Technik


TÜV-Report

"Alles Plaketti"


Alle zwei Jahre müssen unsere Bikes zum TÜV.
Wer Hektik, Stress und unnötige Kosten vermeiden will,
sollte vor dem Termin die Maschinerie gründlich putzen
 und sorgfältig checken.

Text&Fotos: Winni Scheibe

 

Es soll Motorradfahrer geben, die den Weg zum TÜV mehr fürchten als der Teufel das Weihwasser. Die Angst vorm sogenannten "TÜV-Beamten" sitzt tief. Fast jeder Motorradfahrer hat da schon seine einschlägigen Erfahrungen gemacht. Oftmals allerdings auch kein Wunder. Wer nämlich mit seiner ölversifften und dreckigen Kiste zur Prüfstelle fährt, kann sich von vornherein auf eine strenge Kontrolle gefasst machen. Ist das Bike obendrein auch noch technisch "mies drauf", ist die Chance, die TÜV-Plakette zu bekommen, gleich Null. Um sich diesen Stress zu ersparen, empfiehlt es sich, vorab das geliebte Gefährt nicht nur picobello zu putzen, sondern es auch gründlich durchzuchecken. Letztendlich erspart man sich damit Geld und Ärger.

 

Auch wenn es manche hassen, die große Putzaktion hat etliche Vorteile. Das Bike steht nicht nur blitzblank da, beim Wienern lassen sich kleine und große Defekte finden. Zum einfachen Check gehört die Überprüfung des Lichts und der Hupe. Handelt es sich um ein älteres Semester, sollte man die Reflektoren aller Beleuchtungseinrichtungen genauer unter die Lupe nehmen. Mit der Zeit wird besonders der Scheinwerfer "blind" und die Lichtausbeute verschlechtert sich. Einen neuen Reflektor-Einsatz gibt es in jedem Motorradgeschäft oder im Kfz-Zubehörhandel. Er kostet zwischen 20 bis 60 Euro. Hin und wieder kann es passieren, dass in den Blinklampen Wasser steht. Beschädigte Abdeckungen muss man selbstverständlich erneuern. Hierbei ist darauf zu achten, dass nur Ersatz mit Genehmigungszeichen verwendet werden und dass man die Einbaulage beachtet!

 

Die Fahrgestellnummer, die Motornummer und das Typenschild müssen sich gut lesen lassen. Bereifung, Laufräder, Fahrwerkslagerung und Bremsen verlangen dagegen größere Beachtung. Die Reifengröße und falls vorgeschrieben die Reifenmarke, muss mit den Angaben in den Fahrzeugpapieren übereinstimmen. Auch die Laufrichtung und Profiltiefe ist natürlich wichtig. Der TÜV beanstandet zwar nur eine Profiltiefe unter 1,6 mm, doch für die Fahrsicherheit sind 2 mm bedeutend besser. Beim Pneu-Check wird die Decke rundherum auf äußere Beschädigung mituntersucht. Hat sie Risse oder ist porös, muss man den Reifen, auch wenn er noch genügend Profil aufweist, unbedingt erneuern!

Drehen sich Speichenräder im Bike, müssen die Speichen fest sein. Durch Zusammendrücken zweier gegenüberliegender Speichen lässt sich feststellen, ob sie fest sitzen oder nicht. Experten überprüfen den Sitz der Speichen mit einem Schraubendreher, sie schlagen gegen eine Speiche; klingt der Ton hoch, ist sie fest, macht es nur dumpf "Klack" ist die Speiche locker.

Die Radlager dürfen kein Spiel haben. Steht die Maschine sicher auf dem Hauptständer, lässt sich die Hinterradschwinge auf Spiel überprüfen. Mit einer Hand wird das Fahrzeugheck festgehalten, mit der anderen das Hinterrad hin und her bewegt. Auch hier sollte kein Lagerspiel spürbar sein.

Nur ein tadelloses Lenkkopflager, es darf weder zu fest noch zu locker sein, garantiert Fahrsicherheit. Zur Kontrolle nimmt man die beiden Gabelenden in die Hände und bewegt das Vorderrad vor und zurück und schlägt die Lenkung von Anschlag zu Anschlag. Für diese Überprüfung ist allerdings Erfahrung erforderlich. Wer sich eine entsprechende Beurteilung nicht zutraut, sollte einen bewanderten Motorradfreund um Hilfe bitten. Auf jeden Fall muss das Steuerkopflager spielfrei sein und darf keinen Rastpunkt haben.


Kontrolle des Schwingenlagers...

...und ist das Steuerkopflager spielfrei?

Scheibenbremsbeläge haben in den meisten Fällen Verschleißmarkierungen. Mit einem Blick an der Bremsscheibe entlang lässt sich in den meisten Fällen die aktuelle Belagstärke erkennen. Die Bremsscheibe darf keine tiefen, umlaufenden Riefen aufweisen. Aber auch der Bremsflüssigkeitsstand im Vorratsbehälter gibt Aufschluss über den Zustand der Bremsanlage. Befindet sich nur noch wenig dieser lebenswichtigen Brühe im Bottich, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass die Beläge verschlissen, abgewetzt, sind. Werden neue Klötze montiert, steigt der Pegel wieder.

 


...hat die Bremsscheibe vielleicht Riefen...

... und sind die Bremsbeläge in Ordnung?

Welche Qualität die Bremsflüssigkeit hat, lässt sich mit bloßem Auge nicht erkennen, und sie wird vom TÜV auch nicht geprüft. Wer hier auf "Nummer sicher" gehen will, wechselt prinzipiell jedes Jahr, spätestens aber alle zwei Jahre den lebenswichtigen Saft. Welche Bremsflüssigkeit mit welcher DOT-Kennung zu verwenden ist, schreibt jeder Fahrzeughersteller genau vor. Der Verschleiß von Bremsbelägen in Trommelbremsen lässt sich teilweise an den Verschleißmarkierungen auf der Ankerplatte erkennen. Mit gleicher Aufmerksamkeit werden die Bremsleitungen, Bowdenzüge und die Funktion des Bremsgestänges geprüft. Sämtliche Wartungsarbeiten an der Bremsanlage aber bitte nur in der Fachwerkstatt ausführen lassen!

 

Wann die "Hauptuntersuchung" fällig ist, zeigt der TÜV-Stempel auf dem Nummernschild und das Datum in den Kfz-Papieren. Hat man diesen Termin überzogen und wird von der Polizei erwischt, hagelt es Bußgeld, und es gibt Punkte in Flensburg.

Vollkommen falsch ist die weitverbreitete Meinung, dass ein frischer TÜV-Stempel der Beweis für ein technisch 100%iges Fahrzeug ist. Bei Motorradangeboten wird gern der Hinweis gegeben: zwei Jahre TÜV. Eine Garantie, wie zum Beispiel Gebrauchthändler sie bieten, ist das nämlich längst nicht.

Bei der Hauptuntersuchung wird vom Sachverständigen lediglich der technische Zustand, in dem das Fahrzeug momentan ist, geprüft. Befinden sich zum Beispiel die Reifen oder Bremsbeläge kurz vor ihrer Verschleißgrenze, muss der TÜV-Fachmann den Fahrzeugführer zwar auf diesen Umstand hinweisen, darf, sofern das Fahrzeug sonst in Ordnung ist, die Plakette aber nicht verweigern. Für den betriebs- und fahrsicheren Zustand des Gefährts ist ausschließlich nur der Fahrzeughalter und der Fahrer verantwortlich! Stellt eine Polizeistreife in einer Verkehrskontrolle defekte Bremsen, abgefahrene Reifen, eine zu laute Auspuffanlage oder kaputte Lampen fest, hilft die Ausrede "komme gerade vom TÜV" überhaupt nichts.

 

Ist das Motorrad gut vorbereitet, kann man beim TÜV dennoch sein blaues Wunder erleben. "Viele Motorradfahrer finden es besonders schick, wenn sie die hintere Radabdeckung (inklusive des Rückstrahlers) absägen oder abmontieren", erzählt TÜV-Fachmann Peter Köhler vom TÜV Rheinland/ Berlin-Brandenburg in Berlin. "Legt man in Fahrzeuglängsrichtung eine waagrechte Linie durch die Hinterradachse, darf der Abstand zwischen dieser Linie und dem Schutzblechende, aber nicht dem Kennzeichen, das zählt nicht, bei unbelastetem Fahrzeug, nicht mehr als 150 mm betragen. Diese Vorschrift hat sicherlich ihre Berechtigung. Hochgeschleuderte Steine können zum Beispiel Windschutzscheiben von PKWs beschädigen, die wiederum der Teilkasko-Versicherung gemeldet werden und so indirekt zur Erhöhung der Tarife beitragen."

Zum Thema Seitenständer gibt es auch einiges zu berichten. "Nachdem es vor einiger Zeit noch TÜV-Stellen gab, die dem Seitenständer keine Beachtung geschenkt haben, gibt es jetzt eine eindeutige Absprache", plaudert der Sachverständige aus dem Nähkästchen. "Wird die Maschine aufgerichtet, muss der Seitenständer, zum Beispiel von zwei Federn gezogen, selbständig einklappen. Ist die Seitenständerkonstruktion so ausgelegt, dass er ausgeklappt bleibt, muss eine elektrische oder mechanische Sicherungsvorrichtung dafür sorgen, dass man mit der Maschine nicht losfahren kann."

 

Nach den Routinekontrollen absolviert der Inspekteur in aller Regel eine Probefahrt. Hierbei beobachtet er die Geräuschentwicklung des Triebwerkes, das Ansprechverhalten der Federelemente, das Fahrverhalten, die Wirkungsweise der Bremsanlage und den Geschwindigkeitsmesser.

Wer Zubehör montiert, sollte darauf achten, dass eine ABE, ein Technischer Bericht, ein Teilegutachten nach §19 StVZO, oder bei Reifen eine Freigabe des Fahrzeugherstellers oder einer TÜV-Prüfstelle, mitgeliefert werden. "Zubehörfederbeine, aber auch ein nachträglich anmontierter Lenkungsdämpfer oder Gabelstabilisator sind eintragungspflichtig", betont TÜV-Experte Peter Köhler ausdrücklich. "Das gilt auch für Auspuffanlagen, Umrüstreifen, Verkleidungen, Lenker, Fußrastenanlagen und vieles mehr, sogenannte `Sonder-Bauteile´, die nicht serienmäßig zum Fahrzeug gehören."

Nicht zum "TÜV" muss man mit Teilen, die eine ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis) haben und daher nicht von einer Anbauabnahme abhängig sind. Die ABE muss aber mitgeführt werden um auf Verlangen der Polizei vorgezeigt werden zu können.

Bei den "Eintragungen" überprüft der TÜV, ein freier Sachverständiger oder die DEKRA ob das Bauteil ordnungsgemäß angebracht ist und begutachtet gegebenenfalls die Wirkungsweise.
Seit 1.1.1994 gibt es das sogenannte Teilegutachten nach § 19.3 StVZO. Viele Dinge brauchen nicht mehr sofort im Kfz-Brief eingetragen werden. Der Sachverständige überprüft lediglich den ordnungsgemäßen Anbau und bestätigt auf der mitgelieferten Anbaubestätigung die Kontrolle. Der Vorteil ist weiterhin, dass man anschließend nicht mehr zur Zulassungsstelle rennen muss, um den Kfz-Schein ändern zu lassen. Man kann das zum Beispiel bei Ab- oder Ummeldung (Halterwechsel) erledigen. Wie bei der ABE ist die Anbaubestätigung jedoch immer mitzuführen und auf Anordnung "befugten" Personen vorzuzeigen. Auf Wunsch kann der Sachverständige aber auch weiterhin alles im Brief eintragen.


TÜV-Richtlinien in Zahlen und Fakten

Die TÜV-Prüfungen lassen sich in drei Gruppen einteilen:

1. Die regelmäßige Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO.

2. Die technischen Änderungen nach
§19 StVZO bzw. § 21 StVZO.

3. Die Voll- oder Einzelabnahme nach § 21 StZVO von Importfahrzeugen, Eigenbauten oder Motorrädern, die länger als ein Jahr abgemeldet oder noch nie (in Deutschland) zugelassen waren.

* Alle zwei Jahre müssen Leichtkrafträder, Roller und Motorräder zur Hauptuntersuchung. Kosten derzeit 32 Euro.

* Motorräder, die nach dem 1.1.1962 erstmalig in Betrieb genommen wurden, brauchen eine Blinklichtanlage. Ab dem 1.1.1988 ist für Neufahrzeuge ein Bremslicht und seit dem 1.1.1990 ein linker und rechter Rückspiegel vorgeschrieben.

* Ab dem 1.1.1989 werden nur noch Motorräder mit einem Abgasgutachten zugelassen. Das ist auch bei Nachrüst- Auspuffanlagen zu beachten, die auch diesbezüglich geprüft sein müssen. Hier sei auch noch mal darauf hingewiesen, dass bei Nachrüstanlagen der Fahrgeräuschwert gemäß ABE des Fahrzeuges nicht überschritten werden darf.

* Entstörte Kerzenstecker und Zündkerzen sind grundsätzlich erforderlich.

* Eintragungen, nach Paragraph 19. Abs.2 der StVZO, sind für fast alle nicht serienmäßigen Fahrzeugbauteile erforderlich. Ohne ABE oder Gutachten werden normalerweise keine Umbau-, Nachrüst-Bauteile oder andere Reifen vom TÜV abgenommen.

Kosten 25 bis 50 Euro.

Allerdings sei erwähnt, dass der Sachverständige im Prinzip fast alles prüfen und eintragen kann. Hier empfiehlt sich die Suche nach einem "Spezialisten", der auf dem gewünschten Terrain besonderen Sachverstand hat.

* In Voll- oder Einzelabnahme werden Neufahrzeuge ohne ABE, neue und gebrauchte Importfahrzeuge, Eigenbauten und alle Fahrzeuge, die länger als ein Jahr (Kosten ca. 100 Euro) abgemeldet waren, begutachtet.

Wer ein Motorrad selbst importieren will, sollte sich vorher mit der TÜV- Stelle in Verbindung setzen und abklären, welche Dinge zu beachten sind und wie teuer der Spaß wird. Das Gleiche gilt auch für Eigenbauten, Oldtimer oder Fahrzeuge ohne Papiere.

Grundsätzlich sollte man berücksichtigen, dass nicht jeder Sachverständige jeden Fahrzeugtyp gleich intensiv kennen kann! Es leuchtet wohl jedem ein, dass der TÜV-Experte, der selbst Motorradfahrer ist, zu diesem Thema größere Ambitionen hat. 


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