Technik


Fahrwerkslagerung überholen


"Gut gelagert"

Fahrsicherheit und Fahrkomfort sind maßgeblich von
der einwandfreien Funktion der Chassis-Lagerung abhängig.
Sind Steuerkopf-, Schwingen- oder Radlager ausgeleiert, schlingert
und wackelt das Bike wie ein Lämmerschwanz über die Chaussee.
Kaputte Lager müssen unbedingt ersetzt werden.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Auf die richtige Lagerung kommt es an...


B
iker sind für ihre Benzingespräche bekannt. Wird von Power, Sprint, Speed und Set-up erzählt, kann ein Außenstehender schnell den Eindruck gewinnen, hier tauschen echte Rennprofis ihre Erfahrungen aus. Übertreibt ein Spezi aber seine Schilderung, werden selbst treue Kollegen misstrauisch. Schließlich wissen sie nur zu genau, dass mit seiner "alten Mühle" kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Das Triebwerk mag ja noch gut in Schuss sein, doch das Fahrwerk taugt schon lange nichts mehr. Sogar auf der Autobahn, wenn's schnurgeradeaus geht, eiert seine Maschine Furcht erregend. Woher die Fahrwerksunruhe kommt, wissen die Kumpels natürlich ganz genau. Die Fahrwerkslagerung ist granatenmäßig ausgeleiert.


"Die Steuerkopflagerung"


Seit Generationen gehören unter Motorradfahrern die Diskussionen über Fahrwerksschwächen zum Thema Nummer eins. Oft steckt die Ursache für dieses Problem aber nur im Detail. Falscher Luftdruck, abgefahrene Reifen, ungleich befüllte Telegabel oder unterschiedlich eingestellte Federbeine können die gute Straßenlage ganz schön durcheinander bringen. Sind diese Punkte aber in Ordnung, und die Fuhre besteht weiter auf ihr Eigenleben, wird es Zeit, sich um die Fahrwerkslagerung zu kümmern.



Lagerspiel  vom Steuerkopflager prüfen


Zwischen Gabel und Tank sitzen gut verborgen die beiden Steuerkopflager. So unscheinbar diese Bauteile auch sein mögen, so wichtig sind sie. Ohne Steuer- oder Lenkkopf und die dazugehörige Lagerung wäre ein Motorrad unfahrbar. Ein zu lockeres, zu fest eingestelltes oder gar verschlissenes Lenkkopflager beeinträchtigt nicht nur die Fahrstabilität, sondern gefährdet auch im hohen Maße die Fahrsicherheit. Geradeauslauf und Lenkgenauigkeit lassen sich vom Fahrer nicht mehr selbst bestimmen. Das Vehikel fährt dahin, wo es Lust hat.
In welchem Zustand sich das Steuerkopflager befindet, ist schnell überprüft. Für die Kontrolle ist eine zweite Person erforderlich. Die Maschine wird auf den Hauptständer gestellt oder - falls keiner vorhanden ist - so aufgebockt, dass beim Herabdrücken des Hecks vom Helfer das Vorderrad frei steht. Nun werden die Gabelenden umfasst, die Gabel vor und zurück, sowie nach rechts und links bewegt. Ist Lagerspiel spürbar, hakelt sie oder ist zum Einschlagen sogar Kraftanstrengung nötig, ist es ein sicheres Zeichen dafür, dass das Lager verschlissen ist.

Für die Reparatur genügt das gut sortierte Werkzeug in der Garage und ein Satz neuer Rillen- oder Kegelrollenlager. Ist ein Umrüsten auf Kegelrollenlager möglich, sollte man unbedingt diese hochwertigen Maschinenelemente einbauen. Zunächst wird das Vorderrad und Telegabel ausgebaut. Erfahrungsgemäß sitzt die Lenksäulenmutter meist bombenfest. Mit der entsprechenden Nuss und einer langen Verlängerung dürfte sie sich aber problemlos lösen lassen. Die obere Gabelbrücke kann man nun abnehmen. Nun wird die Lenkkopflagerung nur noch von einer Mutter zusammengehalten. Ist ein Spezialschlüssel zum Lösen erforderlich, dieser aber nicht zur Hand, kann man sich mit einem stumpfem Schraubenzieher und leichten Hammerschlägen weiterhelfen. Ist die Mutter abgedreht, lässt sich die untere Gabelbrücke mit der Steuerkopfachse herausnehmen.



Beispiel alter Schraubertrick: Schweißpunkte auf den Lagerrand


Sind die Ansprüche an den Bastler bis hierher relativ gering, kann sich das Herausschlagen der Lagerschalen aus dem Steuerkopf durchaus knifflig gestalten. Auf dem Lagerschalenring lässt sich für den Schraubenzieher oder einen langen Dorn nur schwer eine Auflagestelle finden. Immer wieder rutscht das Werkzeug ab. Mit einem bewährten Schraubertrick kann man sich weiterhelfen. Auf dem Schalenrand wird mit einem Schutzgasschweißgerät ein Schweißpunkt gesetzt.


Das Werkzeug kann sich nun auf diesem Knubbel abstützen, und nach ein paar kräftigen Hammerschlägen fliegt die Lagerschale heraus. Mit der alten Lagerschale werden die neuen Kegelrollen-Lagerringe vorsichtig - auf keinen Fall darf sich der Lagerring verkanten - in den Steuerkopf eingeschlagen.
Flutscht das untere Steuerkopflager nicht von alleine auf den Lagersitz von der Steuerachse, wird mit einem Montagerohr und leichten Hammerschlägen nachgeholfen.
Handelt es sich jedoch um ein Alu-Chassis, dürfen die Lagerschalen nur mit dem dafür vorgesehenen Ausziehwerkzeug ausgewechselt werden.


Bevor man die Steuerkopfachse wieder in den Rahmen schiebt, werden beide Lager mit Fett reichlich eingeschmiert. Das obere Kegelrollenlager lässt sich mit der Hand auf die Steuerkopfachse schieben und wird mit der Staubabdeckung abgedeckt. Für die Grundeinstellung wird die Steuerkopflager-Einstellmutter erst einmal festgezogen und gleich wieder etwas gelöst.



Das Lagerspiel wird eingestellt


Nun folgt in umgekehrter Reihenfolge der Zusammenbau. Außer der Lenksäulenmutter und den Klemmschrauben in der oberen Gabelbrücke werden alle Schrauben sowie Haltemuttern gewissenhaft festgezogen. Das Einstellen des Steuerkopflagers stellt den Abschluss der Arbeit dar. Damit sich das Schmierfett in den Lagern gleichmäßig verteilt, wird die Lenkung einige Mal zügig hin und her bewegt. Nach Herstellerangabe, oder mit Gefühl wird die Einstellmutter angezogen. Damit sie sich nicht verdrehen kann, wird die Lenksäulenmutter nach Herstellerangabe oder mit etwa 80 bis 100 Nm angezogen. Abschließend überprüft man die Einstellung des Steuerkopflagers noch einmal. Die Telegabel muss frei beweglich sein, ein Lagerspiel darf nicht spürbar sein, und auf keinen Fall darf sich die Lenkung schwer hin und her bewegen lassen. Sind die Klemmschrauben angezogen, ist die Arbeit beendet.


"Die Schwingenlagerung"

Gehören im Steuerkopf Rillen- oder Kegelrollenlager zur Standardausstattung, reicht die Skala der Schwingenlagerung von abenteuerlich bis perfekt. Ausgesprochene Billiglösungen sind Kunststoffbuchsen oder undefinierbare Metallbuchsen. Trotz regelmäßigem Abschmieren lässt sich die Lebenserwartung dieser "elastofix"-Lagerung kaum verlängern. Je nach Fahrstrecke und Fahrweise sind sie schon nach einigen tausend Kilometern hoffnungslos verschlissen. Die Schwinge wackelt dann regelrecht im Rahmen hin und her. Besteht keine Möglichkeit, diese Buchsen durch hochwertige Metall-Lagerhülsen oder Nadellager zu ersetzen, bleibt dem gebeutelten Maschinisten nichts anderes übrig, als die Lagerung regelmäßig zu erneuern.



Schwingenlagerung prüfen


Bedeutend besser sind Bronzebuchsen oder Nadellager. Gut gefettet halten sie eine Ewigkeit. Nachteil dieser Ausführung ist es allerdings, dass sie nur radiale Kräfte aufnehmen können. Für die seitliche, axiale-Führung, muss die Schwinge mit Anlaufscheiben ausdistanziert werden. Dieses Manko besitzt die Kegelrollen-Lagerung nicht. In diese hochwertigen Aufnahmen wird die Schwinge radial und axial spielfrei geführt. Einmal gut gefettet, erreichen Kegelrollenlager eine hohe Lebensdauer.
Inwieweit die Schwingenlagerung verschlissen ist, lässt sich einfach feststellen. Sicher aufgebockt, wird mit einer Hand die Maschine festgehalten und mit der anderen Hand das Hinterrad am hinteren Ende hin und her bewegt. Sind die Führungen ausgeleiert, ist das Spiel deutlich spürbar.



Wer die Schwingenlagerung aber gewissenhaft überprüfen will, kommt ums Schrauben aber nicht herum. Das Rad wird ausgebaut und die Federbeinbefestigungen an der Schwinge abgeschraubt. Jetzt hängt die Schwinge freibeweglich im Rahmen. Ohne Kraftanstrengung und ohne spürbares Spiel muss sie sich rauf und runter bewegen lassen. Ein seitliches Spiel darf auf keinen Fall vorhanden sein. 
Taugt die Lagerung nichts mehr, muss man sie erneuern. Nachdem die Führungsachse herausgezogen ist, lässt sich die Schwinge aus dem Rahmen nehmen. Handelt es sich um eine Maschine mit Kettenantrieb, ist das Fahrwerksteil im Antriebsbereich meist dick mit Dreck verkrustet. Bevor man sich ans Austauschen der Lager macht, wird das Teil sauber gewaschen. Lässt sich eine abgewirtschaftete Kunststoffbuchse mit einem Schraubenzieher rauspopeln, braucht man für den Ausbau der Metallbuchsen oder Nadellager ein Spezialausziehwerkzeug. Sind die alten Lager draußen, wird das Innenrohr gesäubert. Beim Einschlagen der neuen Lager muss man darauf achten, dass die Kanten nicht beschädigt werden. Wer kein Spezialwerkzeug zur Hand hat, kann sich mit einer passenden Nuss helfen. Lager, Innenrohr und Schwingenachse werden gut gefettet.
Das korrekte Anzugsmoment für die Schwingachse erfolgt nach Herstellerangabe. Ist die Achsmutter mit einem Sicherungsblech gesichert, versteht es sich von selbst, dass man ein neues verwendet. Der weitere Zusammenbau erfolgt in umgekehrter Reihenfolge.


"Die Radlager"

Die Lagerung der Laufräder erfolgt in Rillen- oder Kegelrollenlagern. Defekte Radlager sind keine Seltenheit. Besonders anfällig sind ungenügend gekapselte Bauteile. Wird das Bike obendrein noch regelmäßig mit dem Dampfstrahler gereinigt, ist der Lagertod vorprogrammiert. Genau wie verschlissene Steuerkopf- und Schwingenlagerung wirken sich kaputte Radlager katastrophal auf die Straßenlage und Fahrsicherheit aus. 
Wie weit die Lager noch in Schuss sind, lässt sich erst beurteilen, wenn das Rad ausgebaut ist. Mit dem Finger wird der Lagerinnenring gedreht.




Leichtgängig, ohne zu hakeln oder dass Spiel spürbar ist, muss sich der Innenring drehen lassen. Defekte Lager sind sofort zu erneuern. In vielen Fällen lohnt es sich, die Teile nicht im Motorradgeschäft, sondern im Fachhandel zu besorgen. Da es sich fast immer um gängige Normteile handelt, sind die Lager im Fachgeschäft meist nicht nur sofort verfügbar, sondern auch um etliches preisgünstiger. Grundsätzlich sollten nur beidseitig geschlossene Lager mit Dauerfettfüllung als Ersatz eingebaut werden.
Beim Herausschlagen des alten Lagers kann es ähnliche Probleme wie beim Steuerkopflager geben. Das Werkzeug rutscht immer wieder vom Lagerring ab. Mit dem Schutzgasschweißgerät werden zwei Schweißpunkte aufgesetzt und mit diesen Rausschlaghilfen lassen sich die verschlissenen Teile mühelos herausbekommen.




Problematisch, aber nicht hoffnungslos, ist die Lage, wenn der Lagersitz in der Radnabe ausgeschlagen ist. Wer nicht selbst in der Lage ist, die Nabe auszudrehen und einen Zwischenring einzusetzen, kennt sicherlich einen Kollegen, der weiterhelfen kann.


Ob mit einem speziellen Einschlagdorn oder einer passenden Nuss, das Einsetzen der neuen Radlager ist nicht die Welt. 
Mit sachten Hammerschlägen rutscht das Bauteil in den Lagersitz. Wird das Lager mit einem Sicherungsring gesichert, empfiehlt es sich, einen neuen zu verwenden. Radnabe und Achse werden zum Abschluss gut eingefettet und das Rad wieder eingebaut.

Die Lagerung ist nun perfekt! 


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