Motorrad-Marken


Motobi 250 Sport Special

"Das Kraftei"

In den 60er Jahren war für die Motorradindustrie 
Nordamerika das wichtigste Exportland.
Der Markt verlangte ständig nach neuen Modellen. 
Ein Glück für die europäischen Motorradfans,
vom großen Kuchen bekamen sie ein Stück ab,
zum Beispiel die Motobi 250 Sport Special.

Text&Fotos: Winni Scheibe
Prospektabbildungen Benelli/Motobi Werk



"Das Kraftei" 
250er Motobi-Motor


Italienern wird vielfach nachgesagt, sie hätten Benzin im Blut. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. In keinem anderen Land auf der Erde sind und waren die Leute nämlich so motorrad- und rennverrückt. Ganz gleich ob bei nationalen oder internationalen Rennen oder in der Straßen-Weltmeisterschaft, in den 50er und 60er Jahren gab es kaum eine Klasse, in der die Azzurris nicht den Ton angaben. Führende Marken waren MV Agusta, Gilera, Mondial, Moto Guzzi, Benelli, Bianchi, Aermacchi, Ducati, Garelli, Morini und Motobi. Der Rennsport diente dem Image und war gleichzeitig für die Werbung gut. Das Geld verdiente man dagegen in den meisten Fällen mit 125er, 175er, 200er und 250er Straßensportmaschinen.



Motobi 250 Sport Special und ihr Besitzer Friedrich Föll


Als in den sechziger Jahren bei uns, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern der Motorradmarkt fast vollständig zusammenbrach und viele namhafte Firmen ihre Werkstore für immer schließen mussten, waren italienische und japanische Hersteller auf eine neue Marktlücke gestoßen. In den USA, vornehmlich im Sunshine-State Kalifornien, hatte eine neue, wilde, frech-freie Generation das Motorrad als Freizeit- und Spaßfahrzeug entdeckt. Mit witzigen Flitzern überschwemmte Honda, aber auch bald Yamaha, Suzuki und Kawasaki, den US-Markt. Ihre Bikes gingen weg wie warme Semmeln und das sogar millionenfach. Konnten die italienischen Hersteller in den USA 1966 noch gut 66.000 Maschinen absetzen, waren es 1967 jedoch nur noch 31.500 Einheiten.

 


Motobi-Prospekt von 1958



Motobi-Fahrzeugangebot 1960




Eine Katastrophe, besonders für die Firmen-Gruppe Benelli/Motobi in Pesaro, die auf den Export angewiesen war. Ihr US-Importeur Cosmopolitan Motors, Inc. in Philadelphia verlangte ein erweitertes Angebot. Worauf die Manager aus Pesaro 1968 mit einer schier unüberschaubaren Modellflut reagierten. Sie lieferten wahlweise die 125er mit vier oder fünf Gängen, die 200er mit vier Gängen und die 250er ebenfalls mit Vier- oder Fünfganggetriebe. Entsprechend den amerikanischen Vorstellungen spendierte man einen Westernlenker und kleinen Tropfentank. Bei den Scrambler-Modellen waren vorderes Schutzblech und Auspuffanlage hochverlegt und wer wollte, konnte Einzel- oder Doppelsitzbank ordern. Verkauft wurden die Einzylinder-Viertakt-Hüpfer in den Staaten unter dem Markennamen Benelli.


Die Amis bekamen das „Kraftei" als Benelli "El Diablo",
in Italien und den Nachbarländern hieß der Flitzer
Motobi 250 Sport Special


Schnell und sportlich:
Motobi 250 Sport Special


Für den italienischen Markt, aber auch in den Nachbarländern Frankreich, Spanien, Schweiz und Deutschland gab es aus dieser Modellreihe die Motobi 250 Sport Special. Eine niedliche Sportmaschine, die aussah, als wäre sie direkt aus dem Motodrom von Imola abgebogen. Und so durfte sich der Fahrer auch fühlen. Stummellenker und langer 12,5 Liter Tank verlangten eine rennsportliche Sitzposition. Nichts für Tourenfahrer oder schon ganz und gar nichts für Leute, die lediglich gemütlich durch die Gegend bummeln wollten. Die 250er Motobi war als kompromissloser Straßensportler konzipiert, bereits ab Werk sah sie richtig schnell aus. Schmale Edelstahlschutzbleche, flache Sitzbank mit kleinem Höcker und spritzige Lackierung signalisierten Rasse und Geschwindigkeit. Motorradfahrern mit Rennsportambitionen ging das Herz auf. Mit nur 108 kg Gewicht war der Flitzer Hecht im Karpfenteich. Konsequenter Leichtbau würden heute die Fachleute dazu sagen und sich auch mal wieder so etwas wünschen.



"Kraftei" in der "Durchsicht"
(Zeichnung: Werk)


Dabei war der technische Aufbau vom Triebwerk und Chassis geradezu simpel und noch dazu ausgesprochen wartungsfreundlich. Das Gehäuse des liegenden Einzylinder-Motors war vertikal geteilt, die Kurbelwelle lief in zwei Doppelrillen-Kugellagern. Rechtsseitig war der Primärantrieb platziert, über eine Mehrscheibenkupplung gelangte der Kraftfluss zum klauengeschalteten Fünfganggetriebe und weiter via offenlaufender Rollenkette zum Hinterrad. 



Vor der Kurbelwelle lag die Nockenwelle, die auf der Primärseite ebenfalls von einem Zahnrad angetrieben wurde. Die Betätigung des Ø 32-mm-Einlassventils und Ø 30-mm-Auslassventils übernahmen kurze Stößel, Stoßstangen und Kipphebel. Zur Ventilspielkontrolle brauchte man nur den Ventildeckel abschrauben und schon waren die Einstellschräubchen erreichbar. Laut Handbuch sollte das Ventilspiel, für beide Ventile 0,15 mm, alle 5000 km gecheckt werden. Sportsfreunden, die den hochtourigen Motor allerdings ständig volle Pulle jubeln ließen, war dieses Intervall jedoch zu groß. Längst hatten sie spitz bekommen, dass zeitgleich mit dem Ölwechsel, also alle 2500 bis 3000 km, eine Ventilspielkontrolle vor größerem Schaden bewahren konnte. Wer auf Nummer sicher gehen wollte, erneuerte sogar vorsorglich alle 5000 km die Stoßstangen.

So pfiffig der Primärantrieb gelöst war, so störanfällig zeigte sich das Räderwerk mit zunehmender Kilometerleistung und ist somit heute für Käufer und Restauratoren zur Achillessehne geworden. "Wer sich für eine Motobi interessiert, sollte auf mahlende Geräusche aus dem Primärgehäuse achten. Lagerung und  Zahnräder sind dann verschlissen. Neuteile sind überhaupt nicht mehr oder nur noch ganz schwer zu bekommen", warnt Friedrich Föll, Motobi-Spezi und Besitzer der hier gezeigten 250 Sport Special aus dem Jahr 1969.


Friedrich Föll mit seiner Motobi in voller Fahrt


Den Kreislauf für die Nasssumpfschmierung besorgte eine Zahnradpumpe, deren Schneckenantrieb mittig von der Nockenwelle ausging. Im Falle eines Falles ließ sich diese Einheit komplett mit Verschlussdeckel nach unten aus dem Motorgehäuse herausziehen. Damit die zwei Liter Motoröl einigermaßen sauber blieben, war links im Motorgehäuse ein doppelter Drahtnetz-Ölfilter vorgesehen. Dieses Filtersystem erledigte seine Aufgabe jedoch mehr schlecht als recht, auch schon deswegen die relativ kurzen Abstände für den Motorölwechsel. 

Eine Schwunglichtmagnetzündanlage hinter dem linken Motorseitendeckel belieferte die Bordelektrik sowie die kontaktgesteuerte Zündung mit Strom. Für die Gemischaufbereitung war ein Dell`Orto UB24BS2 Rundschiebervergaser mit 24 mm Querschnitt und offenem Ansaugtrichter zuständig. Aus dem Bohrung/Hub-Verhältnis von 74 x 57 mm resultierte exakt 245,1 ccm Hubraum, der 8,5:1 verdichtete Motor brachte am Hinterrad gemessene 16,5 PS bei 7500/min. Nach den Erfahrungen vom damaligen Motobi Importeur Fritz Alexander durfte diese italienische Leistungsangabe jedoch als Tiefstapelei betrachtet werden, echte 17 bis 18 PS waren seiner Meinung nach weitaus realistischer.



Landstraßen-Flitzer

Das Anlassen erfolgte traditionell: Benzinhahn öffnen, Schwimmerkammer fluten, Zündung einschalten, beherzt zwei-, dreimal auf den Kickstarter dotzen und schon polterte das "Kraftei" los. Diesen Spitznamen hatte das Triebwerk durch sein eiförmiges Aussehen erhalten. Und dieser hatte sich im Laufe der Jahre auf das Fahrzeug übertragen. Sprach die Szene vom "Kraftei", wusste eigentlich jeder sofort, dass die Motobis gemeint waren. Lief das kleine Kraftpaket, konnte die Post abgehen. Das schnorchelnde Ansauggeräusch aus dem offenen Vergaseransaugtrichter wurde nur noch vom kernigen, wenig gedämpften, Viertakt-Auspuff-Sound übertroffen. Die Schaltwippe saß rechts, durch Herabtreten des hinteren Endes wurde der erste Gang eingelegt, zum Hochschalten der weiteren vier Gänge trat der Motobi-Fahrer einfach auf den vorderen Hebelausleger.



(Zeichnung: Werk)


Eingebaut, oder besser gesagt, von unten eingehangen war das knubbelige Aggregat in einen Stahlblechrahmen mit angeschweißtem Heck. Vorne war eine Teleskopgabel und hinten eine Schwinge mit zwei Federbeinen verbaut. Als Stopper dienten Simplex-Trommelbremsen, vorne mit 175 mm und hinten mit 157 mm Durchmesser. Den Kontakt zur Fahrbahn übernahmen vorne 2,75-18 und hinten 3.00-18 Pirelli-Pneus. Alles nichts Aufregendes, dafür funktional.




Und genauso ließ sich die Motobi 250 Sport Special auch fahren. Einfach und handlich wie ein Kleinkraftrad, dafür mit der Power einer ausgewachsenen 250er. Scheuchte ein langliegender Rennjockey das Kraftei über die Chaussee, waren gut 140 Sachen möglich. Richtig in ihrem Element war die schlanke Italienerin aber auf kurvenreichen Nebenstraßen. Hier ließ sich mit ihr nach Herzenslust räubern und gelegentlich sogar schweren Maschinen zeigen, wo der Hammer hing. Das Racing-Flair war charakteristischer Bestandteil der 250er Motobi. Auch kein Wunder, in den sechziger Jahren verbuchte die Kraftei-Schmiede große Erfolge im Rennsport. In der italienischen Meisterschaft, aber auch bei internationalen Wettbewerben konnten Motobi-Piloten zahlreiche Titel erringen. 

Von diesem Sportengagement profitierten natürlich auch die Fahrer auf den Straßen, viele Spezialteile waren nämlich frei käuflich. "Ein beliebtes Fahrwerkstuning waren, wie zum Beispiel in meiner Maschine, Leichtmetall-Hochschulterfelgen und die Grimeca-Doppel-Simplex-Trommelbremse mit 180 mm Durchmesser im Vorderrad", verrät Friedrich Föll.



Beliebtes Spielzeug:
Im VFV-Rensport eingesetzte Motobi


Sport wurde bei Motobi stets groß geschrieben. Ingenieur Giuseppe Benelli, ältester von sechs Brüdern, die bereits 1911 die Firma Benelli gegründet hatten, hatte sich 1950 selbständig gemacht um fortan eigene Motorräder zu bauen. Er wusste, dass Rennerfolge die beste Werbung für seine neuen Maschinen waren. Zunächst baute er kleinvolumige Zweitakt-Motorräder, aber schon 1956 brachte er seine ersten Viertakt-Maschinen, die 125er Imperial und 175 Catria, auf den Markt, die bereits damals schon das eiförmige Triebwerk hatten, was zum Spitznamen "Kraftei" führte.



Motobi 250 und Motobi 125


Im Alter von 68 Jahren verstarb 1957 Motobi-Chef Giuseppe Benelli, seine Söhne Luigi und Marco führten die Firma fort. Wirtschaftlich ging es dem kleinen Motorradhersteller in den nächsten Jahren allerdings nicht gut. Und so kam es, dass man sich Ende 1961 wieder mit dem familiären Stammhaus Benelli zusammentat. Die Firmen-Gruppe Benelli/Motobi war geboren, Luigi und Marco Benelli wurden Direktoren in ihrem ehemaligen Betrieb. Inzwischen hatte man auf dem amerikanischen Markt Fuß gefasst, die 200er Sprite kam raus, wahlweise stand das Benelli oder Motobi-Logo am Tank. 1966 legten die Motobi-Techniker nochmals mächtig nach und stellten eine neue Sprite mit Viertelliter-Hubraum und Fünfganggetriebe vor, aus der wiederum 1968 die 250 Sport Special wurde.



Ganz seltener Paradies-Vogel:
Zweizylinder-Zweitakt-Motobi


Nächste und letzte "Evolutionsstufe" in der 125er und 250er Kraftei-Baureihe war Anfang der Siebziger ein eckiger Ventildeckel, ein Tank mit merkwürdigen Lochstreifen am unteren Ende, eine Marzocchi-Gabel sowie einige Detailveränderungen. Rahmen und Triebwerk blieben dagegen wie sie waren. Mit Übernahme der Benelli-Motobi-Gruppe durch Alejandro De Tomaso ab 1972 war es mit Motobi eigentlich vorbei. Zwar wurden bis 1975 noch Restbestände abverkauft, die 125er und 250er Zweitakt-Nachfolgemodelle hatten mit der ruhmreichen Kraftei-Geschichte nun aber nichts mehr zu tun.


Mit freundlicher Unterstützung der Italospezialist Friedrich Föll 
sowie 
Moto Stefano in Balingen

Moto Stefano

Text-Archiv: Motorrad-Marken


Home