Sport


Trial-Sport


"Physics-Breaker"

Im Trialsport stehen die physikalischen Gesetze Kopf.
Mit den Geländehüpfern lassen sich akrobatische Fahrkünste
durchführen, die normalerweise unmöglich sind.

Text&Fotos: Winni Scheibe




Genau wie im GP-Sport hat sich in der Trialszene die High-Tech längst breit gemacht. Moderne Trialmaschinen haben mit handelsüblichen Straßenmotorrädern nichts gemeinsam. Sie sind hoch entwickelte Wettbewerbsfahrzeuge, die nur für einen Zweck gebaut sind: ihren Fahrer fehlerfrei über meterhohe Felsbrocken, glitschige Wurzelhänge, knietiefe Wasserdurchfahrten oder wer weiß was sonst noch für Gemeinheiten im Gelände zu tragen. Trialmaschinen sind artistische "Maultiere", mit denen sich atemberaubende Kunststücke vollbringen lassen.




Trialfahren hat weitere Gemeinsamkeiten mit Straßenrennen. In beiden Sportarten hat sich der Fahrstil in den letzten Jahren gehörig gewandelt. War noch vor geraumer Zeit der "Knie am Tank-Fahrstil" das Non-Plus-Ultra, wird bei den Asphaltheizern im "Hang off" mit schleifendem Knieprotektor durch die Kurven gewetzt. Auch die Trialisten stehen schon lange nicht mehr wie "verwachsen" auf ihren Geländehüpfern. Je nach Schwierigkeitsgrad dirigieren sie mit schlangenartigen Verrenkungen ihre Maschine übers Hindernis.

 


Moderne Radial-Reifen mit extrem weichen Gummimischungen, stabile Fahrwerke mit feinfühligen und vielfach verstellbaren Federelementen, hohe Motorleistung, im Trialsport ausgewogene "Motorcharakteristik", von denen vor Jahren die Piloten nur träumen konnten, sind inzwischen das Maß der Dinge. Doch genug der Vergleiche.





Das Wort Speed ist bei den Geländeartisten unbekannt. Sie zirkeln, hüpfen, stehen Minuten lang regungslos still oder fahren, wenn es sein muss, in der Sektion auch rückwärts. Aber immer darauf bedacht, nie mit den Füßen in Bodenkontakt zu kommen, denn dafür gibt es ja Strafpunkte. Die Rahmengeometrie ist für diesen Fahrstil ausgelegt. Der Radstand beträgt kaum mehr als 1300 mm, und der Nachlauf liegt zwischen 45 und 60 mm. Handlich und leicht muss ein Trial-Motorrad sein. Ist der Lenker voll eingeschlagen, lässt sich die Maschine fast "auf der Stelle" drehen. Das Leergewicht der Bergziegen liegt zwischen 75 und 85 kg. Leicht genug, um sie zur Not über ein Hindernis zu tragen.




Für Außenstehende mag die "Sitzposition" zunächst als Zumutung gelten. Doch auf dem Vehikel wird nicht im Sitzen, sondern im Stehen über Stock und Stein balanciert. Damit in stressigen Situationen der Akrobat nicht aus Versehen an den Schalthebel kommt, ist er im sicheren Abstand positioniert. Zum Schalten muss der Fahrer den Stiefel von der Raste nehmen. Der erste Gang wird nach unten und alle weiteren fünf nach oben geschaltet.




Kondition, Konzentration und Mut sind die Anforderungen, die an den Trialisten gestellt werden. Beißt sich der eine Wettbewerbsteilnehmer an einem Hindernis die Zähne aus, kommt ein Konkurrent und meistert den Schwierigkeitsgrad mit Null Fehlerpunkten. "Geht nicht" scheint es in diesem Sport nicht zu geben. Federelemente mit langen Federwegen ermöglichen tiefe Sprünge, Kantenüberfahrten und unglaubliche Steilauffahrten. Die Upside-Down Telegabel gehört zum Standard, und das hintere Mono-Federbein wird über ein Hebelsystem aktiviert. Individuell lassen sich Federvorspannung und Dämpferabstimmung auf den Fahrstil des Akteurs einstellen. Wie wichtig diese Fahrwerksabstimmung ist, zeigt sich besonders nach einem schwungvollen Aufsprung auf einen mannshohen Felsbrocken, wenn das Fahrzeug nach Bewältigen dieser Herausforderung sofort zum Stillstand gebracht werden muss. Würden die Federelemente lasch gedämpft nachschwingen, könnte der Akteur das Fahrzeug kaum ausbalancieren.


Aber nicht nur die Fahrwerksabstimmung hat absolutes High-Tech Niveau erreicht, auch die Stopper sind mit den pflegeintensiven Trommelbremsen von einst nicht mehr zu vergleichen. Hydraulisch betätigte Scheibenbremsen mit gelochten, schwimmend gelagerten Scheiben garantieren in jeder Situation millimetergenauen Halt. Die Anlage verfügt über enorme Bremswirkung, lässt sich aber ohne große Kraftanstrengung mit exaktem Druckpunkt dosieren. Vorderradbremse und Kupplung werden nur mit dem Zeigefinger betätigt. Und das hat seinen berechtigten Grund. Die restlichen drei Finger umfassen fest die Lenkerenden. Nicht vorstellbar, wenn zum Beispiel in einer Steinsektion durch zu lasches Zugreifen plötzlich der Lenker aus der Hand geschlagen würde. Ein Sturz wäre unvermeidbar die Folge.





Als Triebwerk dienen flüssigkeitsgekühlte Einzylinder-Zweitaktmotoren. Die Steuerung erfolgt über Membraneinlass oder via Drehschieber. Mit Ausnahme von Honda: der japanische Motorradmulti setzt inzwischen wieder auf das Viertaktprinzip. Hubraumeinteilungen wie in anderen Sportarten gibt es im Trial nicht. Die Kraftpakete haben zwischen 200 bis 300 ccm und 15 bis etwas über 20 PS.

Dies erscheint zunächst wenig, doch für die Geländekraxler reicht es allemale. Trialmotoren laufen ausgesprochen leise, verfügen aber über mächtig "Dampf" ab Leerlaufdrehzahl. "Aus dem Stand heraus" lassen sich zu Fuß kaum überwindbare Hindernisse überfahren oder "senkrechte" Steilauffahrten meistern. Die ausgewogene Motorcharakteristik, "Kraft aus dem Keller", "durchzugsstark" und "drehfreudig", lassen diese, oder noch ganz andere Kunststücke zu.




Im Zusammenspiel von Gasgeben, Auskuppeln, Bremsen und Gleichgewicht halten, beliebigem Abwinkeln der Maschine nach links oder rechts, spektakulären Wheelies oder auf dem Vorderrad fahren ist ein geübter Trialist in der Lage, die physikalische Grundsatzlehre außer Kraft zu setzen.





Hohe Schule des Motorradfahrens

Trial wird auch gerne als die hohe Schule des Motorradfahrens bezeichnet. In dieser Sportart kommt es nämlich nicht auf Power und Speed an. Was zählt, ist einzig und allein Geschick und Können. Wo die Physik sagt, "da kommt keiner hoch", Trialisten schaffen es. Im Wettbewerb entscheiden über Erfolg oder Niederlage die ergatterten Strafpunkte. Fahrfehler werden erbarmungslos gestraft und erhöhen maßgeblich das Punktekonto. Wer am Schluss die wenigsten Zähler hat, ist Sieger. So einfach ist das.



"Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen"

Für Führerscheinneulinge, die Motorradfahren erst noch lernen müssen, ist Trialfahren ein ideales Training um das Gefühl für das Gleichgewicht und die Abläufe Blickführung, Fahrbahn lesen, Kuppeln, Schalten, Gas geben und Bremsen zu bekommen. Wer mit einer Trialmaschine sicher und vertraut umgehen kann, bei dem die Grundfahrübungen schon "in Fleisch und Blut" übergegangen sind, hat es mit der Fahrschulmaschine im stressigen Schulungsunterricht bedeutend einfacher. Beim Trialfahren lernt man nicht nur eine Menge, es macht auch noch einen riesigen Spaß. 



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