Fahrbericht:
Münch-4 TTS 1200 und Münch-4 TTS-E 1300
"Mammut-Express"
Vor einer halben Ewigkeit war ich
mal stolzer Besitzer
einer gewaltigen Münch Mammut. Das war im Sommer
1972.
Im Sommer 1996 besuchte ich Wilhelm
Groh, Chef vom
Friedel-Münch-Museum. Mit einer Münch-4 TTS 1200
und Münch-4 TTS-E 1300 starteten wir zu einem
Ausflug in die Vergangenheit.
Text&Fotos: Winni Scheibe
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Probefahrt:
Autor Winni Scheibe und Münchsammler Wilhelm Groh
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Wer
seit 1970 Motorrad fährt, hat mit Sicherheit viel erlebt.
Bei mir ist das jedenfalls so, zumal ich mein Hobby Mitte der 70er Jahre
zum Beruf gemacht habe. Und deswegen fällt es mir auch bedeutend
leichter, diejenigen Motorräder aufzuzählen, die ich noch nicht
gefahren habe. Und dazu gehört die Münch-4 TTS-E.
An die Münch-4 TTS
1200 mit Vergaser-Triebwerk kann ich mich dagegen noch gut erinnern. Genau so
ein Motorrad hatte ich als Motorradnovize mit 20 Lenzen.
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Anfang der Siebziger war der Motorradmarkt überschaubar. Wer damals
Motorrad fuhr, war jung, kannte alle wichtigen Marken und Modelle. Es
waren ja nicht so viele, und die Böcke, für die man sich
interessierte, waren schnell aufgezählt: BMW R75/5, Moto Guzzi V7, BSA
A65 und Rocket-3, Honda CB750, Kawasaki Mach III, Laverda 750SF, Yamaha
XS650, Norton Commando, Triumph Bonneville und Triumph Trident. Maschinen
unter 500 Kubik wurden als "Mopeds" abgetan, was in den damaligen
Kreisen zählte, waren Hubraum, Leistung und Geschwindigkeit. Und so
darf man sich auch nicht wundern, dass die Harleys nicht dazugehörten,
sie wurden als amerikanischer "Kernschrott" eingestuft. Bei der
Münch Mammut gingen die Meinungen allerdings weit auseinander. Für
viele war sie viel zu schwer, viel zu klobig, viel zu unbeholfen und
natürlich mit ihren gut 10.000 Mark Listenpreis auch viel zu teuer, und
weil sie einen Vierzylinder-Automotor hatte, war sie für viele auch
kein richtiges Motorrad.
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Der Autor im Sommer 1972 auf
seiner Münch-4 TTS 1200 |
Die anderen dagegen waren vom "Mammut-Bazillus"
regelrecht befallen. Für sie war die Mammut nicht nur groß, stark und
schnell, sondern eine gewaltige Herausforderung: fahrerisch und
technisch. Motorräder, die mit zwei Personen besetzt und Gepäck voll
bepackt über 200 Knoten rannten, gab es schließlich bis dato noch
nicht. Die Fahrleistungen der Mammut waren einzigartig, mit nichts
vergleichbar, die Straßenlage tadellos und die Bremsanlage eine Wucht.
Wer mit ihr "volles Rohr" fuhr, bewegte sich in Geschwindigkeitsbereichen,
in die Motorradfahrer noch kaum vorgedrungen waren. Und dieser Spaß war
sogar legal, das 100-km/h-Speedlimit auf deutschen Land- und
Bundesstraßen war nämlich erst ab Herbst 1972 gültig.
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Big-Bike 1972: Münch-4 TTS 1200 von
Winni Scheibe
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Technisch
forderte die Münch zwar nicht so sehr den Mann, es war aber dennoch
praktisch, wenn man etwas davon verstand. Flächendeckende
Vertragswerkstätten gab es nicht und wegen jeder Kleinigkeit ins Werk
nach Altenstadt kutschieren, wollte man ja auch nicht. Und so half in
der Regel ein fachkundiger Freund oder man griff selbst zum
Schraubenschlüssel. Knapp ein Jahr fuhr ich die Mammut, spulte rund 20.000 km ab, dabei hat sie mich nie im Stich gelassen. Nur manchmal gabs
Probleme. Immer dann, wenn es nach einem Stopp weitergehen sollte. Mal
waren es nur Schaulustige, ein anderes Mal interessierte Fans. Nur die
Fragen waren immer wieder dieselben: wie schwer, wie schnell, wie viel PS
und wie teuer. Mit der Münch machte man keine Schau, sie war die Schau!
Später habe ich so etwas immer wieder mit Harleys erlebt. Damit ich
aber nicht falsch verstanden werde, die Faszination mit einer Münch,
einer Harley oder wer weiß was für einer Maschine zu fahren, besteht
aber nicht darin, was andere davon halten, sondern, ob einem die Sache
selbst Spaß macht, und das kann sogar auf einer Zweitakt-MZ der Fall sein.
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Wilhelm Groh besitzt das
"Friedel-Münch-Museum"
Familie Groh
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Vergaser-Version: Münch-4 TTS 1200 von 1971 |
Einspritz-Version: Münch-4 TTS-E 1300
von 1975
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Den
Ausflug mit der Münch-4 TTS 1200 von 1971 und der Münch-4 TTS-E 1300
von 1975 ermöglichte Wilhelm Groh. Er ist Münchfan, Münchsammler und
besitzt das Friedel-Münch-Museum in Walldorf bei Hockenheim. Beide
Maschinen befinden sich im tadellosen Zustand, sind nicht "überrestauriert",
und wenn Wilhelm Groh Zeit und Lust hat, gebraucht er sie als
Fahrmaschinen. Seine anderen 20 Mammuts stehen im Museum. Anfang der
siebziger Jahre war die Münch der dickste Brocken, Harleys ausgenommen,
den es auf dem Markt gab. Wer sich heute solch ein Schlachtschiff
zulegen möchte, hat zum Beispiel die Auswahl zwischen der BMW K 1200
RS, 285 kg, Harley-Davidson Dyna Super Glide, 295 kg, Honda F6 C, 335
kg, Kawa Zephyr, 266 kg und Yamaha XJR 1200/SP, 260 kg. Allesamt große
und schwere Brocken. Dagegen wirken die TTS 1200 mit 270 kg und die
TTS-E 1300 mit 295 kg gar nicht mehr so mächtig, so wie sie eben vor
einem Vierteljahrhundert empfunden wurden. Doch genug der Vergleiche mit
modernen Maschinen.
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Vergaser-Motor |
Einspritz-Motor |
Zunächst sitze ich auf der TTS 1200 mit Vergaser-Motor. An das
Schaltsystem, der erste Gang wird nach oben, alle weiteren drei Gänge
nach unten geschaltet, habe ich mich sofort gewöhnt. Die Sitzposition
ist typisch Münch: man hockt relativ weit hinten, die Füße stehen auf
den in Schwingachsenhöhe angeschraubten Fußrasten, die Lenkstange
liegt lässig in den Händen. Das Handling ist erstaunlich einfach, ohne
Kraftakt lässt sich die Mammut durch Walldorf auf die Landstraße
Richtung Odenwald dirigieren. Exakt und butterweich rasten die Gänge
ein, mit der vordere Münch-Duplextrommelbremse lässt sich der Brummer
nachhaltig verzögern. Auf freier Landstraße geben wir den Mammuts die
Sporen, die Drehzahlmessernadel pendelt zwischen 2000 und 4000
Umdrehungen. Ihre Kraft schöpft die Münch aus Hubraum und Drehmoment,
der vierte Gang bleibt eingelegt, das Marschtempo bestimmt die Gashand.
Akustisch wird der Ausflug von einem einmaligen Klang begleitet.
Zwischen 3000 und 4000 Umdrehungen schnorchelt es dermaßen aus den zwei
offenen Weber-Doppelvergasern, dass man alle Ermahnungen "Laut ist
Out" vergessen möchte. Es ist aber kein Krach, sondern das Fauchen
eines frisierten Vierzylinder-Motors, der gleich blitzschnell zum Sprint
ansetzen möchte. Das Gefühl, gewaltige Kraft unter dem Tank zur
Verfügung zu haben, ist beeindruckend. Es macht nicht aggressiv, es
gibt Überlegenheit. Daran hat sich seit 1972 nichts
geändert.
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Mammut-Treiber: Wilhelm
Groh in voller
Fahrt
Münch-4 TTS
1200 |
Münch-4 TTS-E 1300
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Beim
Rückweg sitze ich auf der Münch-4 TTS-E 1300 mit 104 PS. Sitzposition
und Handling sind fast identisch. Zwar ist bei der "E" der
Radstand um 50 mm länger, im Fahrbetrieb ist dies aber kaum zu spüren.
Grundsätzlich anders ist dagegen die Motorcharakteristik. Der
Einspritzmotor hängt gierig am Gas, er gibt über das gesamte
Drehzahlband, ohne ein Loch oder sich zu verschlucken, seine Leistung
ab. Das "E-Triebwerk" läuft komfortabel und seidenweich, aber
ohne die Geräuschkulisse des Vergaser-Motors. Das Fauchen und
Schnorcheln fehlt. Für Wilhelm Groh ist die TTS-E die beste Münch
schlechthin. Mit ihr kann man im großen Gang gemütlich bummeln, sie
hat die besten Beschleunigungs- und Durchzugswerte, und eine
Autobahnhatz steckt sie auch locker weg.
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Ich stehe dafür auf das Fauchen der TTS mit Vergaser-Motor. So habe ich
die Mammut 1972 kennen gelernt, erlebt und gefahren. Ein
Livekonzert von "The Who" möchte man ja schließlich auch Open Air und
nicht im Konzertsaal erleben.
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