Sport


24-Stunden-Roller und 125er Rennen 2003 auf dem Harz-Ring

"Harzer-Roller"

Ein 24-Stunden-Rennen kann verdammt lang sein.
Genau gesagt 86.476 Sekunden oder 1287 Runden.
So lange brauchte nämlich das Team 99 "Rollerpoint FFM" bis
zu seinem Sieg. Aber auch die anderen Teams hatten ihren Spaß.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Bingo, die Wette gilt:
Oldie-Team # 91 gegen Youngster-Team # 22


Die Szene war Hollywood-reif. Fotokameras klickten, sogar eine Videokamera surrte. Wie echte Profis hatten sich Team 91 und Team 22 fürs Gruppenbild in Pose geschmissen. Der Auftritt machte allerdings auch Sinn. Die Racer starteten beim "5. Internationalen 24-Stunden-Rennen für Roller und 125er Leichtkrafträder" in der Klasse "LK4" (Leichtkraftrad-Viertakt) auf dem Harz-Ring. Und weil ihnen nichts Besseres eingefallen war als gegen die Zeit und alle anderen Teilnehmer um die Wette zu fahren, wollten sie auch noch untereinander ein Match ausfighten. "Alte Füchse gegen junge Heißsporne", verriet Frank, Teamchef von der Altherren-Liga mit der Startnummer 91, und konnte sich dabei ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen.


Startnummer 91: "Berliner Alt-Herren-Profi-Team"


Auch kein Wunder. Waren doch er und seine Berliner Hobby-Rennkollegen Heinz, Uwe, Martin, John, Hans-Joachim, Achim und Sascha ausgefuchste Biker. Ihnen konnte so leicht keiner etwas vormachen. "Das Gas ist rechts und gebremst wird grundsätzlich auf der letzten Rille", so ihre Rennstrategie. Und mit einem 125er MZ-Mopedle einen ganzen Tag lang im Kreis rumfahren, was is´ da schon bei.



Startnummer 22: "MZ Youngster Team"


Ganz anders das "MZ Youngster Team" mit der Startnummer 22. Für Florian, 11, Jan, 13, Johannes, 14, und Tobias, mit 17 Jahren der "Oldie" im Team, war die Teilnahme am 24-Stunden-Marathon eine gewaltige Herausforderung und der Sieg das erklärte Ziel. Da jedes Team aber bis zu acht Fahrer einsetzen durfte, erhielten die vier MZ-Youngster Unterstützung von ihren Vätern. "Den Großteil des Rennens sollen selbstverständlich die Jungs fahren, doch von nachts 12 bis morgens 6 werden wir am Quirl drehen", ließ Jans Dad Thomas fürsorglich wissen.


32 Teams hatten genannt, 31 sich zum Rennen qualifiziert


Die knapp 20 PS starke Renn-Monkey war "Hecht im Karpfenteich"


Im Training ging´s um die Wurst und einen guten Startplatz



Promi-Teilnehmer:
Comic-Star Holger Aue und Vollgasexperte Perry Rodan

Soweit, so gut. Bereits im Training ging's heiß her. 32 Teams hatten genannt, 31 sich zum Rennen qualifiziert. Mit was da über die Piste gepfiffen wurde, war beachtenswert. Es waren frisierte Roller, sauschnelle 125er, die bei jeder Polizeikontrolle zu einer mehrjährigen Haftstrafe geführt hätten, ein interessanter Eigenbau mit Simson-Motor und sogar eine "bis-zum-geht-nicht-mehr" getunte Honda Monkey mischten das Feld ordentlich auf.

Die technischen Bestimmungen sind für alle gleich. Basis muss ein Roller oder ein Leichtkraftrad sein. Was die jeweiligen Team- Ingenieure daraus machen, bleibt ihrem Geschick und der Phantasie überlassen", beschrieb Wolfgang Tiebe, Cheforganisator und Besitzer des Harz-Ringes, das Reglement. Wie bei echten Rennen, gemeint sind IDM-Läufe und die Straßen-WM, wurden an die lustigen Flitzer für die exakte Zeitmessung Transponder montiert. Mit dieser hochmodernen Funkelektronik lassen sich die gefahrenen Runden und die Rundenzeiten bis zu drei Stellen hinter dem Komma computermässig erfassen.



Wolfgang Tiebe:
Cheforganisator und 
Besitzer des Harz-Rings


Pokale bis zum Abwinken

Bereits im Pflichttraining zeigte sich, woher der Wind wehen wird. Unsere Kids mit ihrer MZ 125 SM hatten die 9. schnellste Zeit auf den Asphalt gelegt, das Berliner-Team mit dem fast exakt gleichen MZ-Bike stand auf dem 30. Startplatz. "24 Stunden sind ewig lang, was zählt und worauf es letztendlich ankommt, ist Erfahrung und Strategie", gab sich Teamchef Frank weiterhin selbstbewusst.


Le-Mans-Start für 31 Teams


... gleich gehts los...


Das Youngster-Team (# 22) stand nach dem Training auf Startplatz 9.
und kam auch gut weg...


...die Altherren-Liga (# 91) hatte sich den 30. Startplatz erobert 
und fuhr zunächst im Mittelfeld mit...


Pünktlich Samstagmittag um 14.00 Uhr erfolgte der Le-Mans-Start. Hierbei sprinteten die Fahrer über die Strecke zu ihren Bikes, die jeweils von einem Helfer gehalten wurden, starteten das Triebwerk und ab ging die Post. Ein Spektakel, das unter die Haut ging und das man einfach mal miterlebt haben muss.



Harzring, wie er leibt und lebt:
1096 m lang, acht Rechts- und fünf Linkskurven


Der Nudeltopf liegt in einem kleinen Tal, von den Hängen aus ließ sich das Schauspiel gut überblicken. Normalerweise düsen über den 1096 Meter langen Harz-Ring, gespickt mit acht Rechts- und fünf Linkskurven, Go-Karts. Mit ein paar Lampen ließ sich der gesamte Kurs ausleuchten, eine ideale Strecke fürs lizenzfreie 24-Stunden-Moped-Rennen.
Schon nach kurzer Zeit hatten sich die 31 Fahrer weiträumig über die Strecke verteilt, immer wieder bildeten sich einzelne Grüppchen, um jeden Platz wurde gefeilscht. Bei einigen Vollgaspiloten entstand allerdings der Eindruck, es handele sich nicht um einen Langstreckenlauf, sondern um ein Sprintrennen. Sie gaben Gas, als gäbe es keinen anderen Morgen. Nach zehn Runden, gerade mal zehn Minuten nach dem Start, wurde bereits das "Schlusslicht" zum ersten Mal überrundet. Die Topleute legten mit etwa 1:02 Minute die schnellsten Rundenzeiten auf den Asphalt, Nachzügler schafften es gerade mal in 1:10 Minute. Auf 24 Stunden hochgerechnet sind diese 8 Sekunden Zeitdifferenz Welten.


"Harzer-Roller" 


Es wurde aber nicht nur um jeden Platz unbarmherzig gekämpft, in den Boxen spielten sich erste dramatische Szenen ab. Ganz gleich ob angebrochener Auspuff, losvibrierte Zündspule, verlorene Fußraste oder demoliertes Bike nach einem Abflug, es wurde geschraubt, geschweißt und gehämmert, was das Zeugs hielt, jede Minute zählte. Besonders beim Fahrerwechsel mit nachtanken. Einige waren wie echte Werksteams mit Schnelltankanlagen ausgestattet. Nach kaum mehr als 10 Sekunden war der Spuk erledigt. Die weniger professionellen vertrauten auf einfache Blechkanister, beim Nachtanken konnte der Fahrer so gemütlich eine Zigarette rauchen. Kondition war aber nicht nur auf der Strecke, sondern auch in der Boxengasse gefordert. Damit es hier nicht zum kompletten Chaos kam, mussten die Racer von Anfang bis Ende ihre Rennerles schieben.



Boxen-Stopp zum Nachtanken


Am Ende der Boxengasse saß die "Team-Zeitnahme"


Hat Spaß gemacht:
Monkey-Racing-Team von Mike Lösche aus Kassel gegen 20.45 Uhr.
Knapp sieben Stunden hatten die Bonsai-Piloten ihren Spaß. Hatten Rollern und LKRs gezeigt, wo der Hammer (der Monkey) hängt, dann hat der frisierte Motor schlapp gemacht...


Unsere beiden Teams hatten sich gut eingeschossen. Die Youngster kurvten im Vorderfeld herum, die Berliner Helden lag auf sicherem 23. Rang. Die Zeit verflog, längst brutzelten die Bratwürstchen auf dem Grill, etliche Kästen Bier waren geleert, in einigen Boxen dudelte Rock-Musik, in einer anderen luden die Mechaniker den heißgemachten Roller auf den Motorradhänger. Zu viel des Guten, der Motor war geplatzt, aus und vorbei, bis zum nächsten Mal. Kein Grund für schlechte Laune.


Motorwechsel in 45 Minuten

Inzwischen war es kurz nach 23 Uhr. Team 91 hatte sich auf Rang 20. vorgearbeitet, auf Platz 19. lagen die Youngster. Was war passiert? Teamchef Thomas sichtlich erschöpft, aber dennoch zufrieden: "Der Motor war verreckt. In weniger als 45 Minuten haben wir in beispielloser Teamarbeit das Triebwerk gewechselt. Jetzt wird zur gnadenlosen Aufholjagd angesetzt." Wenig später kam die nächste Hiobsbotschaft. Martin, früher mal ein erfahrener Langstreckentrennfahrer, hatte der kleinen 125er MZ alles abverlangt. Zwar hatte er in den letzten Runden seine persönliche Bestzeit um gut 2 Sekunden verbessert, doch dann kam gegen 23.35 Uhr auch fürs Team 91 das Aus: kapitaler Motorschaden. "Keine Chance. Aber auch selbst wenn wir wie unsere Kollegen einen Ersatzmotor dabei hätten, ohne das nötige Werkzeug und das technische Know-how müssten wir so oder so aufgeben. Außerdem haben wir mit so etwas einfach nicht gerechnet. Wir wollten fahren, nachtanken, vielleicht mal die Kette spannen und unseren Spaß haben. Aber der 20. Platz um 23.30 Uhr mitten in der Nacht noch vor Halbzeit ist ja auch nicht schlecht. Wenn wir so weiter gefahren wären, hätte es bestimmt unter die Top-Ten gereicht", bilanzierte Frank. Heinz hatte längst das Bier kaltgestellt, für das Team 91 wurde es trotzdem eine lange Nacht.



Ein 24-h-Rennen ist lang - besonders in der Nacht!

Zum Glück ist es aber nach 86.476 Sekunden vorbei...


Bei den Youngstern liefs dafür wie geschmiert. Keine Panne, kein Sturz, nur tanken und Fahrerwechsel und zum Schluss der 15. Platz. Gewonnen hatte das Rollerpoint FFM-Team "99", nach 1287 Runden, und das in "nur" 86.476 Sekunden.



Team # 99: Gewonnen!



... und auch das Youngster-Team kann feiern


Adresse:
Harz-Ring Reinstedt
Wolfgang Tiebe
Froser Str. 1a
06463 Reinstedt
Tel.: 03 47 41 - 7 35 55
Fax: 03 47 41 - 7 35 83
www.harz-ring.de


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