländer Kim Newcombe als Konstrukteur und
Werksrennfahrer in die Firma kam. Bis Mitte der Siebziger entstanden
über 100 König-Renntriebwerke für Solo- und Gespannmotorräder. In
nationalen und internationalen Straßen-Meisterschaften gewann man
zahlreiche Titel. 1973 wurde Kim Newcombe in der 500er Klasse
Vize-Weltmeister, 1975 und 1976 gewann Rolf Steinhausen mit seinem
Beifahrer Josef Huber die
Gespann-WM.
|

Kim Newcombe beim Aufbau der 500er
Rennmaschine
(Foto: Archiv Collatz) |

Kim Newcombe auf der 500er
König-Werksrennmaschine
(Foto: Werk)
|

Top-restaurierte König-Rennmaschine im
Oldtimer-Rennsport |

König-Renngespann
Seitenwagen-Weltmeister 1975 und 1976 Rolf
Steinhausen/Sepp Huber
(Foto: Bernd Fischer)
|
Text-Archiv:
König-BMW
|