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Fahrbericht Triumph Rocket III Classic

Der Super Cruiser

"Da sind noch zwei Zahnfüllungen zu dichten. Das machen wir mit einem
speziellen Lack!“ So mein Zahnarzt. Ob das ausreicht, um über die Runden
 zu kommen? Da steht ein Schwergewicht von Motorrad vor seiner Tür und
wartet darauf, mich wieder Richtung Heimat zu tragen! Es ist nicht meine
alte Kawasaki Z1300, das Schlachtross der späten 70er Jahre.
Es ist der ultimative Halbtonner aus England.

Text: Wolfgang Fromm
Fotos: Fromm, Scheibe




Auf "Dienstreise" und in "Dienstpause":
Wolfgang Fromm mit der Triumph Rocket III Classic im Sommer 2006



Eine Triumph Rocket III ist schon ein respekteinflößendes Ungetüm auf ihrem 240er Hinterreifen. Man setzt sich nicht drauf, nein, der breite Sattel nimmt mich auf. Der massive Seitenständer wird eingeklappt und mit dem Zündschlüssel die Elektronik scharf geschaltet. Beide Rundinstrumente zeigen lebhaftes Interesse durch ein Abfahren des Anzeigebereichs, alle Kontrolllampen leuchten zum Beweis ihrer Funktionstüchtigkeit kurz auf. Ohne Vorsortierung der Gänge mit gezogener Kupplung springt der Motor mit der ersten Umdrehung an und schaufelt seine Newtonmeter an das Getriebe. Konzentriert auf das Anfahren fällt die weiche, leichtgängige Kupplung auf. Sie ermöglicht sanftes Angleiten des Schwertransportes, der immerhin über eine halbe Tonne wiegen darf. Und so fühle ich mich diesmal nicht wie der belastende Teil einer grenzwertig gequälten Technik, sondern eher wie der Duftbaum am Rückspiegel eines 32 Tonners.



Nichts für "Halbstarke":
Die Triumph Rocket III Classic drückt mit Zubehör rund 370 kg auf die Waage


Frühes Schalten ermöglicht dem Dreizylinder, beim Beschleunigen seine polternden 2300 ccm bestens zu präsentieren. Nicht die 103 kW (140 PS), sondern die 200 Nm bei 2500/min der Kurbelwelle geben mir eine tiefe innere Gelassenheit. Und wie das ungestüme, fühlbare Vorwärts in gleichmäßiges Cruisen übergeht, herrscht im Kraftwerk Ruhe. Unglaublich beeindruckend das aktive Fahren im gleitenden Bereich bis 100 km/h, ebenso das Reißen an den Sinnen und Nerven, wenn bei Drehzahlen über 2500/min die Beschleunigung gefordert wird. Da poltert der Engländer ungestüm los, katapultiert aus jeder Situation das menschliche Ego auf die Pole Position.



Cruisen statt rasen


Haben die englischen Techniker im "Retrofitten“ ihren Job getan? Die neue alte englische Schule hat über moderne elektronische Regelkreise das Triebwerk wieder zu Schwingungen gebracht, die jeweils zum gewollten Fahrstil mit der Gashand freigegeben werden!? Dann haben sie aber beim "Sound-Design“ übertrieben, wenn die Fahrt mit dem Motor gebremst wird. Deutlich heulen die Ausgleichs- und Getriebewellen, verstärken sich beim Auskuppeln zum regelrechten Pfeifen. Nicht im Großrechner so angelegt? Dann Kompliment, denn immerhin müssen etwa 770 ccm pro Topf mit Ausgleichswellen und Elektronik gezähmt und in kultiviert in Form gebracht werden. Tatsächlich werden im ersten und zweiten Gang die Fahrbarkeit durch die Elektronik überwacht und notfalls geregelt.





Kraftwerk:
2,3 Liter Hubraum und 140 PS ist einfach ein Wort


Die waldreiche, geschwungene Landstraße nötigt zunächst Respekt vor den Superlativen. Ein entgegenkommender Lkw erschreckt durch freches Schneiden der Kurve. Die kurze Korrektur der Ideallinie gelingt problemlos, Fahrwerk und Bodenfreiheit offenbaren keine Zwänge. Knie an den Tank und weiter. Apropos, die Knie sind immer am Tank, so breit wie dieser verbaut ist. Die Sitzhaltung ist aufrecht bequem und der Winddruck, sowie die kleinen Kerbtiere werden wunderbar über den Kopf des Fahrers geleitet. Jethelm mit Sonnenbrille reicht für das kleine Cruisen zwischendurch völlig aus.



Kommandozentrale
(Foto: Fromm)

Eine rote Warnlampe stört den Seelenfrieden. Wattnu? Die Lesebrille schaukelt zwar vor der Brust, aber ohne Deformation keine Information. Am Straßenrand dann die Lösung: es war nicht das rote, sondern das orangefarbene Licht. Nicht Warnung, nur Information wurde hier gegeben. Der große Tank muss wohl noch ein paar Geheimnisse bergen, denn wieso ruft dieser riesiger Behälter nach weniger als 200 Kilometern zum Nachfüllen auf? An der Tankstelle dann die Beruhigung, es ist die angemessene Reserve, die recht früh zur Zapfsäule ruft, ins Fass passen insgesamt immerhin 25 Liter Kraftstoff.



Dem Sonnenuntergang entgegen



Ansichtssache
(Foto: Fromm)


Der rote Sonnenuntergang lässt ein paar Schnappschüsse zu, die mich an diesen Boliden erinnern sollen. Die Leichtigkeit des Seins wird nicht besser dargestellt, indem ich frech während der Fahrt mein Selbstportrait und wundervolle Dämmerungsbilder als bleibende Eindrücke mit nach Hause nehme. Die Nacht empfängt Ross und Reiter auf dem Hof. Mit dem Zündschlüssel wird gleichzeitig das Lenkerschloss aktiviert, Details, die durchdacht sind. Die Triumph ist nicht eine Projektstudie "größer, schwerer, breiter, schneller", sie ist ein ausgereiftes Big Bike für den gereiften Motorradfahrer. Das Handling ist nach kurzer Eingewöhnung einfach traumhaft. Wendemanöver oder enge Kurvenradien sind locker anzugehen. Wenngleich die wirkliche Droge auf geschwungen Traumstraßen durch ländliche Idylle freigesetzt wird.



Würde die Triumph Rocket III Classic am liebsten behalten:
Wolfgang Fromm


Wir Biker werden nicht älter, nur weiser. Wenn die Rennsemmel
Gelenkschmerzen und Muskelverspannungen verursacht, der Chopper die durchgeknallte Bandscheibe mit jeder Bodenwelle aktiviert, dann bleibt die Rocket III die letzte Offenbarung. Und wieder ist es eine Triumph, die ich ungern zurückgebe.


Technische Daten
Triumph Rocket III Classic
Modelljahr 2006

Motor:
Flüssigkeitsgekühlter, längs eingebauter DOHC-Reihen Dreizylindermotor; 12 Ventile; Hubraum 2294 ccm, Bohrung x Hub 101,6 x 94,3 mm, Verdichtung 8,7:1;
Leistung 103 KW (140 PS) bei 5.750/min;  max. Drehmoment 200 Nm bei 2.500min; Gemischaufbereitung/Abgasreinigung elektronische Multipoint Kraftstoffeinspritzung,  G-Kat (Euro 3 Norm); Zündung Digital - induktiv über elektronisches Motormangement


Kraftübertragung:
Primärantrieb über
Zahnräder; Mehrscheibenkupplung im Ölbad; Fünfganggetriebe; Sekundärantrieb über Kardanwelle

Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen aus Stahl; Upside-Down-Gabel 43 mm; Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei verchromte Federbeine mit einstellbarer Federvorspannung; Felge vorne Leichtmetall 5-Speichen 17 x 3.50,  Felge hinten Leichtmetall 5-Speichen 
16 x 7.50; Bereifung vorn
150/80R17, Bereifung hinten 240/50R16; Bremse vorne Doppelscheibenbremse, 320 mm,  4-Kolben-Festsattel; Bremse hinten Scheibenbremse, 316 mm, 2-Kolben-Festsattel

Abmessungen:
Länge 2500 mm, Sitzhöhe 740 mm, Radstand 1695 mm, Nachlauf 152 mm, 
Gewicht 320 kg

Preis:
18.750.- € (zzgl Überführung und NK 240.- €)


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