Technik


Winterzeit = Schrauberzeit!

Hobbythek

Früher wurde an Motorrädern herumgebastelt.
Heute heißt es Tuning. Doch ganz gleich ob Motortuning,
Fahrwerksmodifikationen oder Optisches aufmöbeln,
Hauptsache es macht Spaß.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, team métisse



Heutige Motorräder sind Stangenware, sie sind perfekt. Keine Frage. Aber trotzdem, den Bikern kann man es nicht recht machen. Kaum steht der Feuerstuhl  in der eigenen Garage, wird geschraubt. Schließlich gibt es immer etwas zu verbessern oder einfach nur an- oder abzuschrauben. Trotz des enormen technischen Fortschrittes der letzten Jahre, es wird weiterhin getunt, bis der Asphalt glüht.



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Viele Modifikationen werden in der heimischen Hobbywerkstatt erledigt. Bevor es jedoch mit dem Budenzauber richtig losgeht, sollte man grundsätzlich darauf achten, dass sämtliches Tuning später vom TÜV abgenommen werden muss. Ein Großteil des Angebotes ist mit einer ABE (Allgemeinen Betriebserlaubnis), einem Technischen Bericht, einem Teilegutachten oder einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Herstellers ausgestattet. Sind die Sachen vorschriftsmäßig angebaut, dürfte es in aller Regel beim TÜV kein Problem geben. Ans "Eingemachte" geht es allerdings, wenn bunt durcheinander ABE-Teile, Sachen mit einem Teilegutachten und Bauteile "Marke Eigenbau" das Bike aufmöbeln. Oder wenn es zu den Umbauteilen überhaupt keine Unterlagen gibt. 



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Wer sein Bike tunen möchte, sollte sich daher vorher einfach mit seiner TÜV-Prüfstelle in Verbindung setzen. Für Spezial-Umbauten, Eigenbauten oder Tuningarbeiten sind amtlich anerkannte Sachverständige zuständig. Man sollte sich aber auch auf keinen Fall davor scheuen, einen Motorradexperten zu verlangen. 



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Grundsätzlich muss sich jeder amtlich anerkannte Sachverständige natürlich nach den geltenden Gesetzen und Verordnungen in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, kurz StVZO, richten. Denn hier ist alles geregelt. Doch so umfangreich dieser Paragraphen-Dschungel auch ist, für den Sachverständigen bleibt immer noch der sogenannte Ermessensspielraum nach §30 StVZO "Beschaffenheit der Fahrzeuge". In diesem Paragraphen heißt es: Fahrzeuge müssen so gebaut und ausgerüstet sein, dass ihr Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt, die Insassen (bei Motorrädern Fahrer und Beifahrer) insbesondere bei Unfällen vor Verletzungen möglichst geschützt sind und das Ausmaß und die Folgen von Verletzungen möglichst gering bleiben. 



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In der Praxis bedeutet das für den Sachverständigen eine sehr weitgefächerte Auslegung, die aber auch dem Motorradtuner großen Spielraum lässt. Wer sein Bike verbessern will, kann zum Beispiel, ohne später großartige Probleme bei der TÜV-Abnahme zu bekommen, Bauelemente von einem hubraumgrößeren Modell an eine kleinere Maschine bauen. Da diese Teile ursprünglich für schwere und leistungsstarke Bikes ausgelegt sind, spricht gegen eine Verwendung an einer schwächeren Maschine nichts. Spezielle Gutachten für diese Bauteile sind nicht erforderlich. Im Klartext heißt das, die Upside-down-Gabel von einer 1100er kann man an eine 750er oder 600er bauen, oder eine Bremsanlage von einer 900er an eine 750er oder die Hinterradschwinge von einer 1000er in eine 750er, den Breitlenker von einer 1400er auf eine 800er oder die Laufräder von einer 750er in eine 600er einbauen. 



Platz da: Breitreifen-Umbau und neue Auspuffanlage!

Bei Motorrädern mit der Erstzulassung vor dem 01.03.1995 braucht man für eine andere Auspuffanlage längst nicht immer ein Abgasgutachten! Bleiben die Fahrgeräuschwerte wie bei der Serie, die Standgeräusche dürfen um 3 Prozent abweichen, und die Motorleistung darf sich zur Serienleistung um maximal plus/minus fünf Prozent verändern, kann der Sachverständige diese Anlage eintragen. Bei Bikes, die nach dem 01.03.1995 ihre Erstzulassung erhielten, ist dieser Spaß allerdings vorbei. An diese Maschinen dürfen nur noch Auspuffanlagen montiert werden, die eine EG-Teilbetriebserlaubnis haben. 


Ein weiteres Beispiel für den Ermessensspielraum ist das Eintragen von einer anderen Reifengröße. Auch ohne Unbedenklichkeitsbescheinigung des Fahrzeugherstellers darf ein Sachverständiger nach fahrdynamischer Überprüfung bis zur Höchstgeschwindigkeit als Alternative Niederquerschnittreifen eintragen. Wie aufwändig und umfangreich die einzelnen TÜV-Prüfungen ausfallen, hängt oftmals von der handwerklichen Ausführung des vorgeführten Bikes ab. Hat zum Beispiel ein Edelschrauber eine Fußrastenanlage superperfekt aus hochfestem Aluminium gefertigt, die nicht nur optisch einen picobello Eindruck macht, sondern auch tadellos funktioniert, ist nichts gegen die Eintragung in die Fahrzeugpapiere zu sagen.


Auch gegen eine selbstgebaute Sitzbank spricht nichts. Nur muss sich der Hobby-Konstrukteur an die vorgeschriebenen Abmessungen halten. Eine Zwei-Personen-Sitzbank mit Halteriemen muss mindestens 60 cm lang und der selbstgebaute Ein-Mann-Höcker fürs Superbike oder den Chopper  muss mindestens 30 cm und maximal 45 cm lang sein, die Mindest-Stärke für die Polsterung muss 20 mm aufweisen.


Ist das Bike nach allen Regeln der Kunst getunt, kann sich die TÜV-Untersuchung zeitraubend und recht kostspielig gestalten. Neben ausgiebigen Fahrversuchen müssen vom TÜV die maximale Höchstgeschwindigkeit und Geräuschwerte ermittelt werden. Zusätzlich können auch noch ein Abgasgutachten und eine Motor-Leistungsmessung dazu kommen. Sind alle Prüfverfahren erforderlich, muss man mit Kosten von 1500 bis 2000 Euro aufwärts rechnen.




Wem die Aktion mit dem TÜV, dem Papierkram bei der Zulassungsstelle und wer weiß was sonst noch, jedoch schnurzegal ist, riskiert, wenn er erwischt wird, im schlimmsten Fall eine Anzeige wegen Fahren ohne Betriebserlaubnis, und im Falle eines Unfalles kann die Versicherung sogar die Zahlungen verweigern. Wenn's ganz blöd läuft, blecht man sein ganzes Leben für die Dummheit...

 

"Vom Tun und Tuning"




Doch zurück zum Tuning. Tuning ist ein weitgefächerter Begriff, der von ganz einfachen Änderungen bis Komplettumbauten reicht und der sich in drei Fraktionen unterteilen lässt: optisches Tuning, Fahrwerkstuning und, sozusagen das Highlight, das Triebwerkstuning. 

Unter die Rubrik optisches Tuning fällt zum Beispiel jede Art von Lackierungen, wobei es sich in den meisten Fällen um aufwändige und durch die Bank weg teure Airbrusharbeiten handelt.



Aber auch hochglanzpolierte Alu-Teile, vernickelte oder verchromte Bauteile gehören dazu. Wem das alles zu schnöde ist, lässt die Sachen sogar vergolden. Als der letzte Schrei haben sich inzwischen farbige Leichtmetall-Schrauben etabliert. Neben einer bestechenden Optik haben diese Maßnahmen aber auch einen praktischen Vorteil, das rigorose Umrüsten auf LM-Schrauben reduziert das Fahrzeuggewicht und verbessert somit das Handling.

Billig ist dieser Spaß jedoch nicht. Wer's perfekt machen will, verwendet ausschließlich Titanschrauben, die aber im Vergleich zu handelsüblichen Schraubverbindungen gut zehnmal soviel kosten.


(Foto: team métisse)




Als Wissenschaft für sich darf das Fahrwerkstuning gelten. Doch bevor es ans perfekte Set-up geht, lässt sich durch kleine Detailveränderungen das "Wohlsein" auf dem Bike erheblich verbessern. Eine ab- oder aufgepolsterte Sitzbank sowie richtig eingestellte Hand- und Fußhebel bewirken enorm. Ans Eingemachte gehts bei der Fahrwerksabstimmung. Moderne Maschinen verfügen über eine Vielzahl von Fahrwerkseinstellmöglichkeiten. Neben der Federbasis lassen sich Dämpferzug- und Druckstufe individuell auf den Fahrstil und die Bedürfnisse des Bikers einstellen.

Sind diese Variationen ausgeschöpft, das Fahrgefühl aber immer noch zu hart oder zu weich, kann man die Dämpfereigenschaft der Telegabel durch anderes Gabelöl verändern. Dünnes Gabelöl (SAE 10) bewirkt sanfte Dämpfereigenschaft, dickes Öl (SAE 20) macht die Dämpfung straffer. Ist einem die Federung zu hart oder zu weich, muss man die Federn in der Gabel und fürs Hinterrad tauschen. Es gibt aber auch Experten, die sich damit nicht zufrieden geben. Für eine optimale Vorderradführung muss eine Upside-down-Gabel her, das Federbein wird gegen einen hochwertigen Ersatz vom Zubehörmarkt getauscht. Als nächste Steigerung stellt man das Serienchassis in die Ecke und besorgt sich einen Rahmen von Harris, Bimota oder Moko. 



Moko-Suzuki

Im gleichen Aufwasch kommen neue Laufräder und eine brachial zubeißende Bremsanlage, ein schicker Tank, sportlicher Einmannhöcker und fetzige Rennverkleidung hinzu. Nach diesem "Rundumschlag" ist vom ursprünglichen Gefährt nur noch das Triebwerk übrig geblieben. Und das bleibt natürlich auch nicht, wie es ist.
Auch beim Triebwerkstuning fängt es meist ganz harmlos an.

Damit der Motor besser am Gas hängt, werden die Vergaser mit einem Dynojet-Kit modifiziert. Als nächstes ist eine andere Auspuffanlage an der Reihe. Durchzug und Sound stimmen jetzt. Doch ein paar zusätzliche PS könnten es dennoch sein. 
Also wird der Zylinderkopf ordentlich in die Mache genommen, Kanäle begradigt, Ventilsitze optimiert, die Standard- Nockenwellen gegen Racing-Nockenwellen getauscht.

 

 



Ducati-Tuning-Guru Eraldo Ferracci, USA




Racing-Kolben sorgen für eine höhere Verdichtung und damit die Pleuel den kräftigeren Druck vertragen, werden sie durch sündhaft teure Titan-Bauteile ersetzt. Die Kurbelwelle wird feingewuchtet und die Serienzündung gegen eine High-Tech Anlage ausgewechselt. Die Ölbadkupplung muss einer Trocken-Kupplung weichen und auch das Getriebe wird nicht mehr gebraucht, schließlich gibt es ein eng abgestuftes Renngetriebe. Je nach Tuningstufe lassen sich so 10, 20, 30 oder sogar noch einige mehr PS aus dem Motor zaubern.


Nun sind die aufgezählten Beispiele der drei Tuningsmöglichkeiten längst nicht alles, was möglich und machbar ist. Geschmack, Ansprüche und letztendlich die Geldbörse entscheiden, was man auf die Räder stellt. 




Allerdings mit bunt zusammengewürfelt ist es nicht getan. Die Kunst eines richtigen Tunings ist nämlich das genaue Aufeinanderabstimmen der Komponenten. Und das ist beim Stand der aktuellen Motorradtechnik gar nicht mal so einfach. Handelt es sich beim optischen Tuning um Geschmacksache, über die sich bekanntlich streiten lässt, verlangt Fahrwerkstuning große Erfahrung und Fahrversuche, am besten auf einer abgesperrten Teststrecke oder einem Rennkurs. Nur wenn man immer wieder auf der gleichen Strecke fährt, lässt sich erkennen, ob sich das Fahrverhalten tatsächlich verbessert. Beim Triebwerkstuning ist man auf Prüfstandsversuche angewiesen. Und das kann eine zeitraubende Geschichte werden. Mit zwei oder drei Leistungsmessungen ist es nicht getan. Wer ein tadelloses Ergebnis erzielen will, muss Schritt für Schritt vorgehen. Bevor ein Motorrad ordentlich getunt ist, können Wochen, ja sogar Monate vergehen. Nur gut, dass bei uns die Wintermonate so lang sind, dann wird es den PS-Fetischisten wenigstens nicht langweilig. 


Geschmacksache:
Power ohne Ende...
Optisches Tuning...
oder
Speed zum angasen..



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