Motorrad-Marken


Friedel-Münch-Story 4. Teil

Frühjahr 2000:
Vorstellung der Münch-Mammut-2000

"Mammut-Revival"

Die deutsche Motorradindustrie lässt das Millennium gut angehen.
BMW legt mit der innovativen F 650 GS einen Zahn zu, MuZ
heißt wieder MZ, Sachs meldet sich mit brandaktuellen
Maschinen zurück und nach der INTERMOT 2000 gab es
dann eine neue Münch-Mammut.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Werk



(Foto: Werk)

Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft. Das gilt natürlich auch für Familienangehörige. Praktisch, wenn's dabei auf den Pfennig nicht ankommt. In der prominenten Familie Sachs scheint es jedenfalls so zu sein. Und weil es zum Millennium etwas ganz Besonderes sein sollte, spendierte Gunter Sachs (67) seinem Sohn Ralf Sachs (44) eine neue Münch-Mammut-2000.



Ralf Sachs und Vater Gunter Sachs
(Foto: Werk)


Vor 30 Jahren war die Münch Mammut meine größte Liebe auf zwei Rädern. Heute begeistert sie meinen Sohn", verrät der Industrielle und Starfotograf Gunter Sachs. Standesgemäß ist das 170.000 Mark teure Präsent allemal. Nur 250 Maschinen sollen gebaut werden, und das genau so wie vor über 30 Jahren mit der legendären Münch-4 TTS 1200, Stück für Stück in sorgfältiger Handarbeit.



Vorbildfunktion:
Münch TTS-E 1300


Als Mitte der Sechziger der hessische Kfz-Meister Friedel Münch seine erste Mammut auf die Räder stellte, herrschte in der Motorradbranche Hängen im Schacht. Nach dem "Wirtschaftswunder" war nun Wohlstand angesagt, frei nach dem Motto "haste was, biste was". Wer etwas auf sich hielt, fuhr Automobil. Auf das Motorrad setzte schon lange kein "vernünftiger" Mensch mehr einen Pfifferling. NSU, eben noch weltgrößter Motorradhersteller, verkündete unumwunden "das Motorrad ist tot, die Zukunft gehört dem Auto". Wer trotzdem Motorrad fuhr, dem war einfach nicht zu helfen.



Titan 2000

Und genau in dieser Zeit baute Friedel Münch ein Motorrad der Superlative. Es war weltweit das erste Super-Bike mit 1200er Vierzylinder-NSU-Automotor, 88 PS stark und 220 Stundenkilometer schnell. Damals gab es weder eine Honda CB 750 Four, BMW R 75/5, Kawasaki 900 Z1 und auch noch keine Suzuki GT 750 „Wasserbüffel". Die Münch Mammut war das Traum-Motorrad schlechthin, ein echtes „Männer-Motorrad". Stark, schnell und schwer, aber auch doppelt und dreifach so teuer wie jede andere Maschine. Von 1966 bis 1980 wurden genau 478 Münch-Motorräder gebaut, dann wurde es still in der Mammut-Herde. Aber nicht bei dem unermüdlichen Tüftler und Konstrukteur Friedel Münch. Er reparierte, wartete und verbesserte seine Mammuts, baute sogar noch einige Einzelanfertigungen mit den Modell-Namen Horex 1400 TI, Titan 1600, Titan 1800 und Titan 2000.


Friedel Münch: "geht nicht, gibt es nicht"

Friedel Münch hat in seinem Leben Höhen und Tiefen erlebt, war aber immer seiner Arbeits- und Lebensphilosophie "geht nicht, gibt es nicht" treu geblieben. Bis das Schicksal es plötzlich anders wollte. Mitte 1991 erlitt der nimmerruhende Konstrukteur einen Schlaganfall. Nach halbjährigem Klinikaufenthalt ging es dann aber zum Glück wieder steil bergauf, "Arbeit ist die beste Therapie", so das Original-Zitat von Friedel Münch. Und was dabei rausgekommen ist, sehen wir nun kurz nach der Jahrtausendwende: die Münch-Mammut-2000.

 

 


Friedel Münch
(Foto: Werk)


Thomas Petsch bau die Münch-Mammut-2000


(Foto: Werk)

 


Heute ist ein ganz besonderer Tag für mich. Ich freue mich wie ein kleiner Junge, dass wir hier die Krönung meines Lebenswerkes, die Münch Mammut 2000, vorstellen können", versichert der inzwischen 73-jährige Friedel Münch bei der Präsentation am 6. April 2000 in Würzburg. Ermöglicht und finanziert wurde das Projekt vom Würzburger Maschinenbauingenieur Thomas Petsch, der gleichzeitig Gründer und Geschäftsführer der Münch-Motorrad-Technik-GmbH ist. "Die technische Herausforderung, ein einzigartiges Motorrad zu entwickeln, verband Friedel Münch und mich von Anfang an," betont Thomas Petsch und verrät auch gleich, wie es zu dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit gekommen ist.


Thomas Petsch


Thomas Petsch und Friedel Münch


Im Sommer 1997 saß beim Heimflug ein netter Herr neben mir, wir unterhielten uns über Gott und die Welt und zufällig auch über Motorräder. Ich erzählte von meinem Traum-Motorrad der Münch Mammut und erfuhr, dass mein Nachbar Friedel Münch gut kennt. Ich fragte sofort, ob er ein Treffen engagieren könne. Wenig später erhielt ich von ihm einen Anruf und er sagte mir, Friedel Münch würde sich freuen, mich kennen zu lernen. Was aus diesem Treffen dann wurde, ist die Münch-Mammut-2000."



(Foto: Werk)


Gut zweieinhalb Jahre Entwicklungszeit stecken in dem Kraftrad. Bis auf den Vierventil-Cosworth-Zylinderkopf sind alle weiteren Komponenten des Vierzylinder-Reihenmotors Spezialanfertigungen. Ein computergesteuertes Motormanagement ist für Zündung, Einspritzanlage und Turbolader zuständig. Der G-Kat erfüllt die strenge Abgasnorm D4, womit die Münch-Mammut-2000 im Jahr 2000 weltweit das erste Motorrad ist, das auf den Abgaswerten aktueller Automotoren liegt. Das Doppelrohr-Chassis für das 354 kg schwere Big-Bike besteht aus Stahlrohr, die Gabel liefert Öhlins, die beiden liegend eingebauten Federbeine sind von White Power, die Bremsanlage stammt von Spiegler. Für das aggressive Outfit zeichnet das Team von m-design verantwortlich.



Ein absolutes Novum im Motorradbau ist der Internet-Service. Via Handy-Verbindung lassen sich über einen 24-Stunden-Abruf sämtliche Motordaten analysieren und es lässt sich ins komplette Motormanagement eingreifen. Vertragswerkstätten wird es keine geben, verkauft wird der Donnervogel übers Internet, zu den Wartungsarbeiten kommt ein Servicemobil zum Kunden nach Hause. 

Die Fertigung ist ebenfalls ungewöhnlich. In der Nähe von Breslau/Polen haben wir eine Produktionshalle gekauft, hierhin werden alle Bauteile geliefert. Unser Kraftrad wird ausschließlich von 15 Ingenieuren, die auch alle bei der Entwicklung mit dabei waren, montiert"; betont Thomas Petsch.



260 PS Kraftwerk

In der Diskussion um das schwerste, stärkste und schnellste Motorrad auf dem Markt macht sich Münch-Hersteller Petsch keine Gedanken und lässt selbstbewusst verlauten: "Bei den Prüfstandsläufen hat das Triebwerk locker 300 PS abgegeben. Wir sind allerdings der Meinung, 260 PS genügen vollauf. Zur Höchstgeschwindigkeit wollten wir vorerst keine Angaben machen, haben uns dann aber auf eine automatische Abriegelung bei 250 Sachen festgelegt." 
Bei aller Euphorie und Begeisterung bleibt letztendlich die Frage der Wirtschaftlichkeit: wie rechnet sich das Unternehmen? Auch auf diese Frage hat Thomas Petsch eine Antwort: "Man kann es mir glauben, die Münch Mammut 2000 bauen wir aus Spaß an der Freude, Geld wollen und werden wir nicht damit verdienen."


Es wurden nur 15 Münch-Mammut-2000 gebaut


Eine von 15:
Thomas Petsch auf seiner Münch-Mammut-2000


Soweit die guten Nachricht, und die schlechte Nachricht. Von einer halbwegs kostendeckenden Produktion hatte sich Thomas Petsch gedanklich schon bald verabschiedet, seine Münch-Mammut-2000 hätte er zum doppelten Preis verkaufen müssen. Nur 15 dieser Asphalt-Brenner wurden gebaut, dann zog der Würzburger Unternehmer im April 2002 die Notbremse und stellte die Fertigung ein.


Technische Daten
Münch-Mammut-2000

 

Motor
flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Motor; zwei obenliegende Zahnriemengetriebene Nockenwellen; vier Ventile pro Brennraum; Bohrung x Hub 86 x 86 mm; Hubraum 1998 ccm; Verdichtung 9:1; Schwitzer-Turbolader, max. Ladedruck 0,9 bar, Einspritzanlage, G-Kat;
Leistung 191 kW (260 PS) bei 5650/min; maximales Drehmoment 295 Nm bei 3500/min; Kontaktlose Zündanlage; E.-Starter. Primärantrieb über Zahnräder; Mehrscheibenkupplung im Ölbad; Sechsganggetriebe;
Endantrieb über O-Ring-Kette im geschlossenen Kettenkasten

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr; Öhlins-Telegabel, Ø 43 mm; Schwinge mit zwei untenliegenden Federbeinen; vorne und hinten Münch-Leichtmetallräder; vorne zwei Scheibenbremsen Ø 320 mm, hinten Scheibenbremse Ø 280 mm; Bereifung vorn 120/70 ZR 17, hinten 200/70 VB 17

Abmessungen/Gewicht
Federweg vorne 120 mm; Federweg hinten 65 mm; Nachlauf 115 mm; Radstand 1540 mm, Sitzhöhe 780 mm; Tankinhalt 26,5 Liter; Gewicht 354 kg;
zulässiges Gesamtgewicht 510 kg

Höchstgeschwindigkeit
250 km/h (elektronisch begrenzt)

Preis
168.000 DM (86.000 Euro)

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