Technik


Kunststoff-Schweißtechnik

"Frisch verschweißt!"

Zahlreiche Motorradteile sind aus thermoplastischem Kunststoff
gefertigt. Zum Beispiel Verkleidungen, Seitendeckel, Heckbürzel,
Radabdeckungen, Lampengehäuse, Seitenkoffer und Topcase. 
Das Material ist im Prinzip pflege- und wartungsfrei, allerdings 
nur solange, bis es bricht. Anstelle von neu kaufen lassen 
sich die Sachen jedoch reparieren.

Text&Fotos: Winni Scheibe



So ein kleiner Ausrutscher kann teuer werden... 


Anfang der achtziger Jahre kamen die ersten Motorräder schon ab Werk mit schnittigen Verkleidungen auf den Markt. Die Meinungen unter den Fachleuten gingen damals allerdings stark auseinander. Sport- und Tourenfahrer lobten die Neuerung, endlich gab es hinreichenden Schutz vor Wind und Wetter. Ganz anders die "echten Windgesichter" unter den Bikern. Sie konnten mit dem neumodernen Kram nichts anfangen. Für sie waren diese Dinger einfach keine Motorräder mehr, sondern schnöde "Joghurtbecher" oder einheitliche "Plastikschüsseln".
Nicht zu Unrecht. Das Material, aus dem die Verkleidungen hergestellt waren, war nämlich thermoplastischer Kunststoff. Genau das gleiche Zeug, aus dem besagte Joghurtbecher und Haushaltsschüsseln kostengünstig in Massenproduktion gefertigt sind. Eine praktische Angelegenheit, dieser Kunststoff ist im Prinzip pflegeleicht, wartungsfrei und langlebig, solange jedenfalls, bis er zerbricht. Bruchpiloten unter den "Plastikschüssel"-Treibern können davon ein Lied singen. Allein, wenn aus dem Stand das Bike nur umkippte, konnte es passieren, dass die Plastikteile zerbrachen. Hatte der Kamikaze seine Kiste richtig in den Dreck geworfen, blieb beim Abflug von der edlen Kunststoffhaut nichts heil. Für einen Totalersatz musste in den meisten Fällen ein Bankkredit aufgenommen werden. Zu reparieren waren die Sachen damals nämlich noch nicht, und die Neuteile waren verdammt teuer.




Zum Glück hat sich das mittlerweile geändert. Seit einiger Zeit haben sich Betriebe auf die Reparatur von thermoplastischen Bauteilen spezialisiert (siehe Anzeigenteil in der gängigen Fachpresse). Im Vergleich zu Kunststoff-Bauteilen aus GFK (Glasfaserverstärkter-Kunststoff) - dieses Material lässt sich mit etwas handwerklichem Geschick von jedem selbst problemlos wieder zusammenflicken, - bleibt dem gelackmeierten Biker oft nur die Wahl, das ramponierte Teil wegzuschmeißen, ein neues kaufen oder, was um ein Vielfaches günstiger sein kann, es via einem ausgetüfteltem Schweißvorgang reparieren zu lassen. Aber es muss ja auch nicht immer gleich ein Totalschaden sein. Besonders ärgerlich ist das Malheur, wenn vom ansonsten einwandfreiem Seitendeckel lediglich der Haltezapfen abgebrochen ist oder durch Vibration Radabdeckungen, Verkleidungen oder andere thermoplastische Kunststoffteile beschädigt sind. Selbst mit dem besten Superkleber lassen sich weder der Plastikknubbel "anbabben", noch gebrochene Verkleidungsteile wieder zusammenkleben. Wer es dennoch versucht, wird feststellen müssen, es hält nur "von zwölf bis Mittag".

Für eine fachgerechte Instandsetzung ist Know-how Voraussetzung. Denn Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff. Fast ein Dutzend verschiedener thermoplastischer Materialien verwenden die Motorradhersteller zur Fertigung der Bauteile. Grundsätzlich kann allerdings alles repariert werden. Doch bevor mit dem Schweißen losgelegt wird, muss eine genaue Materialabstimmung vorgenommen werden. Ist der Werkstoff einwandfrei identifiziert, weiß der Experte, welches der unterschiedlichen Schweißbänder er benutzen muss und welche Temperatur zum Schweißen erforderlich ist. Als Nächstes werden die Teile sorgfältig gesäubert, gegebenenfalls fehlende Stücke ergänzt sowie angepasst und die Schweißstellen beidseitig genutet oder angeschliffen.


Der eigentliche Schweißvorgang erfolgt mit Heißluft sowie unter Zuhilfenahme des entsprechenden Schweißbandes. Die Temperatur beträgt hierbei zwischen 300 und 450 Grad. Je nach Art der Beschädigung wird nur innen oder beidseitig geschweißt. Aufgrund der hohen Temperatur verschmilzt das Schweißband mit dem Kunststoff zu einer gemeinsamen Materialstruktur, was zur Folge hat, dass die Bruchstelle nach dem Schweißvorgang die gleiche Festigkeit wie vorher besitzt. Schon wenige Augenblicke nach dem Schweißen ist die Naht abgekühlt, kann plangefräst und feingeschliffen werden. Von Seiten der Kunststoffschweißtechnik ist das beschädigte Teil nun wieder 100% in Ordnung und braucht nur noch lackiert zu werden. Damit beim Lackieren keine Probleme auftreten, bekommt der Lackierer einen genauen Hinweis, um welchen Kunststoff es sich handelt.




Ob nur eingerissene oder zerbrochene Kunststoffteile, die Fachbetriebe schweißen alles wieder zusammen. Selbst wenn nach einem Sturz ausgebrochene Flächen fehlen, lässt sich die demolierte Verkleidung wieder aufmöbeln. Daher sollte man nach einem "Ausrutscher" alle zerbrochenen Einzelteile sorgfältig einsammeln und zu dem Reparaturstück dazugegeben. Ist die Verkleidung aber stark zerbröselt empfiehlt es sich vorab, einen Kostenvoranschlag einzuholen. Ganz gleich, welches Teil in die Mache genommen wird, vielfach wird ein Grundpreis ab 30 - 40 Euro verlangt. Für das Schweißen kommen pro Zentimeter noch einmal ab ca. 2 Euro aufwärts hinzu. Nun kann sich jeder Biker selber ausrechnen, wie teuer die Instandsetzung der beschädigten Kunsthaut wird. Dass zu diesen Preisen noch die Kosten für Transport und späterem eventuellen Neulackieren hinzukommen, versteht sich von selber.




Im Vergleich zu den horrenden Ersatzteilpreisen schneidet eine Reparatur jedoch immer deutlich günstiger ab. Nicht zu vergessen das Thema Umwelt. Mussten bisher die beschädigten Kunststoffbrocken entsorgt werden, lassen sie sich nun problemlos reparieren und wieder verwenden. 


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