Mobilität und Umwelt

Ein Bericht von Winni Scheibe aus dem Jahr 1992 zum Thema:
"Katalysator für Motorräder" 

Freifahrtschein in die Zukunft und in die City?
 

Motorradfahrern steht bald eine harte Zeit bevor. Autos sind
mittlerweile ab Werk mit Katalysatoren ausgerüstet, und BMW
hat weltweit als einziger Hersteller mit der K1 bewiesen, dass bei Motorradtriebwerken sogar der geregelte Kat serienmäßig
unterzubringen ist. Doch fast alle anderen Motorräder düsen auch
weiterhin ohne nennenswerte Abgasentgiftung herum.

Text&Fotos: Winni Scheibe



Biker gehören zweifellos zu den Naturfreunden. Mit der "Nase im Wind" sind sie mit der Umwelt eins. Sie riechen, schmecken und spüren das Wetter. Motorräder benötigen nur wenig Park- und Verkehrsraum und sind umweltfreundlich. Im Prinzip also ideale Allzweck-Fahrzeuge. Sie brauchen viel weniger Sprit und produzieren bedeutend geringere Abgase als PKW-Triebwerke, wird jedenfalls überall geschrieben und behauptet. Doch Pustekuchen.


Dicke Luft

 


BMW K1


Ob in Berlin oder anderen deutschen Großstädten, in diesem Jahr wird "die Luft hier noch dicker". Die Kommunen wollen hart durchgreifen und haben bereits knallharte Verbote in der Schublade! Wer demnächst mit seinem Vehikel in die City will, braucht eine G-Kat-Plakette. Was sicherlich auch für Motorräder gilt. Doch bis auf die BMW K1 gibt es bislang noch kein weiteres Serienbike mit geregeltem Dreiwege-Katalysator. Für die anderen BMW K Modelle wird jeweils ein ungeregelter Kat optional angeboten. Bei den Boxern sorgt das "SLS" (Sekundär-Luft-System) für eine Verringerung der Schadstoffe. Aus Italien können jetzt - als Sonderausstattung - einige Moto Guzzi und Ducati Modelle auch mit ungeregeltem Kat geordert werden. Die japanische Motorradindustrie hat jedoch die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien verschlafen!

 


Hohe Verbrauchswerte

 


Petro-Formel-4
Pro Lauf bekommen die Rennteilnehmer nur vier Liter bleifreien Kraftstoff


Wer sich die durchschnittlichen Verbrauchswerte ansieht, wird kaum ein Motorrad finden, das weniger als fünf Liter auf 100 Kilometer verbrennt. Und Werte über acht Litern pro 100 km sind auch keine Ausnahme, sondern eher die Regel!
Wie viel Sprit sich die Motorradmotoren unter Extrembedingungen reinziehen können, haben Verbrauchsmessungen von Moto-aktiv im Rahmen der Petro-Formel-4 gezeigt. In dieser Spritsparklasse bekommt jeder Teilnehmer pro Rennlauf nur 4 Liter Sprit. Da braucht dann eine Suzuki RGV250 (52 PS) hochgerechnet 11 Liter/100 km, eine Kawasaki GPZ500 S (60 PS) 9,3 Liter/100km, eine Yamaha FZR750R (100 PS) 11 Liter/100km und die BMW K100RS (100 PS) 10,5 Liter/100km! Doch solche Tests stellen die Ausnahme dar. Alle anderen reden immer nur über Leistung und Höchstgeschwindigkeit.
Hinsichtlich des Schadstoffausstoßes schneiden Motorradtriebwerke im Vergleich zu Autos schlecht ab. Vor zwei Jahren (1990) hat das Institut für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Berlin im Auftrage des Umweltbundesamtes in einem exemplarischen Vergleich die gesetzlichen Abgasgrenzwerte von Autos und Motorrädern gegenübergestellt. Im Schnitt dürfen Motorräder mit Zweitaktmotor sechs Mal mehr und mit Viertakt-Triebwerken sogar sieben Mal mehr Schadstoffe in die Luft blasen!



Japaner schlafen länger

 



Autos erhalten eine G-Kat-Plakette


Der geregelte Dreiwege-Katalysator gehört beim Auto längst zur Selbstverständlichkeit. Bei Motorradherstellern (einzige Ausnahme die BMW K1) hat er offensichtlich immer noch keine Bedeutung. Fragt man die japanischen Manager, warum sie ihre Fahrzeuge weiter ohne Kat verkaufen, lautet die Antwort: "Die Abgasentwicklung unserer Motorradmotoren liegt weit unter den gesetzlichen Grenzwerten (!), daher ist der Kat für uns kein Thema." - Muss denn erst der Gesetzgeber neue zwingende Normen erlassen, damit die fernöstliche Industrie wach wird?
Der Dornröschenschlaf wird nicht mehr lange dauern. Zur Bewältigung der aktuellen Probleme stehen nicht all zuviel Alternativen zur Verfügung: Tempolimits, Fahrverbote, und Beschränkung für bestimmte Fahrzeuge... Eine verschärfte Abgasgrenzregelung liegt bereits in der Schublade; und in Brüssel wird emsig an einer EG-Regelung gebastelt, die Ende des Jahres vorgelegt werden soll.


Technische Probleme gelöst

 


Metall-G-Kat von Paul Wurm


Bis vor vier Jahren galt der Kat im Motorradauspuff als schier unlösbares Problem. Erst als der "Metall-Kat" serienreif war, änderte sich die Situation. Ein ungeregelter Dreiwege-Katalysator reduziert die Schadstoffe im Schnitt auf 50 Prozent. Bedeutend wirksamer ist der geregelte Dreiwege-Katalysator. Er vermindert die drei Hauptschadstoffe: Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoff (HC) und die Stickoxide (NOx) jeweils um etwa 90 Prozent!
Bis heute vertreten viele "Fachleute" aber immer noch eine negative Meinung. Als Hauptargument gegen den Motorrad-Kat werden Leistungsverlust, erhöhter Spritverbrauch, kurze Lebensdauer und Krebsrisiko des Bauteiles in die Diskussion eingebracht. Alle Untersuchungen hinsichtlich der Wirksamkeit der Kats bescheinigen aber, dass nicht der Kat, sondern das Motormanagement - Zündsystem, Einspritzanlage, Vergaserregelung, Luftfilter oder Motormechanik - die Schwachstellen bei der Abgasentgiftung sind. Es ist auch bekannt, dass Platin Krebs erregen kann. Die im Metall-Kat freiwerdenden Mengen sind jedoch so minimal, dass dieses Risiko gegenüber den ohne Kat freigesetzten Schadstoffmengen vernachlässigt werden muss.
Für "Speedfreaks" sind bestimmt die Motorleistungsmessungen mit Nachrüst-Kat-Anlagen interessant. Bei fast allen Prüfstandsmessungen können Leistungssteigerungen im mittleren Drehzahlbereich registriert werden. Und 95 Prozent des Fahrbetriebes spielen sich in diesem Bereich ab. Die Spitzenleistung ändert sich dagegen so minimal, dass von einem Leistungsverlust keine Rede sein kann. Einen weiteren Vorteil zeigen die Geräuschmessungen. Gut 2 bis 3 db (A) liegen die Kat-Anlagen unter den Standardwerten. Und der Benzinverbrauch senkt sich zu guter Letzt im Schnitt um 0,5 bis 1 Liter pro 100 km.


Nachrüst-Kat-Anlagen

 


"Metall-Kat" von Zulieferer Proterra
 


Inzwischen werden von mehreren Zubehörfirmen Nachrüst-Kat-Anlagen für fast alle Motorräder angeboten. Proterra-Kats (500 bis 900 Mark, bei Hein Gericke erhältlich) werden nachträglich in den Auspuffkrümmer geschoben. Dagegen sind bei Sebring, Remus und L&W die Kats bereits in die Edelstahl-Auspuffanlagen (ca. 1500 DM, im Fachhandel erhältlich ) eingebaut. Hier handelt es sich um ungeregelte Kat-Anlagen.
Nägel mit Köpfen macht Paul Wurm aus Stuttgart. Mit einem ausgetüftelten Motormanagement rüstet er Vergaser-Motoren mit geregelten Kat-Anlagen (ca. 1300 DM, nur bei Wurm in Stuttgart erhältlich) aus. Fahrzeuge, die mit dieser Anlage bestückt sind, bewirken 90 Prozent Schadstoffminderung und nur sie können, wie die BMW K1, eine G-Kat-Plakette erhalten!
Umweltbewusste Biker, die ihre Maschine nachträglich mit einem Kat ausrüsten wollen, bleiben aber trotz ihres guten Willens die Gelackmeierten. Im Gegensatz zu den Automobilisten erhalten sie weder einen finanziellen Zuschuss, noch bekommen sie irgendeinen Steuernachlass.


Wichtig!
Dieser Bericht stammt aus dem Jahr 1992!


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