Motorrad-Marken


Dreizylinder-Studie "Münch3"
Ein Bericht aus dem Jahr 1994

Die Unvollendete

Friedel Münch hat auch mit Zweitakt-Motorrädern experimentiert.
 Die "Münch3" sollte allerdings nie fertig werden. Heute steht
das außergewöhliche Dreizylinder-Bike bei Wilhelm Groh
 im "Friedel-Münch-Museum". 

Text&Fotos: Winni Scheibe



Münchkenner und  Münchsammler Wilhelm Groh


Anfang der siebziger Jahre kommt der Motorradboom voll in die Gänge. Die Hersteller überschlagen sich mit der Präsentation neuer Modelle. Trendsetter sind die vier japanischen Marken Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki. Im beinharten Konkurrenzkampf versuchen sie sich gegenseitig mit immer größeren, stärkeren und schnelleren Motorrädern zu übertrumpfen. Bei der Wahl der Antriebseinheit spaltet sich das Lager in zwei Gruppen. Honda setzt auf das Viertaktprinzip. Die CB750 ist das erste Großserienmotorrad mit Vierzylinder-Triebwerk. Yamaha, Suzuki und Kawasaki haben sich dem Zweitaktsystem verschrieben. Von Yamaha gibt es 250er und 350er Sportmaschinen, Suzukis Paradepferd ist das Tourenbike GT750, der "Wasserbüffel". Kawasaki sorgt mit den beiden Dreizylinder-Raketen H1500 und H2750 für Aufregung. Doch längst nicht genug. Ohne Vorwarnung präsentierte Kawasaki bei der IFMA 1972 in Köln das Vierzylinder-Viertakt-Überbike 900 Super 4, kurz "Z1". Der Feuerstuhl ist das erste Big-Bike vom Fließband.




Europäische Hersteller profitieren von der Trendwende. Motorräder sind plötzlich wieder "in". Aber nicht mehr als billige Nutzfahrzeuge, sondern für Freizeit, Hobby und Fahrspaß. Bei Friedel Münch läuft die Produktion der "Mammut" auf Hochtouren. Die Nachfrage ist gewaltig, manche Kunden müssen monatelange Lieferzeiten in Kauf nehmen. Das gutgehende Geschäft erlaubt dem vielseitigen Motorradkonstrukteur zahlreiche Weiter- und Neuentwicklungen, und er überlegt das Modellprogramm mit einem kleinen spritzigen Motorrad nach unten abzurunden. Ein geeignetes Triebwerk ist bald gefunden. Es ist ein 646 ccm Dreizylinder-Zweitakt-Motor von Sachs. Das für den kanadischen und US-Markt entwickelte fahrtwindgekühlte Schneemobil-Triebwerk mit der Typenbezeichnung SA3-650 RX wird von 1972 bis 1973 in Schweinfurt gefertigt. Der Motor leistet 90 PS bei 9000/min, es ist ein leichtes und kompaktes Aggregat, der 120 Grad Hubzapfenversatz verspricht vibrationsfreien Lauf. Geliefert wird von Sachs allerdings nur der Motor, um den Primärantrieb, die Kupplung, das Getriebe und das "Drumherum" muss sich Friedel Münch selbst kümmern.






Als Fahrwerk dienen dem hessischen Kfz-Meister Komponenten der Münch-4. Der Vorderbau wird komplett übernommen, der Rahmen modifiziert, das Heckteil aus Elektron-Guss weggelassen. Anstelle der Guss-Hinterradfelge baut Friedel Münch ein Speichenrad ein. Die Schwinge mit den geschlossenen Ölbadkettenkasten wird dafür übernommen. Wenige Wochen vor der IFMA 1972 steht der Prototyp auf den Rädern, ist mit Schutzblechen, Sporttank und Zweipersonensitzbank versehen. Der Motor wird vorläufig im Doppelschleifenchassis verschraubt, jetzt fehlen noch die Nebenaggregate, elektrische Ausrüstung, Primärantrieb, Kupplung, Getriebe und Endantrieb. Die benötigten Bauteile lassen sich allerdings nicht von der Münch-4 übernehmen. Gehäuse, Deckel, Hebel und Halterungen müssen neu gefertigt werden. Ein Arbeitsaufkommen, das kurz vor der Ausstellung unmöglich zu schaffen ist. Und so ist die Münch3 nicht fertig, wird aber dennoch als Dreizylinder-Studie bei der Motorrad-Messe ausgestellt. Die Resonanz ist überwältigend, es können sogar Vorbestellungen entgegengenommen werden. In Produktion geht die Münch3 nie, es bleibt ein unvollendeter Prototyp, er wird in die Ecke gestellt, verstaubt und wird vergessen.
1991 taucht die Münch3 wieder auf, findet gleich einen Käufer und steht heute im "Friedel-Münch-Museum" bei Wilhelm Groh.


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