Motorrad-Marken

Triumph Trophy 1200 Modelljahr 1995

"Reisedampfer für Kenner"

Maschinen von Triumph haben Motorradgeschichte geschrieben. Die englische Traditionsmarke war einst weltgrößter Motorradhersteller und Marktführer. Gut 80 Jahre währte die Triumph-Ära, 1983 musste das Werk ebenfalls wie die anderen Nobelmarken auf der Insel die Tore schließen. 1990 schlug der neue Triumph-Chef John Bloor jedoch ein weiteres Firmenkapitel auf. Seit dieser Zeit rollen die "good old British bikes" in frischer Pracht vom Montageband in Hinckley.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Bis Ende der sechziger Jahre standen Motorräder aus England in der Gunst der Fangemeinde an erster Stelle. Tauchte irgendwo eine BSA, Norton, oder Triumph auf, war die Sensation perfekt. Es waren schnelle, starke und sportliche Maschinen mit kernigen Zweizylinder-Viertakt-Motoren. Ihr Sound war unvergleichbar, die Motorvibrationen typisch. Die Bikes hatten 500, 650 oder gar 750 Kubikzentimeter Hubraum, sie trugen so klangvolle Namen wie Lightning, Spitfire, Commando, Fastback, Tiger, Bonneville, Thunderbird oder Trophy. Triumph war vor rund vierzig Jahren Marktführer und weltgrößter Motorradhersteller. Nichts schien danach, dass sich an dieser Situation je etwas ändern würde. In England und bei Triumph glaubte man fest an die Zukunft des Motorrades. Die Fimenbosse vertrauten auf die altbewährte Technik und dem ungebrochenen Kaufrausch der Kunden im Inland, aber vor allen Dingen in den USA, für die Briten das Exportland Nummer Eins. Doch die Zeiten und der Motorradmarkt sollten sich Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre radikal ändern. Plötzlich waren sie da: Motorräder aus Japan. Keiner hatte damit gerechnet. Die englische Motorradindustrie am allerwenigsten. Im Vergleich zu den agilen Maschinen aus dem Nipponland waren die Bikes von der „Grünen Insel" auf einmal technisch veraltet, zu schwer, zu langsam und zu langweilig. Es dauerte nicht lange, und eine Traditionsfirma nach der anderen musste für immer ihre Tore schließen. Lediglich Triumph konnte sich bis Anfang der achtziger Jahre über Wasser halten, dann kam auch für diese, einst so berühmte Marke, das Aus. Doch nicht für immer.

 

John Bloor, superreicher englischer Bauunternehmer, hatte die Firmenrechte aufgekauft und plante große Dinge. Bis es allerdings soweit war, vergingen etliche Jahre. Unter strengster Geheimhaltung ließ er konstruieren, entwickeln, testen und baute für das Vorhaben in Hinckley ein neues Motorradwerk. Bei der IFMA in Köln 1990 platzte dann die Bombe. Mit vollkommen neuen Bikes meldete sich Triumph nachhaltig ins Geschehen zurück. Es waren Dreizylinder-Bikes mit 750 und 900 ccm und Vierzylinder-Maschinen mit 1000 und 1200 Kubik. Das Topmodell war damals die 1200er Trophy, ausgerüstet mit einem wassergekühlten Vierzylinder-DOHC-Triebwerk. Die Fachwelt staunte, die Motorradfahrer applaudierten, John Bloor war der Streich gelungen. Nur die echten Klassikerfans waren enttäuscht. Außer dem Namen hatte die aktuelle Triumphgeneration mit den Charakterbikes von Anno dazumal nichts mehr gemeinsam.


John Bloor




Im neuen Triumphwerk in Hinckley, nur ein Steinwurf von der früheren Produktionsstätte in Meriden entfernt, werden seitdem die Maschinen nach modernsten Erkenntnissen gebaut. Im flüssigkeitsgekühlten Triebwerk der Vierzylinderbaureihe sorgen zwei Ausgleichswellen für seidenweichen Motorlauf, und für kräftigen Durchzug sind vier Ventile pro Zylinder zuständig. Betätigt werden die Ventile über Tassenstößel und zwei obenliegende Nockenwellen. Kontaktlose Zündanlage, Anlasser und Sechsganggetriebe gehören zum Standard. Auch das Zentralrohr-Chassis ist eine Neukonstruktion, der Motor dient als mittragenes Element; Alu-Schwinge mit Zentralfederbein, Gussfelgen, Radialreifen und Scheibenbremsen entsprechen ebenfalls dem Stand der Technik, der jahrelang aus Japan diktiert wurde. Weder leidige Motorvibrationen noch der obligatorische Ölfleck unter dem Triebwerk kennzeichnen die neuen Triumphs. Und so liegt ein Vergleich mit den Bikes aus Nippon recht nahe. Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki bieten bekanntlich großvolumige Vierzylinder-Maschinen, die für flotte Touren bestens geeignet sind. Aber nicht nur die. Auch BMW gehört zu den Konkurrenten der Triumph Trophy 1200.



Trophy 1200 Modelljahr 1995

Vor fünf Jahren, 1990 war sie das Topmodell in der Vierzylinderpalette aus Hinckley. Damals kostete der Sporttourer rund 18.700 Mark. Im Laufe der Jahre wurden gezielte Modellverbesserungen durchgeführt, die Optik der vollverkleideten Maschine aufgewertet, und der Preis stieg auf 21.715 Mark. Neben dem Sporttourer Trophy 1200 steht mittlerweile der Supersportler Daytona 1200 für 23.015 Mark. Begeistert die Daytona die Kurvenwetzer, ist die Trophy genau das Richtige für die Weltenbummler, die gern mal schnell von Hamburg nach Wien oder von Berlin nach Paris düsen wollen. Wir waren, problemlos versteht sich, mit dem Reisedampfer in Ungarn. Sie ist eine Langstreckenmaschine, prädestiniert für zwei Personen, und dank der Vollverkleidung ist Schutz vor Wind und Wetter garantiert.




Der bereits angesprochene Vergleich zu den Sporttourern von Honda, Yamaha, Suzuki, Kawasaki und BMW braucht die Trophy nicht zu scheuen. Ganz im Gegenteil. Eine Herausforderung nimmt sie jederzeit gerne an. Hinsichtlich der Fahrleistungen hält sie mit 225 km/h Spitze locker mit den Konkurrenten mit. Auch das Handling der gut 275 kg schweren Maschine ist erste Sahne, die Bremsleistungen sind hervorragend, die Verarbeitungsqualität entspricht ebenfalls höchstem Standard. 


Leicht kann der Eindruck entstehen, die Engländer haben bei dem Bau ihrer Vierzylinder-Modelle zu lange nach Japan geschaut. Doch sei es, wie es will, wer heute ein modernes Motorrad auf die Räder stellen will, kommt um diese Konzeption nicht herum. Obenliegende Nockenwellen, Mehrventiltechnik, Sechsganggetriebe und wetterschützende Vollverkleidung sind im Sporttourersektor ein Muss. Trotzdem, die Trophy gehört bei weitem nicht zum "Vierzylinder-Einerlei", auch ist sie kein schnöder "Joghurtbecher". Die Optik ist elegant, nicht zu protzig, eine gekonnte Mischung aus Sportlichkeit und Tourentauglichkeit. Das wahre Ich zeigt die Trophy jedoch im Fahrbetrieb. Der bärenstarke 1200er-Motor verleiht dem Bike Charakterqualitäten, die beeindrucken. Bereits im unteren Drehzahlbereich verfügt das Triebwerk über immense Kraft. Engländerfans kennen diese Eigenschaft als "Bums aus dem Keller". Desweiteren überzeugt die Trophy mit granatenmäßigem Durchzug. Eigentlich ist bei diesem Motor das Sechsganggetriebe überflüssig- fünf Gänge würden es auch tun. Ist der große Gang einmal eingelegt, lässt sich in jedem Geschwindigkeitsbereich fahren. Wer zum Schalten keine Lust hat, kann selbst bei Ortsdurchfahrten den sechsten Gang eingelegt lassen. Liegt das Ortsschild hinter einem, wird einfach Gas gegeben, und ab geht die Post. Diese Motorencharakteristik prägt die Fahrweise. Stress und Hektik sind dem Trophy-Fahrer fremd. Er genießt die Reise. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Tour gemütlich über verwinkelte Landstraßen oder im Eilzugtempo über die Autobahn geht. Je nach Fahrweise konsumiert der Motor zwischen 5 bis 8 Liter Kraftstoff auf 100 km aus dem 25 Liter Tank. Theoretisch lassen sich bei gefühlvoller Gashand knapp 500 km Fahrstrecke zurücklegen. Probleme mit dem Sitzfleisch gibt es hierbei nicht, da die Sitzpositionen für Fahrer und Beifahrer ausgesprochen bequem sind. Die Vollverkleidung schützt vor dem lästigen Fahrtwind, und wenn´s mal regnet, ist der Wetterschutz ebenfalls gewährleistet.




Fazit:

Die neue Triumph-Generation ist kaum fünf Jahre auf dem Markt und hat sich bereits voll etabliert. Die Trophy 1200 ist ein ausgereifter und zuverlässiger Sporttourer mit eigenständigem Charakter, der vom bärenstarken 1200er Vierzylinder-Triebwerk geprägt wird.



Technische Daten
Triumph Trophy 1200
Baujahr 1995

 

Motor
Flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor mit zwei Ausgleichswellen, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, Tassenstößel, vier Ventile pro Zylinder, vier Mikuni-Gleichdruckvergaser, Ø 36 mm, E.-Starter

Hubraum
1180 ccm, Bohrung x Hub 76 x 65 mm

Verdichtung
10,6 : 1

Leistung
72 kW (98 PS) bei 8800 U/min

max. Drehmoment
105 Nm bei 5600 U/min

Höchstgeschwindigkeit
225 km/h

Kraftübertragung
Primärantrieb über Zahnräder, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Sechsganggetriebe, Sekundärantrieb über O-Ring-Kette

Fahrwerk
Zentralrohrrahmen aus Stahl, Telegabel, 43 mm Standrohrdurchmesser, Federweg 150 mm; hinten Vierkant-Schwinge aus Alu-Profilen, Mono-Federbeine, Federweg 120 mm, Nachlauf 105 mm, Radstand 1490 mm

Bremsen
vorne gelochte Doppelscheibenbremse, Ø 310 mm,
hinten Scheibenbremse, Ø 255 mm

Räder/Bereifung
vorne und hinten Alu-Guss-Räder, Bereifung vorne 120/70 ZR 17, hinten 170/60 ZR 17

Elektrik
12 Volt kontaktlose Transistorzündung

Sitzhöhe
790 mm

Gewicht
275 kg

Tankinhalt
25 Liter

Preis
21.715 Mark

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