Sport
|
8-Stunden-Langstreckenrennen 1978 auf dem Nürburgring
"Kein Eifelmärchen"
Damals - oder wie in acht Stunden 45 Runden auf der
Nordschleife
zusammenkamen. Früher, das war für den rennangefressenen
Franz Josef "FJS" Schermer Yamaha TZ250, TZ350, TZ750, Suzuki
RG500 und
Eckert-Honda RCB. Aber auch
gemeinsam mit Peter Hartenstein
und Chefmechnaiker Winni Scheibe
die "8-Stunden-Nürburgring" 1978.
Text&Fotos: Winni Scheibe |

Erinnerungen an den Nürburgring-Test1973.
Franz Josef Schermer scheucht die Kawasaki Z900 "Z1" über die
Nordschleife |
Es gab mal eine Zeit, da waren wir junge
Motorradexperten der festen Überzeugung, die Japaner hätten keinen Sinn
für ihre Zweiradhistorie. Das war Anfang der 1970er Jahre. Heute wissen
wir längst, wie sollten sie auch. Damals, als 1972 Kawasaki gerade die
legendäre Z900 "Z1" auf den Markt brachte, gab es nämlich noch nichts
richtig Altes. Weder bei Kawasaki, noch bei Yamaha und Suzuki und bei
Honda auch nicht. Die japanische Motorradindustrie war ebenmal gut 20 Jahre
jung.
Im Herbst 1995 hatten Franz und ich auf dem Nürburgring fürs MO KLASSIK
MOTORRAD, Ausgabe 1/1996, eine wunderschöne Story produziert. Mit einer
Kawasaki Z900 "Z1" von 1973 bretterte "FJS" in Erinnerung an den
Nürburgring-Test
in "Das MOTORRAD" Ausgabe 15/1973, der dabei ermittelte Topspeed lag bei
sagenhaften 227,85 km/h, zig Runden über die legendäre Nordschleife.
Abends saßen wir im Gasthaus bei Mutter Rieder in Wiesemscheid gleich
neben der Rennstrecke und redeten von gestern und früher. Ich glaube nach diesem Tag
ist es Franz zum ersten Mal richtig bewusst geworden, dass er ein großes
Stück Motorradgeschichte live miterlebt hat. Fast könnte man auch sagen,
oder besser noch, sogar mit Bestimmtheit behaupten, dass er als Fachjournalist bei "MOTORRAD"
und "MO" sie mitgeschrieben hat.
|

Erster großer Kawasaki Z 900 "Z1" Test von
"DAS MOTORRAD" im
Frühjahr 1974 in Hockenheim
|
Als wir uns im März 1974 auf dem Hockenheimring
kennen lernten, sprach keiner von gestern. Alles war neu. Die "Z1", der
Einstieg in die Rennerei und der Beginn einer langen Freundschaft. Unser
Sport wurde "Jupo" genannt, die Rennmaschinen durften noch keine
Verkleidung haben. Wer bereits, so wie ich einen alten Ford Transit-Bus
mit Vorzelt, Schlafkoje, Kochnische, Regale und Schränkchen für Eierraviolis, Ersatzteile, Schrauben, Muttern und Splinte hatte, war eigentlich
schon gut ausgerüstet. Im Gegensatz zu
mir war
Franz schon
etwas länger
aktiver Rennfahrer. Er ist fast in allen Klassen gefahren, von 50 bis
1000 ccm, Zweitakter und Viertakter, Jupo-Rennen, OMK-Pokal, DM-Läufe,
Inter-Rennen, GP's und Langstreckenrennen. Pokale hat er reichlich nach
Haus geschleppt. Bei etlichen Rennen war ich mit von der Partie,
manchmal als Mechaniker, und einmal wurde sogar die ganze Nacht
geschraubt.
|

Rennsaison 1975.
Ford FK1000 "Renntransporter" mit Ex Dieter Braun Yamaha TZ350 von Winni
Scheibe
|

GP-Nürburgring 1978, FJS startet in
der 350er Klasse
Brigitte Durst, FJS, Sigi Güttner, Peter Hartenstein, v.l.n.r.
|

FJS auf Testfahrt mit der Kawasaki KR250
1978 in Hockenheim
|
|

FJS im Team-Böhme auf der Suzuki RG500
#27 Franz Heller
|
|

FJS mit der Yamaha TZ750 bei der "Formel 750"
1978 in
Hockenheim |
|
Am 17. und 18. Juni 1978 standen die "8-Stunden-Nürburgring"
im Terminkalender. Dieser Lauf zur Langstrecken-Europameisterschaft war
wieder in drei Klassen ausgeschrieben, bis 500 ccm, bis 750 ccm und
Gesamtwertung. Diesmal hatte Franz eine ganz verrückte Idee, zumal sie
auch recht kurzfristig kam. Mit seinem bewährten Langstrecken-Partner
und Freund
Peter Hartenstein wollte er wieder teilnehmen. Diesmal
allerdings nicht mit einer Eckert-Honda (mit der RCB hatten sie 1977 den
12. Platz belegt), sondern er wollte seine Yamaha TZ354 einsetzen.
|

Präparierte Yamaha TZ354 für das
"8-Stunden-Langstreckenrennen".
"Strom" lieferte die Batterie im Heck, ein Nebelscheinwerfer war vorne
an der Verkleidung
befestigt und zum "Starten" gab es einen Seilzug...
|
Zwar
hatte die Yamaha TZ354 im Vergleich zu den bärenstarken Viertakt-Boliden etwa nur
die Hälfte Motorleistung, dafür war sie aber nur fast halb so schwer und
ließ sich wesentlich einfacher fahren. Wenn der auf Membranzylinder
umgebaute Motor die Strapazen aushielt, spekulierte er, wäre ein
Achtungserfolg durchaus möglich. Außerdem würde es einen Heidenspaß
machen, mit dem leichten Flitzer zwischen den dicken
Langstrecken-Brummern rumzufahren.
|
Peter Hartenstein sah's etwas anders:
"Natürlich war es eine riesige Herausforderung,
Langstreckenrennsport war für uns damals das Größte. Doch wenn ich
ehrlich bin, habe ich die Sache nicht ernst genommen. Schließlich
war alles, was in der Langstreckenmeisterschaft Rang und Namen
hatte, am Nürburgring vertreten, Werkteams und private
Langstrecken-Teams mit leistungsstarken 1000er
Vierzylinder-Viertakt-Rennmaschinen. Die TZ war zwar sauschnell,
doch ob sie das acht Stunden-Marathon durchstehen würde, war ich mir
nicht sicher. Außerdem entsprach sie in keinster Weise dem
Reglement. In der Langstrecken-meisterschaft mussten die
Rennmaschinen nämlich eine Beleuchtungsanlage und Starteinrichtung
haben. Diese Problem liess sich allerdings recht einfach lösen.
Wir haben einige bunte Kabel um die Rahmenrohre gewickelt, an die
Verkleidung einen gebrauchten Nebelscheinwerfer geschraubt, in den
Rennhöcker eine alte Batterie gesteckt
und an die Trockenkupplung eine Starter-Schnecke mit Zugband vom
Rasenmäher gebastelt. Alles sah verdammt echt aus,
bei der technischen Abnahme kam die Yamaha anstandslos durch. Dass
weder Licht noch der Starter wirklich funktionierten, blieb unser
Geheimnis", erinnert sich der ehemalige Yamaha- und Honda-Händler
und 350er Jupo-Sieger von 1972. |

Team-Partner Peter Hartenstein |
|

Team-Betreuung für Leib und Seele:
Brigitte Durst und Elvi Plattner
|
Das
Training war kalt und verregnet, typisch Eifelwetter. Und dann passierte
auch noch genau das, was passieren musste: der Zweitakt-Motor ging fest
- Kolbenfresser. Trotzdem, das Team Schermer/Hartenstein hatte sich fürs
Rennen qualifiziert. In der Startaufstellung standen sie allerdings
ziemlich weit hinten. Um am Acht-Stunden-Rennen am nächsten Tag dennoch
teilzunehmen und es auch noch möglichst gut zu überstehen, entschieden wir
uns nach einer hitzigen Diskussion für eine Arbeitsteilung. Zum
Abendessen und für die verdiente Nachtruhe gingen Franz, Peter und der Rest der
Crew ins Hotel zu Mutter Rieder: Als Chef-Schrauber kümmerte ich mich
derweil um die "Langstreckenrennmaschine". Bis in die frühen
Morgenstunden wurde die TZ354 komplett überholt. Dem Racer wurde eine neue Kurbelwelle,
neue Kolben, Zylinder, Ansaugstutzen, Zündkerzen, Kupplung, Kette,
Kettenrad und Bremsbeläge spendiert. Frische Michelin PZ2-Pneus kamen
ebenfalls drauf, und zum Abschluss wurde der Racer noch ordentlich
blitzblank geputzt. Gegen 5:30 Uhr in der Früh lag ich endlich in der Koje.
|

Boxen-Team: Wolfgang Möckel, Fahrer Peter
Hartenstein, Brigitte Durst
|
Den Start und die "erste Sitzung" übernahm Franz. Nach fünf Runden, was
etwa 114 km entsprach, war Peter an der Reihe. "Meine Lederkombi hing
noch über dem Kleiderbügel, als mir Franz Freundin Brigitte zurief, dass
Franz gleich an die Box käme und dass ich mit dem Fahren dran sei", kann
sich Peter noch gut an die Situation erinnern. "Eigentlich hatte ich
überhaupt nicht damit gerechnet, dass die Yamaha die Schinderei
durchhält und ich auch noch zum Fahren kommen würde." Doch Franz brachte
den Zweitaktknaller heil über die Runden. Aber nicht nur das. Bei
Halbzeit lag das Team Schermer/Hartenstein in der Klasse bis 500 Kubik
sogar in Führung und im Gesamtklassement auf dem 9. Platz! Alles klappte
hervorragend, Zeitnahme, Boxensignale, Fahrerwechsel, Nachtanken und
Kette schmieren. Fast wurde der Boxendienst schon langweilig, keine
Reparatur, kein außerplanmäßiger Aufenthalt. Ganz im Gegenteil.
Mittlerweile hatten Franz und Peter in ihrer Klasse haushoch die Führung
übernommen, und der Abstand zum zweitplazierten Team betrug inzwischen
über eine Runde! Eine Platzierung in der Gesamtwertung unter den ersten
zehn und der Klassensieg schien sicher.
|

Sechs ewige Minuten!
Beim letzten Boxen-Stopp wurden Kette, Kettenrad und die vorderen
Bremsbeläge gewechselt
|
Doch dann machte uns die Antriebskette einen Strich durch die Rechnung.
Das Gliederwerk hatte sich nach dreiviertel Renndistanz dermaßen
gelängt, dass ein Nachspannen nicht mehr möglich war, auch das Kettenrad
und die Bremsbeläge waren total verschliessen. Beim letzten Boxenstopp
wurden in Windeseile frische Teile montiert. Doch die Zeit verflog, Über
sechs Minuten dauerte die Schrauberaktion. Dann ging Peter zum letzten
Turn auf die Strecke. Jetzt war es wieder richtig spannend. Würde die
Yamaha die gesamten acht Stunden durchhalten? Sie hat! Zwar war der 9.
Platz in der Gesamtwertung futsch, dafür haben FJS und Peter den
Klassensieg geschafft, viel mehr als erwartet...
|

Sieg!
Die Klasse bis 500 ccm gewann das Team Schermer/Hartenstein
|
Es war ein echtes "FJS-Wochenende", so wie viele andere. Es begann mit
einer "Furzidee", dann wurde konstruiert und improvisiert und
letztendlich klappte es auch noch...
|
Text-Archiv:
Sport
|