Szenen-News
August 2011
Quelle: Honda |
Interview mit WM-Spitzenreiter und Honda-Pilot Stefan Bradl
„Unbeschreiblich schön“
Im internationalen Motorrad-Rennsport ist Stefan Bradl zweifelsohne die
Überraschung des Jahres. Der 21-jährige Bayer aus der
570-Seelen-Ortschaft
Zahling hat mit der Kalex-Honda des Viessmann-Kiefer-Racing-Teams in der
Moto2-Klasse bereits vier Siege erkämpft, dazu je zwei zweite und dritte
Plätze.
Nach 10 von insgesamt 17 WM-Läufen rangiert er in der Moto2-Kategorie
als WM-Leader – mit 43 Punkten Vorsprung.
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Der Führende in der Moto2-WM: #65 Stefan
Bradl
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Wir haben den Sohn von Helmut Bradl (er war 1991
auf einer Honda 250 Vizeweltmeister) nach dem Brünn-GP zu Hause besucht
und einige Fragen gestellt: zur sportlichen Karriere, zur Zukunft wie
auch zum Motorradfahren auf der Straße.
Springen wir gleich in die aktuelle Saison. Nach all den Siegen am
laufenden Band und dem Riesen-Vorsprung: Kneifst Dich manchmal und
denkst, hey, ich bin ein Glückspilz?
Stefan Bradl: „Ich sehe es eher so, dass ich ein paar Rennen lang nicht
gewonnen habe. Das würde ich gerne wieder ändern. Natürlich hat mich der
Erfolg überwältigt. Ich bin überglücklich über den Saisonverlauf bisher,
die Siege, die Podestplätze. Noch mehr stellt mich aber die Art und
Weise zufrieden, wie stark ich momentan fahre, in jedem Zeittraining,
und auch dass ich sehr wenige Fehler mache. Das ist schon etwas
Besonderes.“
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Der 21jährige fährt auf der Straße
eine Fireblade |
Dein möglicher Aufstieg in die Königsklasse ist immer wieder ein
Thema. Wie ist der Stand der Dinge für die Saison 2012?
Stefan Bradl: „Fix ist, dass es nächstes Jahr mit Honda in die
MotoGP-Klasse geht. Wir warten aber noch auf die finale Bestätigung. Ein
großer Teil der Finanzierung ist gesichert, aber es fehlen noch etwa 20
Prozent des Budgets. Wir sind jedoch optimistisch, dass es klappt. Das
Team hofft, dass bis Ende August die notwendigen Zusagen vorliegen, denn
bis dahin sollte dann auch das Motorrad für kommendes Jahr, eine neue
1000er V4, die RC213V, geordert werden.“
In der Moto2-Klasse wird mit 600er Honda-Einheitsmotoren gefahren.
Du fährst mit einem deutschen Kalex-Chassis, das Dir offenbar sehr
taugt. Kannst Du die Nuancen erklären, die ein gutes Chassis ausmachen?
Stefan Bradl: „Mein Gesamtpaket ist sicher sehr gut, die Kalex-Betreuung
klappt ganz hervorragend. In der Moto2 sind die Bikes aller
Fahrwerkshersteller recht ähnlich. Ich denke, ich habe mich gesteigert
und auch das Team agiert professioneller. Wir sind alle zusammen besser
geworden, das wurde bereits ab den Testfahrten im Frühjahr deutlich.“
Welche Zutaten sind notwendig, um im Motorrad-Rennsport
erfolgreich zu sein?
Stefan Bradl: „Fahrerisches Talent ist wichtig, konkurrenzfähiges
Material und ein gutes Team. Ebenso gute Beratung auf dem Weg nach oben.
Man sollte Ehrgeiz mitbringen, Durchsetzungsvermögen auf der Strecke
beweisen und bereit sein, sein Leben am Rennsport auszurichten.“
Stichwort Konditions- und Fitnesstraining – wie sieht das bei Dir
aus?
Stefan Bradl: „Ich habe einen eigenen Konditionstrainer, trainiere
täglich eineinhalb bis zwei Stunden. Kraft und Ausdauertraining, dazu
spezielle Übungen mit Medizinbällen etwa, um das Gleichgewicht zu
trainieren. Ohne die entsprechende Fitness ist es undenkbar, ein
GP-Rennen durchzustehen. Nur dann kann man in der letzten Runde so
schnell fahren wie in der ersten, vorausgesetzt natürlich die Reifen und
die Technik lassen es zu. Zuletzt in Brünn z.B. war meine letzte Runde
meine allerschnellste.“
Du hast 2003 mit Honda im ”Red Bull Rookies to MotoGP Cup“
angefangen, dessen Ziel es war, ein deutschen Fahrer auf den Weg zu
bringen, idealerweise bis an die GP-Weltspitze. Du bist der Einzige, der
es so weit geschafft hat und aus einer Reihe vielversprechender Talente
übrig blieb.
Stefan Bradl: „Das stimmt, darüber habe ich auch schon oft nachgedacht.
Die Förderung danach ist aber auch ein wichtiger Punkt. Ich hatte das
Glück, dass mein Vater mich damals in einem Top-Team untergebracht hat,
ein Jahr darauf gewann ich den 125er Titel in der Deutschen
Meisterschaft. Danach ging es weiter, wenn auch mit einigen Hindernissen
und Umwegen. Sich in der WM durchzukämpfen, ist ein hartes Brot. Die
treibende Kraft der Rookie-Idee – Norbert Köpcke, er ist inzwischen im
Ruhestand – war zuletzt am Sachsenring-GP als Gast bei unserem Team. Ich
denke, es hat ihm Freude bereitet, zu sehen, dass seine Talentförderung
am Ende bei mir so funktioniert hat.“
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Vorbild: Stefan mit seinem Vater Helmut
Bradl
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Welchen Anteil hat Dein Vater als ehemaliger GP-Fahrer an Deiner
Karriere?
Stefan Bradl: „Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Seine
Erfahrung und sein Kontakte waren nicht nur wertvoll, sondern haben mich
auch vor Fehlern und Fehlentscheidungen bewahrt. Welche Maschine, in
welcher Klasse, die Gespräche mit wichtigen Personen und Sponsoren –
alles muss richtig entschieden werden. Ich war 13 Jahre alt, als ich
angefangen habe. Wie hätte das sonst klappen sollen? Er steht mir bis
heute zur Seite. Nur Gas geben muss ich ganz alleine.“
Ende 2006, Anfang 2007 war eine schwierige Karrierephase,
zwischenzeitlich war sogar von Rücktritt die Rede. Warum?
Stefan Bradl: „2006 war mein erstes GP-Jahr. Ich musste viel lernen,
dann kam eine Beinverletzung dazu, weil ein anderer Fahrer mich bei
einem Startversuch am Ende eines Trainings von hinten torpediert hatte.
Es bestand zwar ein Vierjahresvertrag mit dem Team, aber der wurde am
Jahresende aufgelöst, weil ich nicht unter den Top-15 rangierte.
Darauf haben sich einige Leute bei Honda dafür eingesetzt, dass ich 2007
im Nachwuchs-Team des Talentförderers Alberto Puig starten durfte. Dafür
gab es im Frühjahr einen mehrwöchigen Lehrgang in Barcelona. Nur taugte
der Trainingsplan mehr für die Armee, war extrem hart und streng. Ich
hatte jedenfalls null Spaß, habe mich auch bei den ersten Testfahrten
überhaupt nicht wohl gefühlt. Dazu gab es praktisch eine Kontaktsperre
zu den Eltern.
Diese Umstände haben mir extrem missfallen. Ich dachte: Wenn das der Weg
ist, Rennfahrer zu werden, vielen Dank, dann ohne mich. Also habe ich
mich entschlossen, nach Hause zu fahren und aufzuhören. Natürlich
hagelte es danach Kritik von außen, mein Vater stand zu mir, wie immer.
Aber es gab auch Leute, einen verständnisvollen Teamchef in Spanien, und
einen großzügigen Sponsor aus Österreich, die meine Entscheidung als
17-jähriger couragiert fanden, sich bei uns meldeten und mir halfen,
2007 doch weiter Rennen zu fahren. Zum Glück.“
Danach ging es 2008 beim deutschen Kiefer-Team weiter?
Stefan Bradl: „Ja, die Brüder Jochen und Stefan Kiefer waren zuvor in
der 250er Klasse und sind mit mir dann in der 125er Klasse
durchgestartet. Die Energy Drink-Marke Grizzly blieb als Sponsor dabei,
also konnten wir 125er Werksmaterial einsetzen, damit gelang der erste
GP-Sieg. 2009 kam bereits Viessmann, eine erfolgreiche Firma für
Heizungstechnik, an Bord, die dann später auch den Aufstieg in die
Moto2-Klasse finanzierte und uns bis heute begleitet.“
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Auf langen Strecken fährt Stefan Bradl einen
Honda Accord 2.2 iCTDi Diesel
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Viele Rennfahrer fahren nicht auf der Straße Motorrad. Du schon?
Stefan Bradl: „Wenn ich Zeit habe, gerne. Am liebsten schöne Touren,
meistens mit dem Papa, oder dessen Brüdern Max und Edwin, im Allgäu oder
durch den Kraichgau. Jeder besitzt eine Honda VFR1200F, eine weiße, eine
rote und eine silberne. Die von Max ist eine VFR mit
DCT-Doppelkupplungsgetriebe, die automatisch die Gänge einlegt oder über
Schaltwippen am Lenker geschaltet werden kann. Ich steuere eine Honda
Fireblade mit ABS, seit Anfang des Jahres sind 2.000 Kilometer zusammen
gekommen.
Für kurze Distanzen, etwa zum Fitnesstraining, greife ich am oft zum
Roller, einem Honda SH300i. Auf langen Strecken fahre ich lieber Auto,
einen Honda Accord 2.2 iCTDi Diesel und höre dabei genüsslich Radio.
Ich bin auch mit dabei, wenn Sponsor Viessmann Kunden und Händler zu
organisierten Ausfahrten einlädt. Einmal waren wir in den Schweizer
Alpen, vier Tage lang Pässe fahren, das hat enorm viel Spaß bereitet.
Der Firmenchef, Dr. Martin Viessmann, ist ein großer
Motorrad-Enthusiast, er besitzt selbst mehrere Maschinen und ist auch
oft an der Rennstrecke mit dabei.“
Was ist das Tolle am Profi-Rennfahrer-Dasein?
Stefan Bradl: „Ich suche den Erfolg, möchte mich permanent verbessern
und noch schneller fahren. Es ist etwas Besonderes, wenn man seinen
Sport zum Beruf machen und damit Geld verdienen kann. In Deutschland gab
schon länger keinen GP-Spitzenfahrer mehr; dass die Aufmerksamkeit mehr
und mehr wird, merke ich natürlich schon.“
Wie fühlt sich ein GP-Sieg an?
Stefan Bradl: „Großartig. Man wird immer routinierter und kann es dann
noch mehr genießen. Es ist ein unglaubliches Gefühl, die anderen zu
besiegen und der Beste zu sein, eigentlich unbeschreiblich schön.“
Gibt es auch eine Kehrseite der Medaille?
Stefan Bradl: „Die Erwartungshaltung wächst natürlich. Auch nach dem
Brünn-GP gab es Fragen: Du hast doch schon einen kleinen Vorsprung
gehabt? Warum hast Du nicht gewonnen? Manche sind mit Platz 2 oder 3
schon nicht mehr so zufrieden. Damit muss man umgehen.
Im Moment führe ich in der WM-Tabelle. Trotzdem fühle ich mich nicht als
Platzfahrer, der auf Rang 5 oder 6 ins Ziel kommen will, nur damit der
Punktevorsprung erhalten bleibt. Ich fahre Rennen, um zu gewinnen und
entscheide aus der jeweiligen Situation, ob es besser ist voll
anzugreifen oder maximale Punkte mitzunehmen, bevor ich mit zuviel
Risiko alles verliere.“
Wie reagiert die Öffentlichkeit in Zahling und Umgebung?
Stefan Bradl: „Man wird mehr und mehr erkannt. Die Leute in der Umgebung
drücken mir jetzt mehr die Daumen und fiebern mit. Auch ein Fanclub ist
jetzt gegründet worden, schon mit dreistelligen Mitgliedszahlen.“
Bitte zum Schluss noch einen Tipp für Motorrad-Straßenfahrer?
Stefan Bradl: „Zwischen Straße und Rennstrecke ist ein riesiger
Unterschied. Im Straßenverkehr gilt es immer gewisse Reserve einhalten,
möglichst vorausschauend fahren. Wenn man das Motorrad gut im Griff hat,
ist es einfacher, auf andere zu achten. Mein Vater, der schon seit jeher
auch auf der Straße Motorrad fährt, hat mir eingetrichtert: Immer
aufpassen und mit den Fehlern der anderen rechnen.“
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