Praxis


Erste Hilfe in der Hobbywerkstatt

"Idyllisches Gruselkabinett"


Unfälle in der Schrauberbude kommen leider immer wieder vor.
Unachtsamkeit, Gedankenlosigkeit, aber auch purer Leichtsinn sind vielfach
die Verursacher. Das Personal in den Fachbetrieben muss sich an die Vorschriften der Berufsgenossenschaft halten. Hobbybastler sollten sich eine Scheibe davon abschneiden. Wir stöberten im Paragraphendschungel und geben praktische Tipps.

Text & Fotos: Winni Scheibe


Es gibt Tage, an denen will überhaupt nichts klappen. Beim Suchen einer 10er Schraube fällt die Kiste auf den Boden. Man bückt sich und schlägt mit dem Kopf an die Werkbank. Wenig später rutscht beim Festziehen der verflixten Schraube die Hand vom Schlüssel ab. Etwas Blut fließt, zum Glück ist weiter nichts passiert. Fast jedem Hobbyschrauber ist so etwas oder ähnliches schon mal passiert. Bekommt das Malheur jemand mit, muss sich der Unglückselige meist auch noch die dazu passenden Sprüche anhören: "Wo gehobelt wird, fallen Späne", "ungeschicktes Fleisch muss weg" oder "das hätte aber ins Auge gehen können". Diese Bemerkungen sind ironisch gemeint, ihr Spott ist aber kaum überhörbar. Mit etwas mehr Bedacht und Sorgfalt wäre es nämlich nicht passiert.
So lange der Leidtragende aber mit dem "blauen Auge" davonkommt, ist die Sache halb so schlimm. Es kann aber auch ärger ausgehen. Beim Werkeln mit technischer Gerätschaft oder Hantieren mit giftigen Flüssigkeiten oder Stoffen in der Garage oder im Hobbykeller kommen schwere Unfälle, wie es die Praxis leider immer wieder zeigt, trotz aller Vorsicht tagtäglich vor. Verursacht werden diese Unfälle oft durch Unachtsamkeit, manchmal eine Gedankenlosigkeit oder sogar durch puren Leichtsinn.

Die Berufsgenossenschaften sorgen für Ordnung


Für das Personal in den Fachbetrieben gelten die Vorschriften der Berufsgenossenschaften. In einem pfundschweren Wälzer ist neben den Richtlinien zur Unfallverhütung auch die Gestaltung des Arbeitsplatzes haargenau festgelegt. In diesem Paragraphendschungel ist vorgeschrieben: wie die Werkzeug- und Arbeitsmaschinen fachgerecht zu bedienen sind; wo und welche Schutzausrüstung benutzt werden muss und an welche Plätzen Warn- und Hinweisschilder, Notrufnummern, Feuerlöscher und Erste-Hilfe-Sets gehören.

Werkstattinhaber, Meister und Vorgesetzte sind aber nicht nur für das Einhalten der Auflagen verantwortlich, sie tragen für die Mitarbeiter auch die Aufsichtspflicht. Sollte es dennoch zu einer Gesundheitsgefährdung oder gar zu einem Unfall kommen, verhindern oder mindern Schutzkleidung, Schutzschuhe, Schutzhandschuhe, Atemschutz, Augen- und Gesichtsschutz oder Gehörschützer die Verletzungen.


Das Outfit muss stimmen


Bei den Hobbyschraubern und Heimwerkern schaut dagegen keine Berufsgenossenschaft gelegentlich vorbei und überprüft die Räumlichkeiten sowie die Unfallschutzeinrichtungen. In den eigenen vier Wänden ist jeder für sich selbst verantwortlich. Dieser Anspruch ist allerdings sehr dehnbar und reicht im Extremfall bis zum Unverantwortlichen. Nun ist Schrauben aber nicht gleich Schrauben. Und nicht bei jeder Bastelaktion muss man sich sofort von Kopf bis Fuß in einen luft-, säure- und staubdichten Schutzanzug quälen. Womit wir mitten im Thema sind. Unfallschutz macht nämlich nur dann einen Sinn, wenn für die jeweiligen Tätigkeiten die richtige Schutzausrüstung benutzt wird. Wer sich neben dem Zündschlüssel gelegentlich auch mit der Werkzeugkiste seinem Oldtimer nähert, trägt meist einen Arbeitskittel, einen Arbeitsoverall oder eine Latzhose. Eine alte Jeans und ein verwaschenes Sweatshirt müssen vielfach auch herhalten. Auf jeden Fall sollte der Schrauberdress die Beine bis zum festen Schuhwerk abdecken. Das Gleiche gilt für den Oberkörper und die Arme. Nur so lässt sich eine Verletzung vermeiden oder verringern. Auch der ordentliche Zustand der Kleidung ist wichtig. Sie sollte nicht zerrissen sein und eng anliegen. Die Ärmel gehören zugeknöpft, und das Stoffgewebe sollte sauber sein. Ölversiffte oder gar mit Benzin durchtränkte Kleidung ist großer Brandgefahr ausgesetzt. Ein kleiner Funke genügt, und der Akteur verwandelt sich in eine lebendige Fackel.


Man trägt wieder Hut

Bei etlichen Oldtimerfans ist "der Zopf" immer noch nicht ab. Will heißen, frei herabhängende lange Haare haben beim Schrauben nichts zu suchen. Ob hochgesteckt, mit einem Gummiband zusammengebunden oder unter einer Mütze versteckt ist eigentlich egal. Wichtig ist nur, sie baumeln nicht luftig durch die Gegend. Diese Maskierung schützt die Lockenpracht vor unnötiger Verschmutzung und verhindert, dass sich Haarspitzen im Bohrmaschinenfutter, an der Drehmaschine oder sonst wo verheddern. Der Wert eines "skalpierten Mechanikers" sinkt auf dem Kriegspfad erheblich.


Seine Lordschaft trägt Handschuhe


Es soll Leute geben, die sich beim Arbeiten ungern die Hände schmutzig machen. Um dies zu verhindern, gibt es Handschuhe, oder genauer gesagt Arbeits- und Schutzhandschuhe. Beim Hantieren mit scharfkantigen Gegenständen, festhalten heißer Bauteile, beim Umgang mit giftigen Flüssigkeiten, Stoffen, Säuren oder Laugen ist das Tragen von Schutzhandschuhen sogar ein Muss!

Ohne Handschuhe wird dagegen grundsätzlich (!) an Bohr-, Dreh- und Fräsmaschinen mit rotierenden Werkstücken oder Werkzeugen gearbeitet. Hier besteht nämlich die Gefahr, dass der Handschuh erfasst wird und es zu folgenschweren Verletzungen kommt.

 


Die Brille gehört auf die Nase


B
rillenträger sind eitel. Das Design muss topaktuell sein, jedoch ohne "Spekuliergläser" sind viele "blind wie die Natter". Wer ohne Schutzbrille oder Schutzmaske eine Tätigkeit verrichtet, bei denen Augen oder das Gesicht gefährdet sind, handelt äußerst leichtsinnig. Kommt es zu einem Unfall, muss im schlimmsten Fall mit dem Verlust des Augenlichtes gerechnet werden.

Das Tragen einer Schutzbrille oder eines Gesichtsschutzes ist daher bei Arbeiten mit spanabhebenden Maschinen beim Bearbeiten von kurzspanenden Werkstoffen, bei Meißelarbeiten, bei Strahlarbeiten mit körnigen Strahlmitteln, beim Trocken- oder Sauberblasen von Bauteilen mit Druckluft, Ab- und Umschütten giftiger Flüssigkeiten und bei allen Schweißarbeiten unverzichtbar!

 


Es kommt auf den Duft an


Dass Arbeit stinkt, wissen manche nur zu gut. Gase, Dämpfe, Nebel, Stäube und Sauerstoffmangel führen über kurz oder lang zu Gesundheitsschäden. "Smog" am Arbeitsplatz wird leider viel zu oft auf die leichte Schulter genommen. Es wird kurz der Atem angehalten und ab gehts durch den Mief.

In geschlossenen Räumen dürfen ohne Absauganlage weder Verbrennungsmotoren laufen noch Spritzlackierarbeiten durchgeführt werden. Für Strahlarbeiten ist ebenfalls eine Entlüftungsanlage oder für den Mechaniker eine Sauerstoffversorgung erforderlich. Bei Schleifarbeiten (Trockenschliff) oder Polierarbeiten an der Schwabbelscheibe genügt ein Atemschutz, der über den Mund gestülpt wird.


Der Sound muss stimmen


Motortuning ist in. Was dabei jedoch letztlich rauskommt, steht auf einem anderen Blatt. Doch der Prüfstandsversuch muss sein. Bis an die Schmerzgrenze wird das Triebwerk hochgedreht. Der Maschinerie macht es nichts, nur den Ohren tuts weh. Auch das Werkeln mit Schleif-, Trenn- und Fräsmaschinen kann die Gehörwelt mächtig nerven.

Liegt die Lärmbelästigung unter 85dB(A), kann nichts passieren, ab 90dB(A) wirds kritisch, und über 100dB(A) sollte man sich nur noch wenige Minuten dem Krach aussetzen. Nur das Aufsetzen von Gehörschützern vermeidet Folgeschäden!


Der Teufel steckt im Detail


Nun sind mit diesen Beispielen längst nicht alle Tücken, Missgeschicke und Verletzungsgefahren aufgezählt. Ist der Umgang mit mechanischer Gerätschaft meist Routine, wird beim Hantieren mit giftigen Stoffen, Flüssigkeiten und Laugen vielfach bedeutend sorgloser umgegangen. Restlicher Verdünner wird in eine Mineralwasserflasche geschüttet und beim Bremsen entlüften fließt die alte Brühe in eine Cola-Dose. Nicht auszudenken, wenn aus diesem ursprünglichen Trinkgefäß versehentlich ein Schluck genommen wird. Damit so etwas nie passieren kann, dürfen giftige Flüssigkeiten oder Stoffe nur in eigens hierfür bestimmten und deutlich gekennzeichneten Behältern aufbewahrt werden! 
Beim Kauf dieser Flüssigkeiten sind die Geschäfte auf Verlangen verpflichtet, das dazugehörige Datenblatt mit auszuhändigen. Auf diesem Merkblatt ist der genaue Anwendungsbereich, die Gefahrenstoffbezeichnung, Hinweise auf die Gefahr für Mensch und Umwelt, Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln, Verhalten bei Störungen und im Gefahrenfall, Erste Hilfe bei Unfällen und Instandhaltung sowie Entsorgung detailliert aufgeführt. Werden diese Merkblätter aufmerksam gelesen und die Anweisungen beachtet, ist zweifellos ein guter Beitrag zum Unfallschutz geleistet.


Schützen, Bergen und Retten

Alle Vorsichtsmaßnahmen nutzen allerdings wenig, wenns passieren soll, passiert es doch. In diesem Augenblick ist schnelles und richtiges Handeln entscheidend. Die Platzierung des Feuerlöschers und des Verbandskastens müssen bekannt sein. Gibt es ein Telefon, sollte man die Notrufnummern wissen. Fluchtwege, sei es die Tür, um ins Haus zu kommen oder der Zugang zum Garagentor für den Weg nach draußen, dürfen nie verstellt sein.

Ist das Malheur passiert, ist die Erste Hilfe wichtig. Bei Prellungen, zum Beispiel einem Plumps von der Leiter, hilft Kühlen. Hier genügt kaltes Leitungswasser oder ein Eisbeutel. Wird die Schwellung größer und es zeigen sich Blutergüsse, können bei Vernachlässigung der Verletzung Entzündungen entstehen. Auf jeden Fall sollte man den Arzt aufsuchen.

Bei kleinen, offenen Verletzungen muss die Wunde sofort gesäubert werden. Es genügt Leitungswasser. Ist sie gereinigt, wird eine Kompresse aufgelegt und mit Heftpflaster oder einem Verband befestigt. Sind trockene Chemikalien mit im Spiel, werden diese zunächst abgebürstet und danach die Wunde mit einer hautverträglichen Flüssigkeit, zum Beispiel Milch oder Wasser, gesäubert. Ist die Wunde mit Säuren oder Laugen in Berührung gekommen, wird sie auch sofort mit Wasser gespült. Den Weg zum Arzt sollte man sich nicht ersparen. Hierbei ist es wichtig, dass man etwas von der giftigen Substanz mitnimmt, damit der Arzt herausbekommt, um welchen Stoff es sich überhaupt handelt und um den PH-Wert zu bestimmen.

Bei Augenverletzungen ist sofortiges Handeln erforderlich. Ist ein Spritzer giftige Flüssigkeit ins Auge gekommen, muss man es unverzüglich mit Leitungswasser spülen. Ebenso verhält es sich mit Laugenverätzungen. Hier wird sogar ein sehr langes Ausspülen bis zu acht Stunden geraten. Bei pulvrigen Substanzen wird mittlerweile empfohlen, die Partikel soweit möglich trocken zu entfernen und dann gegebenenfalls mit Wasser nachzuspülen. In beiden Fällen etwas von dem Stoff für die Analyse und PH-Wert Bestimmung einpacken und umgehend einen Facharzt aufsuchen.

Sind Holz-, Metall- oder Glassplitter ins Auge geflogen, auf keinen Fall lange am Auge herumpropeln. Man sollte versuchen, das Lid möglichst still zu halten und sich sofort zum Augenarzt bringen lassen!

Werden aus Versehen Säuren, Laugen oder andere giftige Flüssigkeiten getrunken, besteht fast immer größte Lebensgefahr. Man sollte auf keinen Fall versuchen, das Verschluckte wieder zu erbrechen. Das Nachtrinken von verträglichen Flüssigkeiten wird unterschiedlich beurteilt und kann nur der Arzt entscheiden. Verkehrtes Handeln erhöht die Verletzungsgefahr. Sofort den Arzt aufsuchen und die getrunkene Flüssigkeit für ihre Artbestimmung sicherstellen.

Bei Verbrennungen kommt es auf die Größe und den Grad der Verbrennung an. Fürs erste hilft Kühlen mit kaltem Leitungswasser. Diese Maßnahme sollte aber nicht länger als 20 Minuten dauern, ansonsten besteht Unterkühlungsgefahr. Das Auftragen von Öl, Puder oder Salben ist allerdings verboten. Anschließend die Brandwunde keimfrei mit einem Verbandpäckchen oder Brandwundenverbandpäckchen bedecken. Bei über handflächengroßen Verbrennungen oder Verbrühungen immer den Arzt aufsuchen.

Kippt der Akteur nach einem Unfall bewusstlos um, sollte man ihn immer in die stabile Seitenlage bringen. Diese Maßnahme hat jeder, der einen Führerschein gemacht hat, im Erste-Hilfe-Kurs gelernt. Bis der sofort zu Hilfe gerufene Notarzt kommt, wird Atmung und Puls überwacht.

Ist die Atmung normal kräftig, lässt sich im Stress aber kein Puls tasten, ist davon auszugehen, dass ein Minimal-Kreislauf noch besteht, der durch geübte Hände auch zu tasten wäre. Wenn der Atem aussetzt, spitzt sich die ohnehin bedrohliche Situation zu. Sofort muss eine Mund-zu-Mund Beatmung und bei Pulslosigkeit auch eine gleichzeitige Herzmassage erfolgen.

Elektrischer Strom kann zu Verbrennungen, aber auch zu Herzrhythmusstörungen, Herzstillstand, Bewusstlosigkeit, Muskelkrämpfen und sogar zu Knochenbrüchen führen. Erste Maßnahmen am Unfallort sind: Strom abschalten, sich sofort um den Verletzten kümmern und Notarzt rufen. Hat man nur einen "gewischt" bekommen, auch den Arzt aufsuchen.

Verletzungen sind meist schmerzhaft und unangenehm. In Deutschland passieren zwei Drittel aller Unfälle in der Freizeit und im Verkehr. Mit etwas mehr Ruhe, Umsicht und Aufmerksamkeit ließe sich so manches Missgeschick vermeiden.

Quellen:
Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft

Medizinische Beratung: 
Dr. Rudi Alexi


Text-Archiv: Praxis


Home