Mobilität und Umwelt


Symposion "Motorrad und Umwelt" am 25. September 2000 in Berlin

Motorrad und Umwelt

"Das ist die Zukunft!"




Motorrad und Umwelt war in der alten "Bonner-Regierung"
kein Thema. Das hat sich in Berlin gründlich geändert,
man meint nämlich: Motorräder stinken, schlucken zuviel Sprit
und sind zu laut. Ein Bericht in drei Kapiteln.

Text&Foto: Winni Scheibe


Erstes Kapitel: 
"Wichtig ist, was hinten raus kommt!"


In den letzten zehn Jahren hat sich der Bestand motorisierter Zweiräder bundesweit auf 3,34 Millionen Fahrzeuge mehr als verdoppelt, der Trend zum Motorrad ist ungebrochen. Moderne Bikes werden mit Hightech-Fahrwerken und futuristischem Design verkauft, dagegen mutet die Abgasminderung altertümlich an. Ändert sich daran nichts, sind Motorräder im Jahr 2020 für etwa 20 Prozent der verkehrsbedingten HC-Emissionen verantwortlich, und das, obwohl sie nur 2-3 Prozent des Verkehrsaufkommens ausmachen", warnte Gila Altmann vor einem bevorstehenden Szenario und fügte gleich hinzu: "Ebenfalls erschreckend hoch sind die Benzinverbräuche. Es kann nicht angehen, dass ein Motorrad ebensoviel oder mehr verbraucht als ein viermal schwereres Auto, das wiederum nur ein Bruchteil Schadstoffe ausstößt."

     

Abgasmessung

Als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (B90/Grüne) ist Gila Altmann in der Regierung für Motorradangelegenheiten zuständig. In ihrer Freizeit fährt sie eine Yamaha 650 Drag Star mit nachgerüstetem G-Kat, sie kennt die Problematik und weiß, wovon sie spricht.

Das Thema Motorrad hat in der Berliner Politik längst einen festen Platz eingenommen. Beachtenswert, dass die Parlamentarier den Dialog zu Industrie und Fachleuten suchen. Das ist neu und kann nicht hoch genug bewertet werden. Ein erster Schritt war das Symposion "Motorrad und Umwelt" am 25. September 2000 in Berlin. Insgesamt kamen gut 100 Experten aus Industrie, Verbänden, Behörden und Politik. Honda nahm das Meeting sogar so wichtig, dass man gleich vier Ingenieure aus Japan einfliegen ließ.

   
Gila Altmann


Gila Altman mit japanischen Honda Managern


Bei aller politischen Häme, ein Ass zog Gila Altmann jedoch aus dem Ärmel und versprach: Besitzer extrem schadstoffarmer Bikes können demnächst mit bis zu 500 Mark Steuererleichterung rechnen. Die Regierungs-Motorradexpertin schränkte aber sofort ein, dass auf "Stinkemöhren" bald ein erhöhter Steuersatz zukommt. Bisher kosten Bikes 14,40 DM pro 100 ccm, bei Autos liegt der Höchstsatz dagegen bei 61,10 DM. Der wird allerdings demnächst auf 69,90 DM klettern, und ab 2005 will man die emissionsabhängige PKW-Steuerreglung auch bei Motorrädern anwenden    Zuständig für Abgasvorschriften ist jedoch nicht die Bundesregierung, sondern das Europäische Parlament in Brüssel, das beim Symposion vom EU-Abgeordneten Bernd Lange vertreten wurde.



Weltweit 1993 die erste Vergaser-Honda mit G-Kat


Wir wollen das Motorradfahren nicht verbieten, aber es muss unbedingt umweltverträglicher werden", mahnte der EU-Schadstoffexperte und bekennende Biker. "Für die nächsten Jahre haben wir schrittweise eine Verschärfung der Abgaswerte vorbereitet. Die Euro2 soll ab 2003 und die Euro3 ab 2006 wirksam werden. Handlungsbedarf besteht auch bei der Abgasuntersuchung, wir brauchen schleunigst einen praxisgerechten Motorradtest. In beiden Fällen appellieren wir an die Industrie, möglichst schnell technische Lösungen anzubieten", ließ Bernd Lange pragmatisch wissen.
Viel Zeit bleibt jedoch nicht. Die Bundesregierung hat sich nämlich verpflichtet, die CO2-Emissionen, die für den Treibhauseffekt verantwortlich sind, im Jahresvergleich von 1990 bis 2005 um bis zu 25 Prozent zu senken. Und das betrifft eben nicht nur Fabriken, öffentliche Gebäude und Haushalte, sondern auch den Verkehr.

Was Autohersteller können, darf und muss von der Motorradindustrie auch erwartet werden", stellte Dr. Axel Friedrich vom Umweltbundesamt unumwunden fest. Und das ist ernst gemeint. Ein Konzept für eine "Umwelt-Untersuchung-Motorrad", kurz UU-Motorrad, ist in Vorbereitung. Ähnlich wie bei der AU für Autos will man bei Motorrädern regelmäßig von TÜV und DEKRA Abgas und Lautstärke überprüfen lassen.

  
Dr. Axel Friedrich
 
Dr. Markus Braunsperger   

Dr. Markus Braunsperger, Entwicklungsleiter bei BMW, widersprach in einigen Punkten. Zu Recht verwies er auf das freiwillige Umweltengagement seines Unternehmens. Alle BMW Motorräder sind inzwischen serienmäßig mit modernem Motormanagement, Einspritzanlage und G-Kat ausgestattet. BMW darf sich auf diesem Gebiet weltweit getrost als Vorreiter bezeichnen. Auch Michael Thiem von Honda R&D konnte zwölf Honda Modelle benennen, die bereits heute die Euro2 (ab 2003 gültig) erfüllen, und bis 2001 will Honda bereits die Hälfte aller bei uns angebotenen Maschinen nur noch mit G-Kat verkaufen. Die anderen Motorradhersteller und Importeure
wurden durch den IVM repräsentiert.


"Laut ist out!"


Neben hohen Abgas- und Verbrauchswerten wurde auch das Lärmproblem diskutiert. Einen Praxisbeitrag lieferte Albert Lechner vom Polizeirevier Hechingen. "Bis Mitte der 90er Jahre war es für uns kein Problem, sogenannte Knalltüten von Serienauspuffanlagen zu unterscheiden. Bei Kontrollen ließen sich die schwarzen Schafe schnell herausfiltern", referierte der engagierte Polizist, der seit über 20 Jahren aktiver Motorradfahrer ist.
"Seitdem es allerdings Zubehöranlagen mit EG-ABE gibt, wird es für uns immer schwerer, dem Störenfried ein Überschreiten der Lautstärke nachzuweisen. Nach unseren Erfahrungen erfüllen diese Nachrüst-Schalldämpfer zwar das Standgeräusch, im Fahrbetrieb liegt der Lärm dann jedoch deutlich über den erlaubten 80 dB (A). Diese Anlagen kommen legal, wie auch immer, europaweit geprüft auf den Markt. Bei den Kontrollen sind uns die Hände gebunden, wir können nichts tun."
Aber nicht nur Zubehöranlagen, auch heutige Serienmaschinen sind den Politikern bei extrem hochtouriger Fahrweise noch zu laut. Sie fordern eine weitere Reduzierung der Fahrgeräusche von 80 auf 74 dB (A), sowie eine praxisorientierte Messmethode, die sich auch bei mobilen Geräuschkontrollen vor Ort anwenden lässt. Ein Vorhaben, das bei der Industrie jedoch auf wenig Gegenliebe stößt. Viel leiser lassen sich Serienmaschinen, ohne schallschluckende Verkleidungen, kaum noch herstellen, so die Einstellung.
Zum Abschluss moderierte Gila Altmann die Podiumsdiskussion. Jeder kam zu Wort, Politik, Umwelt, Industrie, TÜV und Verbände; Pro und Kontra wurden sachlich vorgetragen. An politischen Argumenten sowie jeder Menge Zahlen und Fakten mangelte es weiß Gott nicht. Jeder hatte seine Position bezogen, von einem Konsens war jedoch leider wenig zu spüren.


"Fazit"

Vorweg das Positive: Noch nie hatten wir eine Generation von Politikern und Regierungsbeamten, die so eng mit dem Motorrad verbunden sind. Sie wissen, wovon sie reden, sie verfügen über Sachverstand und Kompetenz, und sie lassen sich kein X für ein U vormachen.

Alles können sie aber auch nicht wissen, und wenn doch, hätte man es ihnen ruhig noch mal sagen können.

Zum Beispiel, dass außer BMW und Honda auch Triumph und Yamaha erste G-Kat Maschinen im Programm haben. Dass andere Hersteller mit Sekundär-Luftsystem oder U-Kat den Schadstoffausstoß beachtlich reduzieren. Es gibt viele weitere Gründe, die fürs Motorrad sprechen: die vielen Sicherheits-, Fahrer- und Renntrainings sowie Hobbyrennen, Heizer brauchen sich so nicht auf der Landstraße austoben, ein ständiger Rückgang der Unfallzahlen, Fahrschulen, die ökologisch ausbilden, und, und, und...

Zum Schluss eine ganz persönliche Anmerkung. Seit Jahren veraltet die Motorradszene, es fehlt der Nachwuchs. Vielleicht deswegen, weil es kaum umweltverträgliche Bikes mit G-Kat gibt. Hat darüber schon mal einer nachgedacht?


Zweites Kapitel: 
"Bereits 1990 die Vordenker"

 

In einer Podiumsdiskussion verkündete SPD-Starpolitiker Oskar Lafontaine Ende 1989 selbstbewusst: "Sobald wir an die Macht kommen, drehen wir euch Motorradsportlern den Hahn zu. Der Nürburgring wird dichtgemacht, und das ist erst der Anfang".

Geschockt über diese wundersamen Ansichten diskutierte ich mit Peter Frohnmeyer, Rennfans als einer der erfolgreichsten 125er GP-Privatfahrer aus den 70er Jahren im Gedächtnis, über diese Offenbarung. Wir waren uns schnell einig, dass die Zeiten, in denen der Motorsport Entwicklungsgrundlage für eine spätere Serienfertigung darstellte, längst vorbei waren. Es sei denn, man ließe sich etwas vollkommen Neues einfallen. So kamen wir auf die Idee für die “Petro-Formel“: eine Rennklasse, die wir 1991 und 1992 im Rahmen der Moto Aktiv Serienmaschinen-Meisterschaft organisierten. Sinn der Petro-Formel war es, die Tuningtätigkeit in eine andere Richtung zu lenken: sparsamer Benzinverbrauch bei maximaler Leistung. Für das rund 50 Kilometer lange Sprintrennen bekam jeder Teilnehmer kurz vor dem Start nämlich nur vier Liter bleifreien Kraftstoff in den Tank. Wer im gut besetzten Starterfeld mit dieser Spritmenge als erster ins Ziel kam, war Sieger. Leider standen die Zeichen der Zeit gegen die zukunftsweisende Rennklasse; 1993 wurde sie ersatzlos gestrichen. Kaum auszudenken, welche Vorbildfunktion und welchen Stellenwert die Petro-Formel heute einnehmen könnte.


Die Vordenker:
Winni Scheibe und Peter Frohnmeyer


Die nächste Aktion ließ nicht lange auf sich warten. In gut einem Jahr Entwicklungszeit rüsteten wir Peters Honda RC 31 Hawk in Zusammenarbeit mit dem Kat-Spezialisten Paul Wurm, Manfred Lottig vom RW-TÜV, Stefan Leiber von Dynotec sowie der Abgasprüfstelle vom TÜV-Südwest mit einem geregelten Abgaskatalysator aus. Weltweit hatten wir 1993 somit die erste Vergaser-Honda mit einem G-Kat auf die Räder gestellt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Bei gleichbleibenden Fahrleistungen und ohne jegliche Abstriche am Fahrspaß (!), reduzierten sich die Abgaswerte um rund 95 Prozent, der Spritverbrauch verringerte sich um 15 Prozent.

Jetzt fehlte nur noch die sogenannte G-Kat Plakette. Wir erinnern uns an die damals landauf, landab geführten Diskussionen eines Fahrverbotes bei Smog-Alarm, nur Autos mit G-Kat Plakette waren ausgenommen. Motorräder hatte der Gesetzgeber bei diesem Vorhaben vergessen. Auch kein Wunder. Außer wenigen Modellen von BMW und Yamaha gab es ja auch noch keine Maschinen mit Abgasreinigung.

Rund eineinhalb Jahre dauerte unser “Kampf“ mit den Behörden um den begehrten Aufkleber. Am 17. Oktober 1994 genehmigte dann aber doch das Hessische Umweltministerium die G-Kat Plakette und schrieb: "...darf ich ihnen alles Gute als Erster Motorradfahrer mit G-Kat Plakette in Hessen wünschen und danke Ihnen für Ihr Engagement in Sinne der Umwelt". Das ging runter wie Öl...

Das Medieninteresse für unsere "Motorrad und Umwelt"-Aktionen war beachtlich. Über die Petro Formel sowie den G-Kat-Einbau erschienen gut ein Dutzend Veröffentlichungen in Motorrad-Magazinen, in AutoBild, und sogar das ZDF brachte einen Beitrag. Geändert hat sich damals dadurch jedoch so gut wie nichts. Steuervergünstigungen für abgasgereinigte Motorräder, wie es im PKW-Bereich praktiziert wurde, gab es nicht. Bei den Behörden interessierte sich kaum jemand für die Problematik. Ihre Meinung: unwichtig, vernachlässigbar und für eine Minderheit ein viel zu großer bürokratischer Aufwand. Auch die Motorradindustrie, abgesehen von wenigen Ausnahmen, sah keinen Handlungsbedarf. Biker wollen Power, Speed und Spaß. Mit Umwelt und G-Kat braucht man denen erst gar nicht zu kommen, so die Argumentation...


Drittes Kapitel:
"Die Gruppe Motorradsport in der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e.V. leistet vorbildliche Lobbyarbeit"


Der "Bonner-Bart" ist ab, in Berlin weht ein frischer Wind. SPD und Grüne sind an der Macht, von Oskar Lafontaine spricht (fast) kein Mensch mehr, und zum Glück ist vieles ganz anders gekommen. Am letzten September-Wochenende 2000 starteten rund 80 wichtige Vertreter aus Politik und Industrie zu der Tour "Berlin-Schwerin". In 10 Gruppen aufgeteilt wollten die Promi-Biker Fahrspaß miteinander erleben, wollten Land und Leute und natürlich sich untereinander kennenlernen.

Organisiert hatte diese Freundschaftsfahrt die Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e.V. Damit aber kein falscher Verdacht aufkommt, den Spaß bezahlte nicht der Steuerzahler, bei der fraktionsübergreifenden Tour musste jeder Teilnehmer die Kosten selbst tragen. Das nur am Rande.



Koch, Naue, Köpke, Braunsperger, Bescher, Kuroi


Gleich in der ersten Gruppe waren die Spitzen-Manager Hubert Koch vom IVM, Jürgen Naue von Kawasaki, Norbert Köpke von Honda, Markus Braunsperger von BMW, Klaus Bescher von Honda, Hiromi Kuroi von Yamaha, und Andreas Kimmel von Ruhrgas unterwegs. Ebenso dabei waren die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Gila Altmann (B90/Grüne) und die Umweltsprecherin der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Ulrike Mehl, beide seit Jahren begeisterte Motorradfahrerinnen.

Das war die 4. Ausfahrt der Motorradsportgruppe, aber die erste mit so hochrangigen Persönlichkeiten aus der Motorradbranche und der Bundesregierung. Eine bessere Lobbyarbeit für unser Hobby kann man sich kaum wünschen. So etwas hat es in Deutschland bisher noch nie gegeben; fast könnte man glauben, alle säßen in einem Boot.



Wichtig!
Dieser Bericht stammt aus dem Jahr 2000!


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