|
Motorrad-Marken |
|
Münch-Story 7. Teil
Weltmeister
E-Power-Racer
Münch TTE-2 2010 & 2011 & 2012
Sounds of Silence

E-Bike Weltmeister #49 Matthias Himmelmann
Man hört und riecht nichts. Bis man merkt, dass es was zu sehen gibt,
ist es bereits zu spät. Mit einem "Surren" sind die Flitzer längst hinter
der nächsten Kurve verschwunden. Die Rede ist von Elektro-Bike-Rennen.
Text&Fotos: Winni Scheibe und Brigitte Haide
Archiv-Fotos Werk
|
|
 |
|
Oschersleben ist für
feinen Rennsport bekannt. Die Aktionen lassen sich in der übersichtlichen
Motorsport-Arena gut verfolgen, der kernige Racingsound ungetrübt
genießen. Am zweiten August-Wochenende 2012 standen bei der 15. German-Speedweek hochkarätige Rennen mit der FIM 8-Stunden
Endurance-Weltmeisterschaft und Sidecar-WM im Kalender. Dazu gab es Läufe
zur 4-Stunden Classic-Endurance, Classic-Superbike, SuperMono, SuperDuke
Battle und ICGP. Neben der Piste ein buntes Rahmenprogramm mit fetzigen
Rock-Konzerten. |
|

Münch Racing Team
Matthias Himmelmann, Ralf Ernst, Thomas Petsch, Thomas Schuricht, Katja
Poensgen |
|
Ein neues Kapitel im
Motorsport schlagen die FIM e-Power Internationale
Championship
und der
TTXGP European Championship auf.
Hier fahren fast lautlos und ohne
Abgase Elektro-Racer um die Wette. Favorit in beiden Meisterschaften ist
das Münch Racing Team aus Kassel-Lohfelden. |
|
Das Heimspiel sollte zum Höhepunkt der Saison
werden und Münch-Rennstallbesitzer Thomas Petsch
verrät: "Neben Matthias
Himmelmann und Katja Poensgen pilotierte unser Cheftechniker Thomas Schuricht das dritte E-Bike.
Um das Event entsprechend zu würdigen, hatten wir
aus dem Kreis unserer
Sponsoren
rund 150 Ehrengäste eingeladen." |

Teambesitzer Thomas Petsch mit Katja
Poensgen
|
|
|

|
|
#65 Katja Poensgen

#6 Thomas Schricht |
|
Fast wäre das Fest zur funkenden
Stromer-Megaparty geworden. Das Sprintrennen am Samstag gewann
Matthias Himmelmann vor Team-Kollegin Katja Poensgen. Thomas Schuricht
wurde von Ho Chi-Fung vom chinesischen Zongshen Racing Team auf dem
letzten Meter überholt und musste sich mit dem vierten Platz zufrieden
geben.
|
|
 |
|
Zongshen Racing Team
Rote Gefahr für die grünen Stromer aus Kassel

|
|

Fete in der Münch-Box
|
|
Trotzdem, mit Sekt, Blaskapelle und gebührendem
Applaus feierte man den Erfolg ausgelassen wie einen dreifachen Sieg.
Obendrein hatte Matthias Himmelmann eine beachtliche Rundenzeit von 1:38,5
Minuten auf den Asphalt gebrannt. Wer mit einem Supersport-Bike so eine
Zeit schafft, ist in Oschersleben richtig schnell. Ein toller Wert
für das E-Bike und ein weiterer Grund,
sich beim Münch-Team einen kräftigen Schluck zu gönnen.
|
|

|
|
Sonntag war das zweite e-Power-Rennen angesagt.
Alles sah nach einem Hattrick aus. Matthias Himmelmann und Katja Poensgen lagen bis zur
Halbzeit klar in Führung, Thomas Schuricht kämpfte im Mittelfeld. Doch dann
passierte das Unfassbare, alle drei Münch-E-Bikes bekamen Probleme mit dem
Energiemanagement. Schuricht wurde Fünfter, Himmelmann Sechster und
Poensgen verbuchte einen Ausfall. |
|

Thomas Petsch
|
So geräuschlos die
Positionskämpfe eben noch in der Motorsport-Arena stattfanden, so ruhig
blieb es anschließend in der Münch-Box und Thomas Petsch resümierte: "Ein
herber Rückschlag, dabei lief es anfangs so gut. Aber auch solche
Erfahrungen gehören zum Rennsport und schließlich handelt es sich bei
unseren E-Bikes um reinrassige Prototypen."
|
|
|
Viele Maschinen lassen sich am Klang erkennen
|
|

Münch-4 TTS 1200 "Mammut" von 1973 |
|
Bisher galt immer, ob im Rennsport oder auf der
Straße, ein Motorrad muss rauchen, stinken und Krach machen. Salonfähig
ausgedrückt: Ohne echten Sound kommt kein Spaß auf, die Emotionen bleiben
auf der Strecke. So jedenfalls die weit verbreitete Meinung, schließlich
sind beim Verbrennungsmotor die Geräusche eine technische Angelegenheit.
Viele Maschinen lassen sich schon von Weitem an ihrem Klang erkennen.
Denkt man nur an die Harleys, Ducatis oder eine klassische Münch-4 TTS
1200 "Mammut". Bei der Münch TTE-2 mit Elektromotor ist dagegen nur ein
Surren zu hören, so, als ob man sich mit einem Fön die Haare trocknet.
|
|
In der E-Münch stecken die Gene
der legendären Münch Mammut

Mammut-Parade in Oschersleben
Münch Mammut 2000, Münch-4 TTS 1200, Münch TTE-2 |
|
Motorradfans kennen die "Mammut" des hessischen
Motorrad-Konstrukteurs Friedel Münch als das stärkste, schnellste und
teuerste Motorrad, das es einst zu kaufen gab. Von 1966 bis 1980 wurden
nur 478 dieser Boliden gebaut. |
|

Münch-4 TTS 1200 vom 1969 |
|
Bis Ende der 1990er Jahre war es recht still um das
weltweit erste Big-Bike. Dann lernte Friedel Münch den Würzburger
Unternehmer und Münch-Fan Thomas Petsch kennen. Schon bald schmiedeten die
beiden Enthusiasten Pläne für ein neues Motorrad. |
|

Münch Mammut 2000
|
|
Nach
gut zweieinhalb Jahren Entwicklungszeit stand die Münch
Mammut 2000
als schwerstes, stärkstes, schnellstes, aber auch mit 86.000 Euro als
teuerstes Big-Bike, auf den Rädern. Die Sensation war perfekt, das
weltweite Interesse beachtlich. Für einen wirtschaftlichen Erfolg
hätte Bauherr Petsch sein 260 PS starkes Power-Bike jedoch zum
doppelten Preis verkaufen müssen. Nur 15 dieser Asphalt-Brenner wurden
gebaut, dann zog der Würzburger Unternehmer Anfang 2004 die Notbremse
und stellte die Fertigung ein. |

Thomas Petsch auf seiner
Münch Mammut 2000 |
|
|
Zweiter Platz beim ersten CO2-freien TTXGP
2009 auf
der Isle of Man
|
|

XXL-Racing 2009 aus Kassel
Aus einer elektrisierenden Idee wurde der zweite Platz beim 1. TTX Grand
Prix auf der Isle of Man.
Thomas Schönfelder, Rennfahrer; Marko Werner, Cheftechniker; Thomas Schuricht, Teamchef

12. Juni 2009 TTX-Grand Prix auf der Isle of
Man
#18 Thomas Schönfelder auf dem XStromer
(Foto:
Archiv XXL-Racing)
Kurzer Ortswechsel. Ende 2008 bauten die Kasseler
Motorradfreunde und Elektroexperten Marko Werner, Thomas Schuricht und
Thomas Schönfelder in das Fahrwerk einer Laverda 650 Formula einen 62 PS
starken E-Motor und 1300 miteinander verdrahtete 4,2 Volt Akkus ein. Ziel
der Herausforderung war die Teilnahme beim ersten CO2-freien TTXGP im
Rahmen der TT-Rennwoche auf der Isle of Man. Mit dem zweiten Platz konnte
Isle of Man-Spezialist Schönfelder im Sommer 2009 alle Erwartungen
übertreffen. |
f

Castingshow: "Deutschland sucht den
ersten E-Bike Weltmeister"
Das Kassler XXL-Racing Team am 20.10.2009 bei Thomas Petsch in
Würzburg |
Von diesem sensationellen Erfolg hörte der
ehemalige Münch Mammut 2000 Hersteller Thomas Petsch, der sich inzwischen
auf Solar-Technologie spezialisiert hatte, über einen Insider.
Motorrad-Fan Petsch lud die Kasseler Stromer zu sich nach Würzburg ein.
Man erkannte viele gemeinsame Schnittstellen und gründete Anfang 2010 die
Münch Racing GmbH. |
E-Bikes – Mobilität der Zukunft
|

Münch-Rennabteilung in Lohfelden bei
Kassel
Thomas Schuricht und Matthias Himmelmann |
Einen kleinen Einblick in die technische
Pionierarbeit verrät Münch-Cheftechniker Thomas Schuricht:
"Mit der Münch TTE-2
haben wir Neuland betreten. Es gibt nichts Vergleichbares, auch
hinsichtlich der Elektro-Technologie liegen keine Erfahrungswerte vor. Die
Positionierung des E-Motors und der Batterien machte es sogar
erforderlich, dass wir einen eigenen Gitterrohrrahmen konstruieren
mussten. Bei den Fahrwerkskomponenten kommt für uns nur hochwertiges
Zubehör in Frage.
Die Gabel und das TTX36-Federbein stammen von Öhlins, die Bremsanlage von
Brembo, die Felgen
liefert PVM und fast alle Kunststoffteile sind aus Carbon gefertigt. Zu
der größten Herausforderung gehört aber die Entwicklung der elektronischen
Steuerung des sich im Fahrbetrieb ständig verändernden Strombedarfes für
den E-Antrieb. Vereinfacht muss man sich das so vorstellen. Auf den
Geraden wird Volllast abgerufen, beim Abbremsen ist kein Strombedarf
erforderlich. Je nach Situation oder Kurve ist zunächst wenig, aber
anschließend beim Beschleunigen wieder maximaler Energiebedarf
erforderlich. Was man von einem Verbrennungsmotor mit Gasauf-Gaszu her
kennt, sind bei den E-Bikes die Spannungschwankungen, die sich aus den
jeweiligen Fahrsituationen ergeben. Für die Akkus bedeuten diese
permanenten Wechsel von Null bis volle Leistung Dauerstress. Ein weiteres
Entwicklungsfeld ist die optimale Kühlung. Bei den Akkus sollte die
Temperatur von 45 Grad nicht überschritten werden, der Motor kann bis 130
Grad erreichen"“
|

E-Power
|
Der TTE-2 Racer bezieht seinen
Strom aus Lithium-Polymer-Akkus. Dieser Batterie-Pack ist etwa 90 kg
schwer und kostet gut 12.000 Euro. Für den Vortrieb sorgt ein speziell für
Münch entwickelter 100 kW/350 Volt bürstenloser
Wittenstein-Drehstrom-Elektromotor. Das Aggregat wiegt 25 kg, hat einen
Durchmesser von 20 cm und ist 30 cm breit. Durch das enorme Leistungsband
bis 12.000/min, das volle Drehmoment von 170 Nm gibt der Motor ab dem
Stand ab, sind ein Schaltgetriebe sowie eine Kupplung nicht erforderlich.
Lediglich die Endübersetzung über eine O-Ring-Kette wird entsprechend der
jeweiligen Rennstrecke angepasst.
|
Strom im Vormarsch
Matthias Himmelmann 2010 auf der Münch TTE-1
(Foto:
Archiv-Münch) |
Mitte 2010 kam Matthias Himmelmann in das Team
und übernahm gleichzeitig die Nachfolge von Thomas Schönfelder. "Drauf setzten, Strom geben,
losfahren. Klingt einfach, es gehört aber Köpfchen dazu", Matthias
Himmelmann lacht und erzählt weiter: "Da übliches Kuppeln und Schalten
entfällt, ist zunächst eine Eingewöhnung erforderlich. Fußbremse und
Fußschalthebel gibt es nicht, die Fußspitzen haben Urlaub. Wird beim
normalen Bike mit dem Gasgriff Gas gegeben, wird beim E-Racer über einen
Potentiometer-Drehgriff rechts am Lenker der Strombedarf gesteuert. Die
Vorderradbremse sitzt wie gewohnt ebenfalls rechts am Lenker und über dem
sonst üblichen Kupplungshebel links am Lenker wird die Hinterradbremse
betätigt. Ähnlich wie ein Zweitakter, verfügt der E-Motor über kaum eine
Bremswirkung. Auf die Energierückgewinnung, die
einer Bremse gleich kommt, wird zum Schonen der Akkus bei uns im Rennsport
verzichtet.
Leichtes Verzögern wird über die
Hinterradbremse geregelt, die Hauptarbeit übernimmt jedoch die
Vorderradbremse. Hat man sich an diese Bedienung gewöhnt, lässt es sich
viel besser auf das Fahren und das Renngeschehen konzentrieren. Dafür muss
ich jedoch den Stromverbrauch sowie die Motor- und Batterie-Temperatur gut
im Auge behalten. Eine Überhitzung ist das Schlimmste, was der
Antriebseinheit passieren kann. Es kann zum Leistungsverlust oder sogar
zum Ausfall führen. Am schnellsten bin ich mit meinem neuen, zum E-Bike
eingespielten, runden und weichen Fahrstil. Fahrleistungen und Handling
lassen sich am besten mit einem 600 Supersportler vergleichen. In der
aktuellen Ausführung drückt unsere TTE-2 223 kg auf die Waage, die Spitze
liegt bei über 240 Sachen. Als bekennender Motorsportler ist es für mich
von Rennen zu Rennen eine spannende Angelegenheit, die Weiterentwicklung
der Technologie in der jungen E-Bike-Klasse aktiv mit zu gestalten. So
wird zum Beispiel auch der gesamte Strom, den wir bei den Rennaktivitäten
benötigen, durch eine mobile Windradanlage der Firma Windreich mit einer
Speicherkapazität von 50 kWh, selbst erzeugt. Unsere Generation hat die
Verantwortung und die Aufgabe neue Wege zu entwickeln."
|

Schleiz 2011
|
Im Rennbetrieb kommt die TTE-2
nach circa vier Stunden Ladezeit 80 km weit. Bei ziviler Fahrweise im
Straßenverkehr schafft das E-Bike rund 200 km. In Anbetracht der rasanten
Entwicklung der E-Mobilität lässt sich erahnen, dass schon bald die
Elektromotoren effizienter und die Batterien leichter werden, mit merklich
kürzeren Ladezeiten sowie erheblich höheren Speicherkapazitäten, wodurch
sich die Reichweite wesentlich verlängert. Für die Stromversorgung
entstehen ganz neue Geschäftsmodelle. Beipielsweise bieten die
E-Mobil-Hersteller die Fahrzeuge im Paket mit Solartechnologie auf Carports
oder kleine Windradanlagen für den eigenen Garten an. So kann jeder seinen
Grünen Strom selbst produzieren und die Überkapazität im Haus nutzen oder
gegen Vergütung in das Netz einspeisen.
|
|
|
Spannende Rennen seit 2010
|
|

(Foto:
Archiv-Münch) |
|
Ähnlich wie auch in anderen Sportarten gibt es
für die E-Bikes ab 2010 gleich zwei Meisterschaften. In der FIM ePower
Internationale Championship sicherte sich das Münch Racing Team bereits in
der ersten Saison in 2010 den Konstrukteurstitel, in der Fahrerwertung
landete Matthias Himmelmann auf dem dritten Platz. Im TTXGP eGrandprix
schrieb sich der Münch-Racer als erster E-Bike Weltmeister ins
Geschichtsbuch ein. 2011 dann der Doppelerfolg, das Münch Racing Team und Matthias Himmelmann konnten sich in beiden Meisterschaften
als Champion feiern lassen. In der Saison 2012 ging es um die
Titelverteidigung. |
|

Champon 2010
(Foto:
Archiv-Münch)
|
|

Champion 2011
(Foto:
Archiv-Münch)

Münch Racing Team Champion 2012
Matthias Himmelmann, Ralf Ernst, Thomas Petsch, Thomas Schuricht, Katja
Poensgen
|
|
Verstärkung bekam das Team durch die Ex-250 GP-Pilotin
Katja Poensgen. Ein genialer Schachzug von Team-Manager Thomas Petsch. Die
letzten gemeinsamen Rennen zu beiden Meisterschaften gingen am zweiten
September Wochenende in Le Mans, Frankreich, über die Bühne. Fast scheint
es so, als ob die Kasseler Stromer die Titel abonniert hätten. Matthias
Himmelmann wurde erneut Champion der FIM-Wertung und Katja Poensgen
Vizeweltmeisterin. In der TTXGP-Wertung, die für das Münch-Team nur
Matthias Himmelmann bestreitet, durfte sich der "Stier von Lohfelden" als
Europameister feiern lassen. Abgerundet wurde die Erfolgsserie mit dem
erneuten Gewinn der Konstrukteursweltmeisterschaft.
|