Motorrad-Marken


Suzuki GT 380 und GT 550

"Ram-Air"-Express

Anfang der siebziger Jahre gab es in der Motorradindustrie zwei
Fraktionen. Für die einen kamen nur Viertakter in Frage, die anderen
schworen auf Zweitakter. Eifrigster Verfechter des Zweitakt-Systems
war Suzuki. Die Palette reichte von 50 bis 750 Kubik, es waren
Maschinen mit Ein-, Zwei- und Dreizylinder-Motoren. In der Mittelklasse
sorgten die "Ram-Air"-Modelle GT 380 und GT 550 für Furore.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Werk

 


550er Dreizylinder-Motor mit "Ram-Air" System


Anfang der 70er Jahre krebste bei uns der Motorradmarkt auf dem Existenzminimum herum. Kaum mehr als 133.000 Maschinen waren 1971 zugelassen. Zukunftsaussicht: ungewiss. Ganz anders die Situation in Japan. Bei den vier großen Marken Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki lief das Geschäft auf Hochtouren. Jedoch mit grundverschiedener Firmenphilosophie. Marktführer Honda produzierte Viertakt-Maschinen. Von Yamaha gab es, abgesehen von dem neuen 650er Viertakt-Twin XS-1, nur Zweitakt-Bikes. Suzuki und Kawasaki vertrauten ebenfalls auf die Zweitakttechnik. In den USA, damals für Japan Exportland Nummer Eins, wurden die Geräusch - und Abgasvorschriften für die Zulassungsbestimmung von Jahr zu Jahr allerdings immer schärfer. Und wer "im gelobten Land" weiterhin Motorräder verkaufen wollte, musste in Zukunft zwangsläufig Viertakt-Maschinen produzieren. Bei Yamaha und Kawasaki wurde bereits kräftig in diese Richtung entwickelt.


Und bei Suzuki? Hier glaubte man die Problemlösung im weiterentwickelten Zweitakt-Triebwerk gefunden zu haben

 

Für umweltfreundlichen Motorlauf gab es das "CCI" und "SRIS"-System. Die "CCI"-Frischölschmierung (Crankshaft-Cylinder-Injection) erledigte eine gasgriff- und drehzahlabhängige Ölpumpe. Via Leitungen erreichte das Zweitaktöl die Schmierstellen. Mit einem zweiten "SRIS"-Schmierkreislauf (Suzuki-Recycle-Injection-System) wurde das unverbrauchte Öl im Boden des Kurbelwellengehäuses durch den Druckunterschied in den jeweiligen Spülkanal des benachbarten Zylinders gezwungen. Mit diesem Trick ließ sich der Ölverbrauch reduzieren, aber auch der lästige Qualm aus den Auspuffrohren erheblich verringern.


"CCI"-Frischölschmierung
(Zeichnung: Werk)


"SRIS"-System
(Zeichnung: Werk)



Paradepferd im Suzuki-Zweitaktangebot: GT 750 "Wasserbüffel"


Neben der wassergekühlten GT 750, dem legendären "Wasserbüffel", den Suzuki im Herbst 1970 vorstellte, entwickelte das Werk parallel zwei weitere Dreizylinder-Maschinen: Die GT 380 war Ende 1971 serienreif, die GT 550 kam im Frühjahr 1972 auf den Markt. Die GT 380 wurde zunächst mit 32 PS, später mit 38, 37 und dann wieder mit 34 PS angegeben. Sie verfügte über ein Sechsganggetriebe, per "Kick" kam das 380er-Triebwerk in Gang. Luxuriös ging's beim 48 PS starken Fünfgang-Schwestermodell zu. Per Knopfdruck ließ sich der 550er Motor mittels Anlasser starten, zur Sicherheit war allerdings noch der Kickstarter da.



Suzuki GT 380


Im Vergleich zu den damals üblichen Ein- und Zweizylinder-Motorradmotoren war die Dreizylinder-Wahl was Besonderes. Nicht ohne Grund. Denn was einem Sechszylinder-Viertakt-Triebwerk nachgesagt wurde, sollte auch auf den Dreizylinder-Zweitakter zutreffen: vibrationsarmer und gleichmäßiger Motorlauf.



Hinsichtlich der Fahrwerksabstimmung steckten die "Ram-Air" Modelle jedoch noch in den Kinderschuhen. Die Federung war knüppelhart, die Dämpfung lasch. Wer nachbessern wollte, baute Koni-Federbeine ein. Auch die Standard-Bereifung wurde, lange bevor sie bis auf die "Leinwand" abgewetzt war, gegen Metzeler-Pneus getauscht. Optisch eine Wucht, aber technisch keineswegs auf dem neuesten Stand war die Doppelduplex-Trommelbremse im Vorderrad von der GT 550. Nicht nur, dass sie ständig gewartet werden musste, inzwischen gab es Scheibenbremsanlagen, die eigentlich von Anfang an die GTs gehört hätten und erst später den Flitzer aufwerteten.



Suzuki GT 550


Fahrfertig brachte die 3890 Mark teure und 165 km/h schnelle GT 380 J 190 kg auf die Waage, ihre große Schwester kostete 5200 Mark, lief 175 Sachen und wog 215 kg. Wer dieses Tempo auf der Autobahn auskosten wollte, musste allerdings D-Zug Aufpreis berappen. Die 380er gönnte sich gut 8,5 Liter und die 550er sogar rund 11 Liter Benzin auf 100 km.




Optisch sahen sich die GT 380 J und GT 550 J, das "J" steht für das Modelljahr 1972, verdammt ähnlich. Lediglich die Modellbezeichnung am Seitendeckel verriet dem Betrachter auf den ersten Blick, um welchen Typ es sich handelte. Auch kein Wunder. Suzuki pflegte zu dieser Zeit ein wunderbares Baukastensystem. Das war nicht nur praktisch, sondern sparte den Vertragshändlern gewaltige Kosten bei der Ersatzteillagerung. Die Bauzeit der GT 380 endete 1978, die GT 550 wurde nur bis 1977 gebaut. Auf Grund großer Bestände stand die GT 380 aber bis 1980 im Prospekt, und die GT 550 war offiziell bis 1978 zu haben. Zum Schluss wurden die Neufahrzeuge als "Motorrad zum Selbstzusammenbauen in den Kisten" verramscht.
Eigentlich schade, doch die Zeit der Zweitakter war inzwischen vorbei, bei Suzuki war ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufgeschlagen worden. 1976 hatte man die GS 750 und GS 400 auf den Markt gebracht, weitere Viertakt-Motorräder sollten folgen.

Text-Archiv: Suzuki-Klassiker


 
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