Portrait


Tuner-Legenden
Münch - Egli - Rickman - Bimota

Asphalt-Brenner


Motor- und Fahrwerkstuner genießen einen mystischen Ruf.
Ehrfurchtsvoll werden sie PS-Zauberer und Rahmen-Gurus genannt.
In den 1970er und 1980er Jahren brummte für
diese Magier das Geschäft auf Hochtouren.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Winni Scheibe, Archiv-Scheibe, Werk



Der Sound ist kernig, der Asphalt bebt und weckt das Interesse. Beim Biker-Treff ist mal wieder mächtig was los. Im Fokus stehen exotische Motorräder. Solche Maschinen sieht man nicht alle Tage, um die "Mobile Tradition" herrscht Hochbetrieb.
In den 1970er und 1980er Jahren waren diese schnellen Asphalt-Brenner für viele Motorradfahrer die Traumbikes schlechthin. Wer allerdings ein Tuner-Bike bewegte, war nicht nur fahrerisch gut drauf, er kannte im Prinzip jede Schraube. Das gehörte neben Power und Speed damals mit zur Herausforderung. Die nächste Vertragswerkstatt, wenn überhaupt, lag oft hinter sieben Bergen. Pflege, Wartung und Reparatur erledigten die Fahrer meist selbst.
Die Pisten-Helden genießen die Aufmerksamkeit, es werden ihnen Löcher in den Bauch gefragt. Bereitwillig geben sie Auskunft und erzählen: „... weißt du, damals ...“. Die Rede ist dann von einer Zeit, als es den jungen Wilden nie schnell genug gehen konnte, die Big Bikes aber kaum mehr als 70 PS hatten, die Fahrwerke wie Lämmerschwänze wackelten und die Bremsanlagen Gottvertrauen abverlangten.





Aus dieser Not entstanden kleine Spezialbetriebe, die die Motorräder gehörig auf Vordermann brachten. Bis Anfang der 1970er Jahre erfolgten die Nachbesserungen meist ganz individuell. Motor- und Fahrwerksbauteile wurden fachmännisch in Handarbeit von anderen Modellen angepasst oder sogar selbst hergestellt. Um zum Beispiel einem Motor zu mehr Hubraum und Leistung zu verhelfen, wussten die Experten ganz genau, welche Zylinder und Kolben von einem anderen Motorrad nach entsprechender Umarbeitung geeignet waren. Dazu wurde der Zylinderkopf bearbeitet, die Kurbelwelle neu gewuchtet, die Kupplung verstärkt, große Vergaser und eine Sportauspuffanlage montiert. Nach dieser Kur hatte der Motor reichlich Schmackes und war in seiner Leistungsentfaltung kaum wieder zu erkennen. Bei der Fahrwerksoptimierung werkelte man nach dem gleichen Schema. Ein hochwertigeres Motorrad lieferte die Gabel und Bremsanlage, eingeschweißte Knotenbleche verstärkten den Rahmen und die Schwinge. Alle Arbeiten basierten auf einem enormen Fachwissen und großem Erfahrungsschatz. War das Tuning sorgfältig aufeinander abgestimmt, bekam der Kunde ein Motorrad mit exzellenten Fahreigenschaften. Zu Edeltunern wurden die Firmen, die in Kleinserie sogar eigene Fahrwerke bauten. 
Mit der Invasion der japanischen Motorräder, allen vorweg die Honda CB750 und Kawasaki Z900 "Z1", entstand Anfang der 1970er Jahre ein professioneller Tuningteile-Markt. Wer sich in dieser Szene zu Hause fühlte, kam um die Namen Yoshimura, Moriwaki, Wiseco, Carrillo, Mikuni, Keihin, Dellorto nicht herum. Dazu kam ein kaum überschaubares Sortiment von Sportauspuffanlagen und allen möglichen weiteren Teilen. Diese Angebote machten das Tuning auf den ersten Blick zwar leichter, aber noch lange nicht einfacher. Nur wenn alle Bauteile optimal aufeinander abgestimmt waren, ließ sich ein gutes Ergebnis erzielen.


Zu den Meistern im Fach als PS-Zauberer und Rahmen-Guru
gehörten Friedel Münch, Fritz Egli, die Rickman Brothers
und Massimo Tamburini von Bimota


Der Mammut-Mann
Friedel Münch



Friedel Münch



Münch-Horex 500er Renn-Imperator


Mitte der 1950er Jahre war der Sprung in die Selbstständigkeit geschafft. Der junge Kfz-Schlosser hatte sich in der Tankstelle seines Vaters in Nieder-Florstadt nördlich von Frankfurt eine kleine Motorrad-Werkstatt eingerichtet. Alles, was die Leute brachten, wurde repariert. Seine Leidenschaft gehörte allerdings Horex aus dem benachbarten Bad Homburg. Als das Werk 1956 seine Tore schloss, kaufte der kaum 30jährige Friedel Münch alle Bestände der 400er Imperator auf. Aus diesem Fundus ließen sich Neufahrzeuge aufbauen. Der begabte Handwerker entwickelte den Twin aber auch weiter. Das OHC-Triebwerk wurde auf 500 ccm aufgebohrt, Ein- und Auslasskanäle überarbeitet und mit einem Weber-Doppelvergaser bestückt. Sein ganzes Know-how steckte der Spezialist in die Rennmotoren. Mit scharfer Nockenwelle, Trockenkupplung und offenen Auspuffrohren brachte es die frisierte 500er Münch-Renn-Imperator auf gut 50 PS. Ständig wurde getüftelt, verbessert und konstruiert. Da es kaum etwas fertig zu kaufen gab, wurden benötigte Teile in der inzwischen gut eingerichteten Werkstatt selbst hergestellt.



Münch-Rennbremse
(Foto: Werk)

Zur großen Herausforderung gestaltete sich die Entwicklung einer leistungsstarken Vorderradbremse. Die „Münch-Rennbremse“ war 1964 eine echte Sensation. Aus Gewichtsgründen ließ der Tüftler die Duplex-Trommelbremse mit
200 mm Durchmesser aus sündhaft teurem Elektronguss gießen. Bis 1968, als die Honda CB750 mit Scheibenbremse kam, war die Münch-Rennbremse auf der Straße und im Rennsport das Maß der Dinge.


 


 

Friedel Münch:
Handwerker, Tüftler, Konstrukteur
und Visionär in Personalunion


Friedel Münch


 

Mitte 1966: Münch Mammut "Prototyp"
(Foto: NSU-Kühlmann)


Der nächste große Streich gelang dem Hessen mit dem Bau seiner "Mammut", ein Big Bike mit Vierzylinder-NSU-Automotor. Zwar wurde die 88 PS starke Münch-4 TTS 1200 in einer Art Kleinserie produziert, doch keine Maschine glich der anderen. Und weil Hubraum und Leistung durch nichts zu ersetzen waren, wurde das Big Bike standesgemäß frisiert. Ein Alu-Zylinderblock erhöhte den Hubraum auf 1300 ccm, eine Einspritzanlage steigerte die Leistung auf 105 PS. Krönung der "Mammut-Evolution" war die Münch-4 TTS-E Turbo. Mit 125 PS und weit über 200 km/h Spitze präsentierte Meister Münch 1976 die Turbo, von der nur sieben Exemplare entstanden, das stärkste und schnellste Motorrad, das es damals auf der Welt zu kaufen gab.



Münch-4 1200 TTS-E Turbo von 1976


Friedel Münch ist längst eine Legende, seine Motorräder technische Kulturgüter. Thomas Petsch, Besitzer des Münch- Racing-Teams setzt die "Tüftler-Tradition" nahtlos fort. Mit dem Münch TTE-2 Elektrobike hat man 2010 und 2011 in der weltweit ausgeschriebenen Elektro-Rennklasse alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Doch das ist eine andere Geschichte.



#49 Matthias Himmelmann auf der E-Münch


Der Perfektionist
Fritz W. Egli

 

Fritz W. Egli Konstrukteur und überzeugter Motorradfahrer
(Fotos: Werk)

 


Fritz Egli auf seiner 1000er Egli-Vincent 1968
(Fotos: Werk)


Die Lehre als Feinmechaniker schloss Fritz Egli in seinem Jahrgang als Bester in der Schweiz ab. Als Lohn für die Leistung durfte er für drei Jahre zu einem Montageaufenthalt auf die Baja-California/USA. Das hierbei verdiente Geld investierte er 1965 in eine Motorradwerkstatt. Das Hauptaugenmerk lag auf der Wartung, Reparatur und Optimierung von Vincent Motorrädern. Bis zur Werksschließung 1955 baute die englische Nobelmarke die stärksten, schnellsten und teuersten Maschinen der Welt. Eglis "Spezial-Werkstatt für Vincent-Motorräde"“ galt schon bald als erste Adresse. Typisch für die damalige Zeit war die schlechte Ersatzteilversorgung. Gibt es nicht oder geht nicht, gab es für den zum Perfektionismus strebenden Mechaniker nicht. Er war Tüftler, Techniker und Konstrukteur in einer Person. Mit seiner auf gut 80 PS getunten 1000er Vincent beteiligte sich der Oberwiler bei den damals in der Schweiz sehr beliebten Bergrennen. Schon bald musste Fritz Egli allerdings erkennen, dass das Vincent-Fahrwerk hilflos überfordert war. Was lag also näher, als selbst ein Chassis zu bauen. Aus der Idee wurde ein Motorradrahmen, der in die Geschichte eingehen sollte. Doch bis es so weit war, wurde der schnelle Eidgenosse 1968 Schweizer Bergmeister. Das sorgte für Werbung, die Egli-Vincent war plötzlich in aller Munde.


1000er Egli-Vincent

Fritz Egli und eine seiner ersten Egli-Honda mit CB750 Motor
(Fotos: Werk)


Als Anfang der 1970er Jahre die Honda CB750 und die Kawasaki Z900 auf den Markt kamen, drehte sich die Welt plötzlich anders. Die neuen japanischen Maschinen hatten zwar perfekte Triebwerke, doch die Fahrwerke steckten noch in den Kinderschuhen. Bereits 1971 stand die erste Egli-Honda auf den Rädern. Es folgte eine wahre Erfolgsgeschichte. Gut 700 Egli-Hondas und rund 600 Egli-Kawasakis kamen auf die Straße. Kompromisslos sportlich, mit einer Optik, als seien die Eglis eben von der Rennstrecke abgebogen.



Egli MDR1


Nach dem Motto "machen, was machbar ist“ tunte Fritz Egli 1979 eine Egli-Kawasaki mit Turbolader auf 180 PS. Mit 297 km/h Spitze verpasste die "MRD1" nur knapp die 300 km/h-Marke. Wer nun glaubt, der Tuner-Guru setzt sich irgendwann mal zur Ruhe, hat sich gründlich getäuscht. Im Sommer 2009, als rüstiger 72 jähriger, stellte Fritz Egli auf dem Bonneville Salzsee in den USA mit 335 km/h einen Geschwindigkeitsweltrekord für Gespanne auf. Ein Ende ist nicht in Sicht.


Asphalt Bastard
Don und Derek Rickman



"The Brothers"
Don und Donald "Don" Rickman
(Foto: Werk)


Not macht erfinderisch. Die besten Bauteile von Triumph, BSA und Norton sollten zu einer Moto Cross Maschine zusammen gefügt werden. Was noch fehlte, haben Don und Gerek Rickman selbst gemacht. Das Konzept ging auf. Mit dem frisierten 500er Triumph-Twin im optimierten BSA-Rahmen mit Norton-Gabel fuhr 1959 und 1960 Don Rickman 50 Siege in Serie ein. Donald "Don" Rickman zählte in diesen Jahren zu den erfolgreichsten Moto Crossern Englands.


 

Offroad-Métisse MkIII Triumph Bonneville 650 Motor von 1968
(Foto: Werk)


Diese Erfolge brachte die cleveren Techniker auf eine Geschäftsidee. Sie konstruierten ein Fahrgestell, in das ihre Kunden nur noch einen Motor der eigenen Wahl einbauen brauchten. Zunächst wollten „The Brothers“ ihren Crosser "Bastard" nennen, doch schnell fand sich das französische Wort "métisse" für den Offroad-Mischling. Die Nachfrage nach den Cross- und Scrambler-Rahmen-Kits war enorm. Zu den prominentesten Kunden zählten die beiden Motorrad verrückten US-Filmstars Clint Eastwood und Steve McQueen.



Street-Métisse mit BSA A75R Rocket3 750er Motor von 1972
(Foto: Archiv-Scheibe)

Ab 1966 erweiterten "The Brothers" das Angebot auch auf Straßenmaschinen. In den vernickelten Doppelrohrrahmen mit Scheibenbremsen, das Chassis diente gleichzeitig als Öltank, ließen sich fast alle englischen Triebwerke einbauen. Ganz vorne stand der 650er Triumph Bonneville Motor. Gemeinsam mit dem genialen Motoren-Konstrukteur Harry Weslake entwickelte man für den Bonneville-Twin einen 700er Tuning-Kit mit Acht-Ventil-Zylinderkopf. Die Leistung kletterte von 47 auf beachtliche 65 PS.
Mitte der 1970er Jahre stellte Rickman die Produktion der Métisse ein. Mit dem neuen CR-Chassis (Competition-Replica) für japanische Vierzylinder-Motoren wollten die Brüder Rickman ihren Erfolg fortsetzen. Leider vergeblich.


"Bella Italia"

Bimota



Massimo Tamburini
(Foto: Werk)



Bimota SB4


Misano in Italien ist eine schnelle Rennstrecke. Als Anfang der 1970er Jahre Massimo Tamburini die Schrottreste seiner Honda CB750 einsammelte, war er sich sicher, keinen Fahrfehler gemacht zu haben. Schuld waren die schlechten Rohre vom japanischen Fahrwerk. Als Heizungs- und Lüftungsbauer kannte er sich schließlich mit Rohren und Motorrädern ganz gut aus. Seine Erkenntnis aus dem Abflug: Der Honda-Motor gehört in ein gutes Fahrwerk. Er schmiedete Pläne, überzeugte seine ebenfalls Motorrad begeisterten Geschäftspartner Valerio Bianchi und Guiseppe Morri. Das Trio gründete 1973 Bimota, BI(-anchi, MO(-rri) und TA(-mburini).



Bimota Factory in Rimini-Italien
(Foto: Werk)


Das erste Meisterwerk wurde die HB1, Honda-Bimota. Schon bei dieser Maschine zeigte Massimo Tamburini exzellente Konstrukteurs- und Designer-Fähigkeiten. Was zunächst nur als „Nebengeschäft“ geplant war, entwickelte sich bald als full time job. Bimota fertigte Rennrahmen-Kits, dazu gab es verbesserte Telegabeln, individuelle Bremsanlagen, Magnesiumfelgen und komplette Maschinen mit getunten Motoren für den Rennsport. Ab 1977 wurde das Angebot mit der SB2 (Suzuki GS750 Motor) und KB1 (Kawasaki Z1000 Motor) auf Serienmotorräder erweitert. Mit Bimota war ein neuer Stern am Motorradhimmel aufgegangen. Die Maschinen aus Rimini hatten ein bestechendes Finish, waren hochwertig verarbeitet, dazu exklusiv und entsprechend teuer.



Super-Sport 1982: Bimota KB2 TT, Kawasaki 550-Motor


Im Laufe der Jahre engagierte sich Bimota weiterhin im Rennsport. Zum größten Erfolg wurde 1980 der 350er WM-Titel mit Jon Ekerold. Anfang der 1990er Jahre stellte Bimota mit der Tesi die Fahrwerkstechnik auf den Kopf. Anstelle einer herkömmlichen Telegabel wurde das Vorderrad über eine Radnabenlenkung gesteuert. Seit rund 20 Jahren gibt es die Tesi, durchgesetzt hat sich das Konzept jedoch nicht. 
Nach den Motoren von Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki vertraut Bimota bei seinen aktuellen Motorrädern auf Triebwerke von Ducati. Apropos Massimo Tamburini, 1983 suchte der kreative Designer neue Aufgaben und wurde Schöpfer der Ducati 916 und MV Agusta F4.


DBH-Motorradtechnik
Münch-4 Motorradbau
Bahnhofstraße 21-23
21337 Lüneburg
Tel.: 04132-850747
www.dbh-motorradtechnik.de

Rickman-Bikes
Herbert Streithoff
Vahrer Straße 54
28309 Bremen
Tel./Fax: 0421 - 455 735
www.rickman-bikes.de

Egli Motorradtechnik AG
Hauptstraße 14/15
CH-5618 Bettwil

Tel.: 041/ 56 667 23 60
www.Egli-Racing.ch

EGLI Racing
M. Niemann
Obere Mühle 28
58644 Iserlohn
Tel.: 02371 25292
Fax: 02371 22310

Bimota Deutschland
c/o GsP Business Relations GmbH
Im Nussgärtel 2
76534 Baden-Baden
Tel.: 0700 77003001
Fax: 0700 77003002
www.bimota.de


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