Praxis


Perfekt biken

"Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen"

Die Motoren brummen, der Asphalt glüht. Schutzengel schieben
Überstunden. Die Motorradsaison hat begonnen! Doch bevor es
losgeht, sollten sich die Biker vorbereiten. Wir sagen wie.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Wolfgang Fromm, Winni Scheibe, Archiv-Scheibe, Archiv-Scholl, Archiv-Rodan, Archiv-Nennewitz



Grundfahrübungen auf dem ADAC-Trainingsgelände Rüthen
(Foto: Wolfgang Fromm)


Motorrad fahren ist eine äußerst dynamische Angelegenheit und mit nichts vergleichbar. Alle Bewegungsabläufe sind längst wie ein Computerprogramm abgespeichert, sie sind in Fleisch und Blut übergegangen. Man beherrscht die Maschine wie im Schlaf. Denkt man jedenfalls. In einer Schrecksituation kann beim Bremsen, Ausweichen oder Lenken das sicher geglaubte Können versagen. Besonders nach der langen Winterpause wollen die Geister zunächst geweckt werden. Um in Schwung zu kommen, empfiehlt sich ein Sicherheitstraining. Man kann aber auch für sich alleine üben. Nicht nur vor Saisonstart, am besten immer mal zwischendurch.


Der Schreck ist der größte Feind des Motorradfahrers

 


In diese Situation kann ausnahmslos jeder kommen.
Nur eine gekonnte Vollbremsung kann vor Schlimmerem bewahren! 
(Foto: Archiv-Scheibe)



Kurven sind das Salz in der Suppe beim Motorradfahren


Bei einer unausweichlichen Notbremsung kann der Akteur mächtig ins Schwitzen kommen. Von optimalem Bremsen ist keine Rede mehr, der lebenswichtige Bremsweg wird verschenkt. Liegt ein verlorener Gegenstand mitten auf der Straße, kann der Schreck ein reflexartiges Ausweichen verhindern, man brettert voll ins Hindernis. Beim Einfahren in eine Kurve hat man sich verschätzt, das Tempo ist zu hoch. Der Mut zum Bremsen oder zu mehr Schräglage fehlt. Um für solche Situationen gerüstet zu sein, gibt es nur ein Mittel: üben, üben und noch einmal üben!


Übung macht den Meister

 


(Foto: Archiv-Scholl)


Dr. Christoph Scholl, erfahrener Rennarzt und Organisator von ADAC-Sportfahrerlehrgängen betont: "Bevor das Bike mit Gimmicks verziert wird, sollte das Geld lieber in Sicherheitstrainings investiert werden. Das gilt quer durch alle Fakultäten. Es ist nämlich noch kein Meister vom Himmel gefallen."



"Moto aktiv"
Gemeinsam mit engagierten Instruktoren entwickelte Matthias Kautzsch
das "Integrative-Motorradtraining"


Zielsetzungen dieser Lehrgänge ist es unter anderem, die gewohnten und unterbewussten Handlungsabläufe der hohen Kunst des Motorradfahrens bei den Übungen "bewusst", "wahrnehmbar" und "spürbar" zu machen.
Das war längst nicht immer so. Als es Anfang der 1980er Jahre mit den Sicherheitstrainings für Motorradfahrer losging, war es eher eine Art von Geschicklichkeitsübung. Da wurden Pylonen umkreist, bergauf das Anfahren geübt und über Wippen balanciert. Vollkommen neue Impulse kamen von dem viel zu früh verstorbenen Sozialpädagogen Matthias Kautzsch. Ende 1987 hatte der bekennende Motorradfahrer aus Marburg "Moto aktiv" gegründet. Ein Verein, der sich wie kein anderer um die Motorradsicherheit bemühte. Gemeinsam mit engagierten Instruktoren wurde das "Integrative-Motorradtraining" entwickelt. Das ausgeklügelte Lehrprogramm war zielgruppenorientiert auf die Bedürfnisse von Beginners über Wiedereinsteiger bis hin zu den Routiniers aufgebaut und in die Kategorien Straßen-Sicherheitstraining, Offroad-Fahrerlehrgang, Gespann-Kurs, Touring-Seminar und Hobbyrennsport unterteilt.



Mit "Moto aktiv" auf der Rennstrecke in Zandvoort/Holland



"Moto aktiv" Offroad Trial-Lehrgang


Für die Grundfahrübungen verständigte man sich zum Beispiel auf einen einheitlichen Programmablauf und gleiche Sprachregelung. Kurse sollten immer mit einer Vorstellungsrunde und dem Abfragen der Erwartungen sowie der persönlichen Einschätzung des Fahrkönnens starten. Das Training wurde in die Übungsabschnitte "locker Sitzen", "langsame Fahrtechnik", "instabile und stabile Fahrweise", "Blickführung", "Fahrbahn lesen", "Schreckbremsung", "dynamische Achslastverteilung", "Lenkimpuls", "Aufstellmoment", "Kurvenfahrtechnik" und "Ideallinie fahren", um hier nur die wichtigsten zu nennen, eingeteilt. Ohne den Leitfaden aus dem Auge zu verlieren, wurden die Teilnehmer mit ihren Erfahrungen und dem Wissen in den Ablauf mit einbezogen. Der Instruktor fungierte dabei als Moderator. Das "Moto aktiv" Konzept hat sich auf breiter Front etabliert und findet sich sogar in den Richtlinien für die Sicherheitstrainings des Deutschen Verkehrssicherheitsrat, DVR, wieder. Den Verein Moto aktiv gibt es leider nicht mehr, er hat sich Ende 2010 aufgelöst.

 

ifz Essen

Inzwischen gibt es pro Motorradsaison quer durch Deutschland weit über 3000 Motorrad-Trainings nach DVR-Qualitätssiegel. Das Angebot reicht von ein- bis mehrtägigen Lehrgängen. Kurse für Einsteiger kosten unter 100 Euro, ein anspruchsvolles Rennstreckentraining ist gut und gerne 1000 Euro teuer“, lässt Dr. Achim Kuschefski, Institutleiter des ifz in Essen, wissen.


Motorrad fahren lernt man nicht aus Büchern

 


Prof. Dr. Bernt Spiegel


Motorrad fahren ist ein hochkomplizierter Vorgang und verlangt eine ausgefeilte Motorik. Zahllose Regelkreise sind ununterbrochen und gleichzeitig zugange, um alle möglichen Parameter zu kontrollieren und zu beeinflussen, ohne dass wir allzu viel davon bemerken. Je ungeübter ein Fahrer ist, desto weniger Regelkreise sind am Werk und desto grober sind sie gestrickt - und manchmal haben sie sogar regelrechte Lücken. Je besser trainiert wir sind, umso feiner sind sie gegliedert und vor allem: umso größer ist ihre Anzahl. Manchmal wundere ich mich selber, dass es überhaupt funktioniert", referiert Prof. Bernt Spiegel. Der Psychologe und Verhaltensforscher weiß als ausgewiesener Motorradexperte, wovon er spricht. Als Autor des Klassikers "Die obere Hälfte des Motorrads" hat er sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, fügt aber gleich hinzu: "Und trotzdem, Motorrad fahren lernt man nicht aus Büchern. Die Routine bekommt man nur durchs Üben. Fürs richtige Training ist allerdings ein entsprechendes, theoretisches Grundwissen Voraussetzung. Nur aus dem Bauch heraus lässt sich mit einem Motorrad zwar gemütlich durch die Landschaft kutschieren. Doch wehe, es kommt eine unverhoffte Situation auf einen zu und man muss blitzschnell reagieren. Diese Handlungsabläufe werden unter Anleitung erfahrener Trainer in den jeweiligen Sicherheitslehrgängen geübt."



Übung für Unterweg:
"Blickführung", dahin gucken, wohin man fahren will!


Dass diese Kurse nur als Anleitung für ein verbessertes Fahrkönnen dienen, dürfte jedem klar sein. Aus diesem Grund hat der schnelle Professor nachgelegt und sein zweites Stammwerk "Motorradtraining alle Tage" mit praktischen Tipps und Tricks verfasst.


Mit bestandener Fahrprüfung erhält man die Lizenz zum Üben

 


Sicherheitsinstruktor Perry Rodan
(Foto: Archiv-Rodan)


Früher, damit meine ich unsere Generation, die in den 1970er und 1980er Jahren auf dem Mofa, Moped oder Kleinkraftrad angefangen hat, wurde mit 18 der Auto- und Motorradführerschein gemacht. Auf den kleinen Flitzern hatten wir bereits eine Menge Fahrpraxis gesammelt. Motorrad fahren war der Aufstieg in eine höhere Klasse. Zwar ging es mit dem Lernen dann erst richtig los, allerdings mit dem Vorteil, dass ein solides Fundament bereits vorhanden war", verrät Trainer Perry Rodan. "Heute hat sich die Situation vollkommen gewandelt. Die Jugend interessiert sich nicht die Bohne fürs Motorrad, meine Kundschaft ist 40 und aufwärts. Ein Teil hat den Motorradführerschein schon seit vielen Jahren, die anderen haben ihn eben erst bestanden. Motorrad fahren ist für sie neben Tennis, Golf oder Skifahren ein weiteres Hobby. Diese Generation ist sich der Notwendigkeit bewusst, ähnlich wie auch bei den anderen Freizeitaktivitäten, dass eine gute Schulung sinnvoll und unverzichtbar ist."



Training bei gemeinsamen Ausflug.
Biken, lernen und dabei noch das Gruppenerlebnis genießen
(Foto: Wolfgang Fromm)


Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Fahrertraining sollte allerdings eine gesunde Selbsteinschätzung über das eigene Fahrkönnen sein sowie die grundsätzliche Bereitschaft etwas dazu lernen zu wollen, um den Fahrstil zu perfektionieren. Dr. Christoph Scholl, ein eifriger Befürworter von Fahrerlehrgängen betont: "Genau wie bei allen anderen Sportarten sollte das Training strukturiert absolviert werden. Man beginnt mit einem Basiskurs, nach rund 5000 Kilometern Fahrpraxis ist ein Perfektionstraining an der Reihe. Nach weiteren 5000 Kilometer Straßenerfahrungen wird ein Sportfahrerlehrgang auf der Rennstrecke absolviert. Es ist die effektivste Art, bewusstes und somit sicheres und umsichtiges Motorradfahren zu erlernen."


Sportfahrerlehrgänge auf Rennstrecken gehören für die Heizer zum Muss

 


Nina Prinz


Die Knieschleiferfraktion will mit Schmackes über die Piste düsen. Das geht natürlich nicht mit der Brechstange, sondern nur mit einem sauberen und schnellen Fahrstil. Ideallinie fahren, spät bremsen, hohe Kurvengeschwindigkeit mit möglichst großer Schräglage und nach der Kurve früh ans Gas gehen, sind die wichtigsten Trainingseinheiten", plaudert Nina Prinz, Instruktorin und als Rennfahrerin schnellste Frau Deutschlands, aus dem Nähkästchen.



Sportfahrerlehrgänge in Zolder/Belgien


Das Fahrertraining gehören längst zum festen Bestandteil der Motorradszene. Der Gegenwert ist beachtlich. Das Selbstvertrauen steigt, die Sicherheit nimmt zu, das Können wird besser. Dazu kommt das Gruppenerlebnis, man lernt Gleichgesinnte kennen, knüpft Freundschaften.


Learning by Doing

 


Bremsübungen auf einem Übungsplatz.
(Foto: Wolfgang Fromm)


Perfekt Motorrad fahren kann jeder für sich üben. Heute, morgen, eigentlich bei jedem Ausflug. Die Fahrübungen "Lenkimpuls" und "Bremsen" sollte man, um einen optimalen Lerneffekt zu erzielen, allerdings auf einem Verkehrsübungsgelände oder leeren Parkplatz trainieren. Auch empfiehlt es sich, die Übungen immer zu zweit zu absolvieren. Hierbei kann man sich gegenseitig beobachten und Tipps geben.



Lenkimpuls "erfahren" in der Kreisbahn
(Foto: Wolfgang Fromm)


Nur mit bewusst eingesetztem Lenkimpuls lässt sich einem auf dem Platz aufgebauten Hindernis ausweichen. Beim "Rechts umfahren" wird rechts am Lenker gedrückt, beim "Links umfahren" wird links am Lenker gedrückt. Diesen Trick braucht man auch beim Kurvenfahren. Um dieses Phänomen "zu erfahren" dreht man mit rund 40 bis 50 km/h auf dem Platz rechts herum einen großen Kreis. Mit der rechten Gashand wird die Geschwindigkeit stabilisiert und gleichzeitig durch sanften Druck auf die rechte Lenkerseite der Kurvenradius bestimmt. Nimmt man den Handdruck vom Lenkerende, richtet sich das Motorrad sofort wieder auf, erhöht man den "Lenkimpuls" auf den rechten Lenkergriff, nimmt die Schräglage zu und man fährt einen kleineren Kreis.


Bremsen ohne ABS

 


Vollbremsung mit blockierendem Hinterrad


Das größte Szenario ist die "Not- oder Schreckbremsung". Hier heißt es: "Voll in die Eisen steigen!". Bei dieser Vollbremsung zählt jeder Meter, im Extremfall geht es um Leben oder Tod. Kritisch ist dabei ein überbremstes Vorderrad. Blitzartig muss die Bremse gelöst werden. Ein nur 0,2 Sekunden blockierendes Vorderrad führt (fast) immer zum Sturz!



... ohne Worte ...


Für das gezielte Bremstraining bilden zwei Dosen ein "Tor", bei allen Übungen aus 50 km/h und 70 km/h, wer sich traut auch aus 100 km/h, wird ab dieser Linie gebremst. Das Augenmerk liegt hierbei auf der Vorderradbremse. Jeder, der ehrlich zu sich ist, wird spätestens jetzt zugeben, welch enormes "Fingerspitzengefühl" für eine optimale Bremsung erforderlich ist. Die hohe Kunst einer effektiven Vollbremsung ist es, das Vorderrad mit einer gefühlvollen, kraftansteigenden Bremsaktion zum "Wimmern" zu bekommen. Die Bremsleistung soll dabei bis kurz vor der Blockiergrenze wirken, die Blockiergrenze darf dabei aber nie überschritten werden.


Lehrsatz für Motorräder ohne ABS.
Blockiert das Rad: "Bremse lösen!"


ABS-Bremstraining



ABS-Bremstraining: "Bremse bis zum Stillstand halten!"
(Foto: Wolfgang Fromm)


Ein Bike mit ABS verlangt nun aber genau das Gegenteil. Bei einer Notbremsung kann oder muss sogar die Bremsanlage kräftig betätigt werden. Klingt einfach, ist aber eine gewaltige Umstellung. Die Bremsungen müssen unbedingt im ABS-Regelbereich trainiert werden, solange, bis dieser neue Programmablauf "Bremse halten" in "Fleisch und Blut" übergegangen ist.


Lehrsatz für ABS-Motorräder.
Bei Vollbremsung: "Bremse halten!"


Üben im Alltag

 


"Blickführung & Fahrbahn lesen"
Sehen und erkennen, was auf der Straße liegt!


Nur wer locker im Sattel sitzt, fühlt sich auch wohl. In der freien Wildbahn kann das Kurvensurfen süchtig machen. Um die Kurventechnik zu perfektionieren, sind "Blickführung" und "Fahrbahn lesen", wesentlicher Bestandteil des Trainings. Anders gesagt, dahin, wohin man guckt, fährt man. Dabei darf das Fahrbahnlesen nicht zu kurz kommen. Der Asphalt kann schmierig, löchrig oder mit Rollsplitt übersät ein.



"Zielfahren", eine Übung für unterwegs


Um die Abläufe Blickführung, Fahrbahn lesen und Lenkimpulsgebung weiter zu perfektionieren wird das Bike beim "Zielfahren" bewusst über die Fahrbahn gelenkt. Befindet sich zum Beispiel mitten auf der Fahrspur ein Kanaldeckel, wird dieser umfahren. Bei Zebrastreifen wird zwischen den weißen Feldern durchgefahren.
Mit der "dynamischen Fahrweise" ist gemeint, dass der Fahrer bewusst Gas gibt, bewusst rauf- und runterschaltet, beschleunigt und verzögert. Bei dieser Übung bekommt man ein Gefühl für die Beschleunigung des Bikes und beim Gaswegnehmen für den Motorbremseffekt. Anders als einfach nur beim Verzögern wird die Bremsanlage hierbei deutlich stärker gefordert. Durch die dynamische Achslastverteilung taucht beim Bremsen die Vorderradgabel ein, dieses Eintauchen gibt dem Fahrer eine klare Rückmeldung über die Stärke der Bremsverzögerung.




Wer alle diese Handlungsabläufe unter einen Hut bekommt, fühlt sich mit dem
Motorrad bald eins. Man fährt vorausschauend und bewusster, die Fahrdynamik
wird flüssiger und der Fahrstil vor allen Dingen auch sicherer.


Zum Schluss noch eine nette Episode. Nach dem Interview mit Prof. Spiegel schauten wir uns seine neue Honda CBR1000RR Fireblade, 178 PS stark und fast 300 km/h schnell, an. Der agile 85-Jährige zeigte auf ein kleines Kästchen links am Lenker: "Das ist mein Fehlerzähler. Wenn ich mal die Ideallinie verbeutele, Bremspunkte falsch gewählt wurden oder ich einen anderen Murks gebaut habe, drücke ich mit dem Daumen aufs Hebelchen und das Zählwerk springt eine Ziffer weiter. Das ist eine gute Selbstkontrolle. Nur wer Fehler erkennt und zugibt, kann sich verbessern. Beim Motorrad fahren lernt man schließlich nie aus."
Darüber sollten wir uns alle im Klaren sein!


"
Recht & Pflicht"



"Kleines Biker 1x1"
Kette spannen
(Foto: Wolfgang Fromm)

und
Reifenluftdruck prüfen


Je nach Lehrgang gehen die Trainer auf die Technik ein. Routine-Checks und Wartungsarbeiten lassen sich in drei Rubriken unterteilen: Dinge, für die jeder selbst verantwortlich ist, Checks, die man selbst durchführen kann oder einem Fachmann anvertraut und Arbeiten, von denen man besser die Finger lässt. Grundsätzlich ist der Biker aber für den verkehrs- und betriebssicheren Zustand des Motorrades verantwortlich. Dazu gehören Bereifung, Luftdruck, Beleuchtungsanlage, Hupe, TÜV und Bremsen. Bei festgestellten Mängeln muss das Bike umgehend in die Werkstatt.
Einiges lässt sich selbst erledigen. Zum Beispiel Kontrolle der Betriebsmittel, Motoröl, Kühlflüssigkeit, Batterie, Pflege und Spannung der Antriebskette. Alle Wartungs-, Inspektions- und Reparaturarbeiten gehören dagegen in die Werkstatt,
Wovon man am besten die Finger lässt, sind alle Änderungen am Fahrzeug, durch die die Verkehrs- und Betriebssicherheit beeinflusst oder sogar gefährdet werden, oder die Betriebserlaubnis erlischt.


Tipps für Einsteiger:
"Familie Schmidt"



Dana und Kirsten Schmidt


Der Bazillus sitzt tief. Vater Dietmar, Mutter Kirsten, Tochter Dana und Sohn Nico fahren Motorrad. Beim 44jährigen Ducati-Fahrer war das schon immer so. Ab letzten Sommer kam für Kirsten, 40, "nur noch mitfahren" nicht mehr in Frage. Doch selbst fahren? Ein Tag bei Honda "Fahren ohne Führerschein" brachte Gewissheit: der Motorradführerschein musste her. "Bei der Suche nach einem Fahrlehrer setzte ich strenge Kriterien. Er musste selbst Motorradfahrer sein, eine für mich geeignete Schulungsmaschine und für die ersten Fahrstunden einen Übungsplatz haben und mir sympathisch sein", lässt Kirsten wissen. Die Ausbildung beim Zweiradexperten Andy Scheele in Bad Arolsen ging in einem Rutsch. Nach 25 Schulungsstunden, dann fühlte sie sich fit für die Prüfung, war's geschafft. Eine gebrauchte 750er Honda steht bereits in der Garage. Dana, 18, ist ihr dicht auf den Fersen, die Autolizenz und die theoretische Motorradprüfung hat sie frisch in der Tasche. Im Frühjahr folgt noch die praktische Motorradausbildung. Und der 16jährige Nico steigt demnächst von seiner 50er Derbi Enduro ebenfalls auf ein richtiges Motorrad.


Standpunkte von Experten

 

Doc-Scholl "Premium" Fahrertraining
"Ernährung und Pausen sind unverzichtbar"



Doc Scholl


Dr. Christoph Scholl, 64, gehört zu den Urgesteinen in der Szene. Als bekennender Motorradfahrer kann der Rennarzt auf einen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz blicken, fast genauso lange engagierte sich der sympathische Chirurg fürs perfekte Motorrad fahren. "Geht es um die Betriebsstoffe für seine Maschine, ist der Biker sehr anspruchsvoll. Für sich selber sollten die gleichen Maßstäbe gelten. Keine Schweinshaxe und keine Cola und keine Energy-Drinks. Für unterwegs empfiehlt sich leichte Kost. Auch kleine Zwischenmahlzeiten schaden nichts. Ein Butterbrot von zu Hause, Obst und immer etwas zu trinken, Mineralwasser oder Apfelsaftschorle. Bei Touren sollte man nicht länger als eineinhalb Stunden im Sattel sitzen, auf der Rennstrecke sind 20 Minuten das Maximum", lauten Doc Scholls Ratschläge.


Instruktorin Nina Prinz: "Ladys First"



Nina Prinz: "Wo bleiben denn die Herrschaften?"


Schnelle Damen auf der Rennstrecke erregen Aufmerksamkeit. Die zweifache "Superstock 1000 European Women´s Champion" 2007 und 2008 Nina Prinz, 28, hat damit kein Problem. Als Instruktorin bei Sportfahrerlehrgängen gibt sie ihr Wissen gern weiter und verrät: "Zwischen Männer und Frauen mache ich in meinen Gruppen keinen Unterschied. Nach meinen Erfahrungen stellen Frauen allerdings unbefangener ihre Fragen, sie haken nach, wollen verständliche Erklärungen haben. Auf der Piste ziehen Frauen stramm am Kabel, fahren harmonisch, elegant und trotzdem schnell. Manche Herren der Schöpfung verfallen hin und wieder ins alte Rollenspiel, fahren aggressiv, lassen die Sau raus, wollen einem Blondzopf zeigen, wo der Hammer hängt. Vielfach endet dieser Übermut als bittere Erfahrung im Kiesbett."


Prof. Dr. Bernt Spiegel: "Die obere Hälfte des Motorrades"



Prof. Dr. Bernt Spiegel


Motorrad fahren hält jung, bestes Beispiel Bernt Spiegel, 85. Seine Honda Fireblade ist das ganze Jahr zugelassen und wenn es im Winter 10 Grad warm wird, dreht der schnelle Professor seine Runden. "Bevor ich losfahre, bereite ich mich mental auf den Ausflug vor. Das beginnt bei der Streckenwahl. Die Straßen durch den Odenwald können tückisch sein. Die Reifenhaftung, der Grip, kann beim Beschleunigen, in Schräglage und beim Bremsen nicht die Performance bieten, wie an einem Sommertag. Im Geiste stelle ich mir alle möglichen Szenarien vor, auch dass andere Verkehrsteilnehmer in dieser Jahreszeit nicht mit Motorradfahrern rechnen. Diese mentale Vorbereitung bewahrt mich vor unerwarteten Schrecksituationen, durch Einstimmen auf eventuelle Vorkommnisse habe ich mich in Bereitschaft versetzt. Die mentale Einstellung sollte sich jeder Motorradfahrer vor dem Start als Pflichtübung angewöhnen", doziert Professor Spiegel.


Offrod-Trainer Klaus Nennewitz: "Über Stock und Stein"



Klaus Nennewitz
(Foto: Archiv- Nennewitz)


Fahrzeugingenieur Klaus Nennewitz, 44, ist leidenschaftlicher Enduro-Fahrer und Offroad-Trainer. "Motorrad fahren ist reine Gefühlssache. Um dieses Gefühl zu perfektionieren sind Offroad-Lehrgänge eine ideale Spielwiese", ist sich Klaus Nennewitz sicher. "Für eine optimale Fahrzeugbeherrschung steht man in den Rasten, dirigiert die Maschine über sieben Punkte des Körpers, Füße, Knieschluss, Hinterteil und Hände durchs Gelände. Dieser Fahrstil, in Verbindung mit wachsamer Blickführung und Fahrbahn lesen, ermöglicht blitzschnelle Fahrspurwechsel und ausweichen von Hindernissen. Offroad-Fahren verlangt enorme Konzentration und Kondition, die Sinne werden geschärft, Reflexe trainiert. Anfänger und untrainierte Fahrer steuern ihre Maschine auf der Straße fast ausschließlich über die Lenkimpulse. Beim dynamisch bewußten Fahren auf der Straße müssen genauso wie im Gelände die 7 Kontaktzonen des Körpers zur Steuerung der Maschine eingesetzt werden. Das Training im Gelände hilft, diese Effekte besser zu verstehen für die Anwendung auf der Straße."


DVR-Instruktor Perry Rodan:
"Mit einem Basistraining sicher ins Bikerleben"



Perry Rodan
(Foto: Archiv-Rodan)


Perry Rodan, 55, engagierter Triumph, Aprilia und Peugeot Motorradhändler aus Limburg, betätigt sich seit über 20 Jahren vom Basislehrer bis hin zum Rennfahrertrainer und weiß: "Nach meinen Beobachtungen nimmt das Interesse quer durch alle Altersgruppen an Grundfahrlehrgängen in den letzten Jahren ständig zu. Das Können der Teilnehmer befindet sich etwas über Fahrschulniveau, es besteht erheblicher Übungsbedarf, besonders beim Ausweichen, Kurvenfahren und Bremsen. Positiver Aspekt dabei, sie kommen um etwas zu lernen. Manche werden zu Wiederholungstätern, pünktlich zu Saisonbeginn trudeln ihre Anmeldungen ein."


DVR-Instruktor Winni Scheibe:
"Duales-Perfektions-Training"



Winni Scheibe
(Foto: Wolfgang Fromm)


Seit 30 Jahren beschäftigt sich Motorradjournalist Winni Scheibe, 59, mit dem Thema Sicherheitstraining. Aus diesen Erfahrungen wurde die Idee für das Duale-Perfektions-Training entwickelt. Seit vier Jahren ist das Konzept exklusiv bei den offiziellen "Honda-Allrounder-Touren" eingebunden. "Die viertägige Veranstaltung beginnt Sonntag mit Grundfahrübungen. Die beiden folgenden, geführten Tourtage unter dem Motto `Biken und Erleben´ führen durch die wunderschönen Landschaften von Nordhessen und dem Sauerland. Die Ausflüge sind jeweils in vier Übungsabschnitte unterteilt, während des Fahrspaßes wird das Training mit erledigt. Am Mittwoch wird zum Abrunden gezielt Lenkimpuls geben und bremsen im ABS-Regelbereich trainiert", erläutert Winni Scheibe das Konzept.


Adressen


ADAC e.V.
Motorrad-Training
Am Westpark 8 
81373 München 
www.ADAC.de

BMW AG
BMW Motorrad Riding Experience.
Petuelring 130
80809 München
www.BMW-Motorrad.de

Ducati Motor Deutschland GmbH
Ducati 4U Fahrertraining
Emil-Hoffmann-Str. 55
50996 Köln
www.Ducati.de


Harley-Davidson GmbH
Motorrad-Fahrertraining
Starkenburgstr. 12
D-64546 Mörfelden

www.Harley-Davidson.com

Honda Deutschland GmbH
Motorrad, Touren & Events
Sprendlinger Landstraße 166
63069 Offenbach
www.Honda.de

ifz
Institut für Zweiradsicherheit e.V.
Broschüre „Fahrerlehrgänge“
Gladbecker Straße 425
45329 Essen
www.ifz.de


KTM-Sportmotorcycle AG
KTM Events&Travel
Stallhofnerstrasse 3
A-5230 Mattighofen 
www.KTM.at


Doc-Scholl Fahrertraining
Bahnhofstr. 7
06420 Könnern
www.Doc-Scholl.de


Suzuki International Europe GmbH
Suzuki-Fahrertraining
Suzuki-Allee 7
64625 Bensheim
www.Suzuki.de 


Prof. Dr. Bernt Spiegel:
"Die obere Hälfte des Motorrads"
Motorbuch Verlag
ISBN: 978-3-613-03064-0
24,95 Euro

Prof. Dr. Bernt Spiegel:
"Motorradtraining alle Tage"
Motorbuch Verlag
ISBN: 978-3-613-03113-5
14,95 Euro






 


Ein Bericht aus dem Frühjahr 2011


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