Motorrad-Marken


Yamaha XS650

"Poltergeist aus dem Pianoladen"

Bis Ende der Sechziger war Yamaha für seine sauschnellen
Zweitakt-Motorräder weltbekannt. Die erste Viertakt-Maschine
war 1970 die 650er XS-1. Ein kerniger Schüttelbock, fast so wie
das Vorbild, die englische Triumph Bonneville.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Yamaha

 


Ur-XS
(Foto: Yamaha)


Mit Viertaktern hatte Yamaha, Piano- und Motorradhersteller jahrelang nichts am Hut. Bis zum Herbst 1969. Bei der Motor Show in Tokio präsentierte das Werk die XS-1. Ein 650er Viertakt-Parallel-Twin ganz im englischen Stil. Auch kein Wunder. Als Vorbild diente nämlich die berühmte Triumph Bonneville. Aber nicht nur optisch glich die XS-1 dem legendären Twin von der grünen Insel. Hatte das Triebwerk via Kickstarter - einen Elektrostarter gab es damals noch nicht - seine Arbeit aufgenommen, klang es nicht nur so, sondern vibrierte auch typisch englisch! Lediglich die bekannte Öllache unter dem Motor suchte man vergeblich. In puncto Verarbeitung war die XS-1 im Vergleich zur "Bonni" nämlich um einiges besser. Aber nicht nur das. Auch technisch war das Triebwerk ein Leckerbissen. Der Blockmotor hatte ein horizontal teilbares Gehäuse, rollengelagerte Kurbelwelle, obenliegende Nockenwelle, zwei 30er Mikuni-Unterdruck-Vergaser und Nasssumpf-Schmierung,. Der Primärantrieb zum Fünfganggetriebe erfolgte über Zahnräder und Mehrscheibenkupplung im Ölbad, via Kette gelangte der Kraftfluss zum Hinterrad. Beim Fahrwerk bediente man sich bewährter Teile. Telegabel, stabiles Rahmenhauptrohr mit doppelten Unterzügen, Hinterradschwinge mit zwei Federbeinen, Trommelbremsen, vorne 3.25H19 und hinten 4.00H18 Bereifung rundeten das Bild der neuen Viertakt-Yamaha ab.



Yamahas Vorbild für die XS-1: Triumph Bonneville 


Der Hauptabnehmer für den Donnerbolzen waren zunächst die USA, nur ganz wenige der XS-1 kamen 1970 zu uns. Natürlich in der US-Ausführung, mit "satten" 53 SAE-PS und flotten 180 km/h Spitze. Für die Saison 1971 brachte Yamaha mit der XS-2 eine zweite Auflage des Viertakt-Twins auf den Markt. Diese in einigen Details modifizierte Maschine gab es nun auch bei uns zu kaufen. Herausragende Änderungen waren der Elektrostarter und anstelle der großen Duplex-Trommelbremse im Vorderrad eine Scheibenbremse. Nach der TÜV-Prüfung blieben von den ursprünglichen 53 SAE-PS allerdings nur noch 35,4 PS übrig, gerade soviel um den 230 kg schweren Poltergeist auf kommode 135 Sachen zu bringen. Damit ließ sich bei uns natürlich kein gestandener Motorradfahrer hinter dem Ofen vorlocken. 1971 brachten die Händler gerade mal 153 Twins und im folgenden Jahr 192 XS-2 Bikes unters Volk. Nach diesem Flop nahm der deutsche Yamaha-Importeur das Viertakt-Modell aus dem Angebot. Ersatz für den 650er Twin fanden die Handelsleute in der neuen Yamaha TX750. 



Yamaha XS-2 von 1975


Mit einem geschicktem Schachzug zogen sich die Nippon-Manager zum Thema XS-2 aus der Affäre. Für die Weiterentwicklung ihres ersten Yamaha Viertakt-Bikes engagierten sie den englischen Motorradspezi Percy Tait. Der Viertaktexperte war über 20 Jahre bei Triumph in der Entwicklungs- und Rennabteilung tätig und wusste, worauf es ankam. Nach gezielter Modellpflege ließen sich die XS-2, oder genauer gesagt XS650 B wie ihre Modellbezeichnung 1975 nun lautete, nicht wiedererkennen. Mit 51 PS und tadellosem Fahrverhalten wurde der japanische Charakter-Twin endlich seiner angedachten Aufgabe gerecht. 





Im breitgefächerten Motorradangebot der späten siebziger Jahre hatte die XS650 bald ihren festen Patz gefunden. Biker, denen ein Single zu mickrig, drei Pötte zu unsymmetrisch und vier Zylinder zu stürmisch waren, fanden im resoluten Twin ein uriges Motorrad. Eine Fahrmaschine mit überschaubarer Technik, hoher Zuverlässigkeit und einfachem Handling. Dass dieses Raubein einst als Gegenspieler zur Triumph Bonneville gewertet wurde, daran dachte längst niemand mehr.


Soft-Chopper: Yamaha XS650SE



Prospektbild: Yamaha XS650 von 1982
(Foto: Yamaha)


Im Laufe der Jahre durchlebte die XS650 etliche Modifikationen, blieb ihren Charaktereigenschaften aber immer treu. Jedoch mit einer Ausnahme. Als Anfang der Achtziger die Softchopper-Mode losging, wurde sie ordentlich aufgemotzt. Die XS650 Spezial mit Hochlenker, Tropfentank, Stufensitzbank, Gusslaufrädern und kurzen Auspuffrohren sollte das "Easy-Rider feeling" rüber bringen. Der Hauptdarsteller blieb allerdings die "Ur-XS650", ein kerniger Twin mit tollem Aussehen, Charme und Charakter. Und das sollte bis zum Produktionsschluss Ende 1984 auch so bleiben. Neben der Honda CB 750, Kawasaki Mach III sowie der legendären Z1, Suzukis Wasserbüffel, gehört die Yamaha XS650 heute zweifellos zu den japanischen Klassikern.


Technische Daten
Yamaha XS650B
Baujahr 1975

Fahrtwindgekühlter OHC-Twin, 653 ccm, 51 PS bei 6940/min. Doppelrohrrahmen, vorne Scheibenbremse, hinten Trommelbremse, 230 kg, 180 km/h

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